Entscheidungsstichwort (Thema)
Feuchtigkeitsspende
Leitsatz (amtlich)
Es ist irreführend, mit einer auf die Gesunderhaltung der Haut bezogenen Aussage für ein Rasiergerät zu werben, wenn der Werbende nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zur Zeit der Werbung nicht sicher sein kann, dass die Aussage (hier: der Haut werde während der Rasur aus einem Gel-Reservoir aktiv Feuchtigkeit zugeführt) richtig ist.
Normenkette
UWG § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 31.05.2012; Aktenzeichen 31 O 505/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.5.2012 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln - 31 O 505/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil und das Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht diese Partei vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leistet. Die Sicherheit beträgt hinsichtlich der Unterlassungsansprüche 180.000 EUR (jeweil 45.000 EUR), hinsichtlich des Auskunftsanspruchs 20.000 EUR und hinsichtlich der Kosten für die vollstreckende Partei 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren, für die der Vollstreckung ausgesetzte Partei 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Beide Parteien vertreiben Nassrasiergeräte mit Wechselklingen. Die Beklagte bietet unter ihrer Marke "X" die Rasierer "I" und "I2" an, bei denen sich in einem Behälter oberhalb der (drei oder fünf) Klingen Pulver mit dem Hauptbestandteil Polyox (Polyethylenglykol PEG 115 M) und weiteren Bestandteilen (Titandioxid, Cyclodextrin, Tocopherol, Aloe Vera, Maltodextrin) befindet, das sich mit Wasser zu einem Gel verbindet ("Gel-Reservoir"). Sie warb dafür im Internet und auf den Verpackungen - wie aus den Abbildungen im angefochtenen Urteil ersichtlich - mit den Aussagen "I spendet direkt Feuchtigkeit", "Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir" und "Das wasseraktivierte Gel mit Aloe Vera und Vitamin E spendet der Haut schon während der Rasur direkt Feuchtigkeit".
Die Klägerin hält dies für irreführend; sie hat behauptet, von den Produkten der Beklagten gehe keine, erst recht keine länger andauernde feuchtigkeitsspendende Wirkung aus. Sie hat die Beklagte (soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse) auf Unterlassung der erwähnten Werbeaussagen (unter Beschränkung weiter gehender Anträge auf die konkrete Verletzungsform), Auskunft über den Umfang der Werbung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Die Beklagte ist dem mit Darlegungen zum Verständnis der Werbeaussagen durch die angesprochenen Verbraucher und zur Wirkung des Polyox-Pulvers entgegengetreten; sie hat behauptet, das Polyox beeinflusse den Feuchtigkeitsgehalt der oberen Hautschichten auf zweifache Weise positiv, indem es im feuchten Rasurmilieu Wassermoleküle binde und diese langsam an die Haut abgebe sowie die normale Abdampfrate der Haut vermindere, was zu einer auch subjektiv spürbaren Erhöhung der Hautfeuchtigkeit während der Rasur führe. Beide Parteien haben sich in ihrem schriftsätzlich näher ausgeführten Sachvortrag auf Berichte über klinische Studien sowie wietere Untersuchungen und Unterlagen bezogen.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Feststellungen verwiesen wird, hat das LG die Beklagte wegen der vorbeschriebenen Werbung (unter Abweisung des auf Untersagung der Produktbezeichnung "I" gerichteten selbständigen Teils der Klage) antragsgemäß verurteilt..
Die Beklagte verfolgt im Berufungsverfahren ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Sie beanstandet die Feststellungen des LG als fehlerhaft und unvollständig. Die Annahme, dass die Verbraucher unter "Feuchtigkeitsspende" eine "nachhaltige" Erhöhung der Hautfeuchtigkeit verstünden, sei überraschend und werde durch ein von ihr eingeholtes demoskopisches Gutachten vom 24.5.2012 (Anlage BK 1) widerlegt. Aus den von ihr in erster Instanz vorgelegten Studien (Anlagen B 10-14) und Erklärungen sachverständiger Mitarbeiter (Anlagen B 19-20) ergebe sich das die Hautfeuchtigkeit erhöhende duale Wirkprinzip des Polyox-Gels, das der Haut sowohl aktiv Feuchtigkeit zuführe als auch passiv die Abdampfrate vermindere, wobei der Anteil der beiden möglichen Ursachen der Feuchtigkeitssteigerung am Gesamterfolg zwar physikalisch nicht messbar und nicht exakt feststellbar, aber auf Grund anderer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Überlegungen zu ermitteln sei.
Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags das angegriffene Urteil. Insbesondere litten die von der Beklagten vorgelegten Studien unter schweren methodischen Mängeln und sei es ausgeschlossen, dass während der Nassrasur aus dem Gel in relevantem Umfang Feuchtigkeit an die ohnehin feuchtigkeitsgesättigte Haut abgeben werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen...