Leitsatz (amtlich)
1. Die Versäumung einer mit Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens gesetzten Frist ist bedeutungslos, wenn der Partei später zur Erwiderung auf weiteren Vortrag des Gegners eine neue Frist gesetzt wird.
2. Auch nach Versäumung einer Frist hat das Gericht zu prüfen, ob eine Verzögerung durch rechtzeitige vorbereitende Maßnahmen vermieden werden kann. Unterbleibt diese Prüfung sachwidrig, steht die gerichtliche Mitverantwortung für die Verzögerung der Anwendung der Präklusionsvorschriften entgegen.
3. Ohne vorherigen gerichtlichen Hinweis darf der Prozessvortrag einer Partei nicht als verspätet zurückgewiesen werden.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 139, 272, 276-277, 296, 539, 540 a.F.
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 4 O 139/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.1.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Mainz mit dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und die Sache wird, auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin beansprucht von den Beklagten Zahlung von Maklerlohn.
Aufgrund einer Anzeige der „V. Immobilien e.K.” setzten sich die Beklagten mit dieser Maklerfirma in Verbindung und besichtigten ein Objekt in der Ortschaft V. Später suchten die Beklagten ein anderes von der V. Immobilien e.K. angebotenes Objekt in S. auf und unterschrieben eine dieses Anwesen betreffende Reservierungsvereinbarung. Die Beklagte zu 1) erwarb das Anwesen in S. zum Preis von 460.000 DM.
Die Beklagten bestreiten den Abschluss eines Maklervertrages und wenden Vorkenntnis ein.
Das LG hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme der Klage stattgegeben und hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Mit der Klägerin, Dipl.-Ing. G.G. als Inhaberin der V. Immobilien e.K., sei ein Maklervertrag zustande gekommen. Es könne kein Zweifel bestehen, dass der Mitarbeiter der Immobilienfirma für deren Inhaberin gehandelt habe.
Vertragspartner sei auch der Beklagte zu 2) geworden; er habe am Erwerb des Familienheims das gleiche Interesse wie seine Ehefrau, die Beklagte zu 1).
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass schon bei der ersten Kontaktaufnahme auf die Provisionspflicht für den Fall des Erwerbs hingewiesen worden sei. Dem für die Vorkenntnis von den Beklagten angebotenen Zeugenbeweis sei nicht nachzugehen. Der Beweisantritt sei verspätet. Seine Zulassung hätte den Rechtsstreit verzögert. Eine Zuladung der Zeugen sei im Hinblick auf die Terminslage der Kammer nicht in Betracht gekommen.
Die Beklagten rügen mit der Berufung hauptsächlich, die Zurückweisung ihres Vorbringens als verspätet sei zu Unrecht erfolgt, denn eine Verzögerung hätte der Einzelrichter durch vorbereitende Maßnahmen ausgleichen können und müssen. Die Sachbefugnis der Klägerin bleibe bestritten. Weil die Beklagte zu 1) das Anwesen erworben habe, könne die Tätigkeit der Klägerin keinen Maklerlohnanspruch gegen den Beklagten zu 2) begründen.
Dem ist die Klägerin entgegengetreten.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat einen vorläufigen Erfolg.
Auf das Rechtsmittel ist das Urteil des LG mit dem zugrunde liegenden Verfahren aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Das Verfahren des ersten Rechtszugs leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel (§ 539 ZPO), denn der Einzelrichter hat die Präklusionsvorschriften nicht richtig angewandt.
1. Das LG durfte, so wie es verfahrensmäßig vorgegangen ist, die Zurückweisung des unter Beweis gestellten Vorbringens der Beklagten nicht mit § 296 Abs. 1 ZPO rechtfertigen.
a) Das LG hat zwar in formell ordnungsgemäßer Weise mit der Verfügung vom 20.7.2001 das schriftliche Vorverfahren veranlasst, eine Frist gesetzt und über die Folgen der Fristversäumnis belehrt (§ 272 Abs. 2, 276, 277 Abs. 2, 296 ZPO). Es trifft auch zu, dass der Schriftsatz vom 29.10.2001 nach Ablauf der im schriftlichen Vorverfahren gesetzten Frist eingegangen ist.
Die Zurückweisung des Vorbringens ist aber rechtsmissbräuchlich. Ein weiterer Mangel liegt darin, dass den Beklagten kein rechtliches Gehör vor Zurückweisung gewährt worden ist.
Eine Bindung nach § 528 Abs. 3 ZPO für das Berufungsgericht findet daher nicht statt.
b) Dem Anspruch der Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens auf rechtliches Gehör entspricht die Verpflichtung des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Erhebliche Beweisanträge muss das Gericht berücksichtigen (BVerfG NJW 2000, 945 [946]).
Die das rechtliche Gehör beschränkenden Präklusionsvorschriften haben strengen Ausnahmecharakter. Eine Präklusion ist insb. dann nicht mit dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu vereinbaren, wenn eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht die Verzögerung mitverursacht hat...