Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Belegkrankenhauses
Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung von Belegarzt, Hebamme und Belegkrankenhaus im Rahmen der Geburtshilfe
1. Das noch nicht geborene Kind ist in den Schutzbereich der Behandlungsverträge zwischen Mutter, Belegarzt und Belegkrankenhaus einbezogen. Es kann bei Vertragsverletzungen Schadensersatzansprüche im eigenen Namen geltend machen.
2. Nach Übernahme der Geburtseinleitung, -durchführung durch den Belegarzt (Frauenarzt) wird das hierfür eingesetzte Krankenhauspersonal (Hebamme) für diesen als Erfüllungsgehilfen tätig. Das Belegkrankenhaus haftet – vertraglich – insoweit nicht für deren Fehlverhalten.
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 3 O 383/94) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. August 1998 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 19.500 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Parteien können die Sicherheit auch durch schriftliche, selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbringen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der beklagten Stadt materiellen Schadensersatz für Schädigungen, die er vor und bei seiner Geburt am 12. September 1983 erlitten hat. Er macht ausschließlich vertragliche Ersatzansprüche geltend.
Der Kläger wurde am 12. September 1983 im städtischen Krankenhaus der Beklagten … geboren. Die Mutter des Kindes wurde dort als Privatpatientin stationär zwischen dem 24. und dem 26. August 1983 und dann nochmals vom 11. bis 12. September 1983 zur Geburtseinleitung aufgenommen (Belegbettenabteilung). Ärztlicherseits wurde sie betreut und behandelt von ihrem Frauenarzt Dr. … K. der auch Belegarzt im Krankenhaus der Beklagten war. Betreut wurde sie während der stationären Krankenhausaufenthalte u. a. auch von der bei der Beklagten angestellten Hebamme … F.
Der Geburtsverlauf stellt sich wie folgt dar:
Der errechnete Geburtstermin war Anfang August 1983. Die Mutter des Kindes befand sich nach dem 8. August 1983 in engmaschiger, durchschnittlich zweitägiger ärztlicher Kontrolle durch ihren Frauenarzt (Untersuchungen, Cardiotocogramm – CTG).
Am 24. August 1983 wurde im Krankenhaus der Beklagten ein erster Geburtseinleitungsversuch unternommen. Frau S. wurde ein CTG angelegt. Ferner wurde ihr mittels eines Dauertropfes Orasthin, ein wehenförderndes Mittel, verabreicht. Der Tropf wurde von der Zeugin F. auf Anweisung des Belegarztes Dr.K. angelegt, ebenso das CTG. Nach 3 1/2 Stunden wurde der Einleitungsversuch erfolglos abgebrochen.
Ein weiterer – gleichfalls erfolgloser – Versuch der Geburtseinleitung wurde auf gleiche Weise am 26. August 1983 durchgeführt. Das aufgenommene CTG weist bezüglich des Kindes pathologische Herzfrequenzen unter Belastung mit dem Wehentropf auf.
Am 9. September 1983 begab die Mutter des Klägers sich erneut in das Krankenhaus der Beklagten. Es wurde ein Belastungs-CTG bei rechnerischer Übertragung geschrieben. Da bei der vaginalen Untersuchung wiederum ein unveränderter Befund ohne Wehentätigkeit festgestellt wurde, wurde beschlossen, weiter abzuwarten.
Am 11. September 1983 meldete sich Frau S. dann gegen 21.30 Uhr mit regelmäßigen Wehen, alle 3–4 Minuten. Um 2.03 Uhr wurde der Kläger mit starken Übertragungszeichen geboren. Das Kind, das zunächst die APGAR-Werte 9/10/10 erhielt, die auf 8/9/10 korrigiert wurden, hatte eine gelb verfärbte Kaut. Ebenso waren die Nägel gelb verfärbt. Es waren Abschilfungen der Haut zu erkennen. Der Kläger hatte sogenannte Waschfrauenhände und -füße. Das Fruchtwasser war stinkend und grün. Zum Zeitpunkt der Geburt war der aus dem Mutterpaß ersichtliche vorausberechnete Geburtstermin (4. August 1983) um 5 1/2 Wochen überschritten.
Der Kläger wurde noch am 12. September 1983 in das Städtische Krankenhaus I. verlegt, wo er bis zum 5. Oktober 1983 stationär behandelt wurde. An diesem Tag wurde er als gesund entlassen.
Tatsächlich leidet der Kläger an der schwersten Form einer infantilen Cerebralparese (Tetraspastik) mit sekundärer doppelseitiger Hüftgelenksluxation, an sekundärer Mikrozephalie, schwersten geistigen Entwicklungsverzögerungen und einer therapieresistenten multifokalen Epilepsie. Er ist in seiner Erwerbsfähigkeit zu 100 % gemindert und nach Stufe III pflegebedürftig. Der Kläger wird zeit seines Lebens über den geistigen Entwicklungsstand eines einjährigen Kindes nicht hinauskommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Schädigungen des Klägers wird auf das Gutachten von Professor Dr. med. G. J… vom 5. August 1997 (Bl. 212 ff, vor allem Bl. 254-269 d.A.) verwiesen.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Zeugin F. habe als Hebamme Behandlungsfehler begangen, für die die Beklagte hafte. So habe sie nicht b...