Entscheidungsstichwort (Thema)
"Frosch mit der Maske, Dr. Mabuse u. Winnetou": Zur Videoverwertung von vor 1966 produzierten Filmen
Leitsatz (amtlich)
1. Verträge über Nutzungsrechte für noch nicht bekannte Nutzungsarten waren vor 1966 - anders als in der Zeit von 1966-2007 - urheberrechtlich nicht schlechthin unwirksam. Der allgemeine Zweckübertragungsgedanke stand der Annahme einer derartigen Nutzungseinräumung aber im Zweifel entgegen; das galt auch für das Verhältnis von den Filmschaffenden Künstlern und dem Produzenten. Ein in die andere Richtung gehender Parteiwille musste unzweideutig zum Ausdruck gekommen sein.
2. Es spricht keine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Regisseur eines Films dessen Alleinurheber ist.
Ein Miturheber kann auf Auskunft und Rechnungslegung an sich allein klagen, auch wenn der Schaden der Miturhebergemeinschaft zur gesamten Hand zu ersetzen ist (teilweise Abgrenzung zu BGH GRUR 2003, 1035, 1037 - Hundertwasserhaus).
Normenkette
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 6, §§ 7, 8 Abs. 1, 2 Nr. 3, §§ 10, 15 Abs. 1, § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 1, § 31 Abs. 4, §§ 43, 65 Abs. 2, §§ 97, 132 Abs. 1 S. 1; InsO §§ 103, 119
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 19.03.2008; Aktenzeichen 28 O 297/07) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.3.2008 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des LG Köln teilweise abgeändert und zu Nr. V wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den jeweils aus dem Kläger und weiteren Personen bestehenden Mit-urhebergemeinschaften an den unter Nr. I genannten Filmwerken allen materiellen Schaden zu erstatten, der ihnen daraus entstanden ist und künftig noch entstehen wird, dass die Beklagte diese Filmwerke als Videogramme vervielfältigte und/oder der Öffentlichkeit anbot und/oder in den Verkehr brachte und/oder vervielfältigen ließ und/oder der Öffentlichkeit anbieten ließ und/oder in Verkehr bringen ließ.
Mit dem insoweit gestellten Hauptantrag wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe, die der Streithelferin auferlegt werden.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs durch Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sie kann die Vollstreckung des Zahlungs- und Kostenerstattungsanspruchs durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist der Sohn und Alleinerbe des Filmregisseurs Dr. Harald P., der u.a. bei dreizehn zwischen 1957 und 1965 entstandenen Spielfilmen (der Heimatkomödie "Almenrausch und Edelweiß", den sechs "Edgar-Wallace"-Filmen "Der Frosch mit der Maske", "Die Bande des Schreckens", "Der Fälscher von London", "Der Würger von Schloss Blackmoor", "Zimmer 13" und "Der unheimliche Mönch", den beiden Filmen "Im Stahlnetz des Dr. Mabuse" und "Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse" sowie den vier "Karl-May"-Filmen "Der Schatz im Silbersee" und "Winnetou I" bis "Winnetou III") Regie führte. Neun dieser Filme produzierte die Streithelferin; die Kinoauswertung lag überwiegend (nach dem Beklagtenvorbringen: immer) bei der Constantin-Filmverleih GmbH (nachfolgend: Constantin).
Die Beklagte vertrieb seit Ende 2004 digitale Videogramme (DVDs) der Filme (auch zusammen mit anderen Filmen als Teil von DVD-Kollektionen). Der Kläger hält diese Art der Auswertung für urheberrechtswidrig, weil sein Vater alleiniger Urheber aller dreizehn Filme gewesen sei und niemandem - insbesondere keinem Rechtsvorgänger der Beklagten - entsprechende Nutzungsrechte eingeräumt habe. Er nimmt die Beklagte auf Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch; außerdem macht er Rechtsverfolgungskosten und Zinsen (auch in Bezug auf vier weitere seit 1966 entstandene, sonst nicht mehr streitgegenständliche Filme) geltend.
Das LG, auf dessen Urteil wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Klageanträge erster Instanz verwiesen wird, hat die Beklagte (mit klarstellender Beschränkung des Feststellungsausspruchs auf materielle Schäden) antragsgemäß verurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die mit Unterstützung der Streithelferin ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Sie vertieft und ergänzt unter näherer schriftsätzlicher Darlegung ihr bisheriges Vorbringen, bestreitet insbesondere die Alleinurheberschaft des Regisseurs Dr. P. und behauptet, dieser habe in seinen Verträgen mit der Constantin über sämtliche Rechte an den Filmen auch in Bezug auf damals noch unbekannte Nutzungsarten verfügt. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urt...