Entscheidungsstichwort (Thema)

Sittenwidrigkeit eines Schenkkreises

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Vertrag über die Teilnahme an einem Spielkreis ist auch dann wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, wenn sie zwischen einem neu eintretenden Mitspieler und einem anderen Teilnehmer geschlossen werden, der seinerseits als Mitspieler eingetreten ist und lediglich seinen in der Zwischenzeit besser gewordenen Rangplatz veräußert.

2. Trotz einer gezielt unübersichtlichen Gestaltung des Schenkkreises sind die Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB zu bejahen, wenn der Teilnehmer sich der Einsicht in den Schneeballcharakter des Systems leichtfertig verschließt, dies ergibt sich bei der Übernahme einer Rangposition auch daraus, dass er versucht, sich hierdurch ggü. anderen Einsteigern einen Vorteil zu verschaffen.

3. Die einschränkende Auslegung von § 817 S. 2 BGB ist nicht geboten.

 

Normenkette

BGB § 817 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 14.07.2004; Aktenzeichen 2 O 3/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 14.7.2004 verkündete Urteil des LG Bonn - 2 O 3/04 - wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Ehefrau des Klägers erwarb von dem Beklagten im Rahmen eines sog. "Schenkkreises" dessen Position im dritten Rang. Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht die Rückzahlung des hierfür geleisteten Beitrags von 10.000 EUR. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit Gründen versehene Berufung ist unbegründet. Der Kläger kann aus dem abgeleiteten Recht seiner Ehefrau von dem Beklagten nicht die Rückzahlung des für den Eintritt in den Schenkkreis gezahlten Betrages verlangen.

1. Die an den Beklagten geleistete Zahlung wurde i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB ohne rechtlichen Grund erbracht, weil die zwischen der Ehefrau des Klägers und dem Beklagten getroffene Vereinbarung betreffend die Übernahme einer dritten Rangstelle gegen Zahlung von 10.000 EUR nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig war.

Bei den Regeln, die dem Schenkkreis zugrunde liegen, handelt es sich um ein Schneeballsystem. Die Gewinnerwartung in einem solchen System beruht alleine darauf, dass eine immer stärker ansteigende Zahl von Teilnehmern den geforderten Beitrag leistet. Dabei haben im Wesentlichen die Initiatoren als die ersten Mitspieler eine sichere Chance auf Gewinn, wohingegen die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren muss, weil angesichts des Vervielfältigungsfaktors in überschaubarer Zeit keine Mitspieler mehr gewonnen werden können. Außerdem ist der Schenkkreis angesichts der angesprochenen Personenkreise darauf angelegt, dass die Teilnehmer in ihrem privaten und ihrem beruflichen Umfeld nach neuen Mitspielern suchen, was zu einer Kommerzialisierung des Privatlebens und zu nachhaltigen Einflüssen in das Berufsleben führt. Das bringt die Gefahr erheblicher Belastungen im sozialen Umfeld mit sich. Ein solches System verstößt bereits an sich gegen die guten Sitten (BGH v. 22.4.1997 - XI ZR 191/96, NJW 1997, 2314; OLG Celle v. 20.3.1996 - 13 U 146/95, NJW 1996, 2660; OLG Celle v. 27.10.1999 - 13 U 61/99, OLGReport Celle 2000, 255; OLG Frankfurt v. 2.3.2000 - 3 U 40/99, OLGReport Frankfurt 2000, 143; OLG Bamberg NJW-RR 2002, 1393). Die hier zu erörternden Größenordnungen zeigen den Schneeballcharakter des Systems recht deutlich auf, weil für die ersten 8 Schenker, die im vierten Rang in einen Chart eintreten, 64 weitere Einzahler gefunden werden müssen, bis der nach dem Zuschnitt des Systems in Aussicht gestellte Gewinn anfällt. Für das vorliegende Regelwerk des Spiels treten besondere Gefahren hinzu, die seine Verwerflichkeit unterstreichen. So bleibt für den Neuteilnehmer unklar, ob der Inhaber der Empfangsposition seinerseits überhaupt Beiträge geleistet hat oder ob er ein Initiator ist, der möglicherweise die eigene Leistung von Beiträgen nur vorspiegelt. Angesichts dessen ist dem System ein Überschuss an anlockender Wirkung eigen, der nicht in dem Umfang, den die äußere Darstellung des Spiels suggeriert, durch tatsächlich geleistete Vermögensopfer begrenzt wird. Wie der Sachvortrag des Beklagten zeigt, bietet sich zusätzlich die Gelegenheit, Strohmänner in die Position der Schenker zu setzen; die Zahlung wird in diesem Falle von einem Dritten geleistet, der bei naheliegender Gestaltung des Vorgangs selbst in der Empfängerposition steht oder mit einem Empfänger zusammenarbeitet. Auf diese Weise wird anderen Teilnehmern eine in Wahrheit nicht vorhandene Geldbewegung in dem jeweiligen Chart vorgetäuscht und verstärkt anlockende Wirkung entfaltet. Hinzu kommt die in den Schenkkreisen übliche Verwendung von Vornamen, mit der man die Identität der Teilnehmer verschleiert und so eine Vielfalt von Scheinbeteiligungen eröffnet, bei denen wiederum die Anlockung neuer Einzahler, nicht aber die Schaffung von realen Gewinnchancen im Vordergrund steht. W...

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