Leitsatz (amtlich)

1. Der Inhaber eines standardessentiellen Patents (SEP) genügt seinen Verhandlungspflichten gegenüber dem Patentbenutzer grundsätzlich, wenn er an die Konzerngesellschaft herantritt, die für Lizenzverhandlungen und Lizenznahme im Konzern, dem der Patentbenutzer angehört, zuständig ist.

2. Der Verletzungshinweis genügt inhaltlich, wenn er den Patentbenutzer in die Lage versetzt, sich (gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe oder unter Einholung von Rechtsrat) ein Bild von der Qualität des Verletzungsvorwurfs zu machen und Klarheit über das Interesse an einer Lizenz zu gewinnen.

3. Die dem Patentbenutzer für die Lizenzierungsbitte einzuräumende Prüfungs- und Erwägungsfrist wird regelmäßig zwei Monate nicht überschreiten.

4. Verhandlungspflichten des SEP-Inhabers und Obliegenheiten des Patentbenutzers können während eines anhängigen Verletzungsrechtsstreits "nachgeholt" werden. Die (erstmalige) Erfüllung der Verhandlungspflichten nach Klageerhebung setzt voraus, dass die klagende Partei eine druckfreie Verhandlungssituation durch eine entsprechende Prozesslage sicherstellt.

5. Der Patentbenutzer kann durch eine Erfüllung seiner Obliegenheiten nach Klageerhebung erst kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung das Verletzungsverfahren nicht verzögern; er trägt vielmehr das Risiko, dass dann im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung eine Verletzung der Pflichten des SEP-Inhabers nicht feststeht.

6. Die Erläuterungs- und Informationspflichten des SEP-Inhabers zum Lizenzangebot umfassen auch Darlegungen zu den objektiven Umständen, warum das unterbreitete Angebot FRAND-Kriterien entspricht. Sind bereits Lizenzverträge mit dritten Unternehmen zu unterschiedlichen Bedingungen abgeschlossen, wird der SEP-Inhaber regelmäßig zumindest den Inhalt der wesentlichen Lizenzvertragsbedingungen jener Verträge so darzulegen und zu erläutern haben, dass der Lizenzsucher entnehmen kann, ob, ggf. inwieweit und ggf. aus wel-chen Sachgründen er wirtschaftlich ungleichen Konditionen ausgesetzt ist.

7. Einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Vorlage der vom SEP-Inhaber abgeschlossenen Lizenzverträge mit Dritten hat der Lizenzsucher aus Art. 102 AEUV unmittelbar oder sonst nach deutschem Sachrecht grundsätzlich nicht.

8. Verletzt der SEP-Inhaber Verhandlungspflichten beschränkt dies den der Bezifferung des Schadenersatzanspruchs dienenden Rechnungslegungsanspruch nicht, insbesondere können auch Angaben zu Gewinn und Kosten verlangt werden.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 25. November 2016, Az. 7 O 44/16, - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - im Kostenpunkt aufgehoben, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten Aufstellung, hinsichtlich der Angaben a und b unter Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie Multiplexgeräte, die ausgestaltet sind als Multiplexgerät in einem Kommunikations-Endgerät eines Mobilfunk-Kommunikationssystems zum Multiplexen von Datenpaketen mit verschiedenen zugeordneten Prioritäten, (Merkmal a) mit:

  • Mitteln zum Empfangen von Datenpaketen (Merkmal b);
  • Mitteln zum Bedienen eines Warteschlangenspeichers für jede unterschiedliche Priorität von Datenpaketen (Merkmal c);
  • Mitteln zum Zusammensetzen einer Gruppe der Datenpakete, gemäß einer ersten Multiplexregel und einer zweiten Multiplexregel, (Merkmal d) wobei
  • durch Auswählen von Datenpaketen aus einem oder mehreren der Warteschlangenspeicher nach der ersten Multiplexregel ein erster Teil der Gruppe mit Datenpaketen befüllt wird (Merkmal d1) und
  • durch Auswählen von Datenpaketen aus einem oder mehreren der Warteschlangenspeicher nach der zweiten Multiplexregel ein zweiter Teil der Gruppe mit Datenpaketen befüllt wird (Merkmal d2);
  • Mitteln zum Übertragen der Gruppe (Merkmal e);

gekennzeichnet dadurch, dass das Multiplexgerät weiter umfasst:

  • Mittel zum Anpassen der Größe des ersten und zweiten Teils gemäß der durch Daten in jedem Warteschlangenspeicher erfahrenen Verzögerung relativ zu einem Verzögerungskriterium für den jeweiligen Warteschlangenspeicher (Merkmal f),

in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge