Leitsatz (amtlich)

In Verfahren vor den bayerischen Vergabekammern kann ein Beigeladener gem. § 128 Abs. 4 S. 3 GWB, Art. 80 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 BayVwVfG auch bei Rücknahme des Nachprüfungsantrags Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen im Rahmen der Billigkeit verlangen.

 

Normenkette

GWB § 128 Abs. 4 S. 3; BayVwVfG Art. 80 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 19.12.2005; Aktenzeichen Z3-3-3194-1-53-11/05)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird Ziff. 4 des Beschlusses der Vergabekammer Südbayern vom 19.12.2005 aufgehoben.

Der Antrag der Beigeladenen, der Antragstellerin die Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.046 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin schrieb im Offenen Verfahren die Rohbauarbeiten für die Baumaßnahme "U-Bahn-Linie 3 Nord, Baulos 3 Bf M. (Westteil) mit Abstell- und P+R Anlage" aus.

Die Prüfung und Wertung der eingegangenen fünf Angebote durch die Antragsgegnerin ergab folgende Bieterreihenfolge:

1. Beigeladene

2. Antragstellerin

Am 30.11.2005 beantragte die Antragstellerin bei der Regierung von Oberbayern, Vergabekammer Südbayern, die Einleitung und Durchführung des Nachprüfungsverfahrens gem. § 107 Abs. 1 GWB.

Mit Schriftsatz vom 1.12.2005, eingegangen per Fax am selben Tage, zeigte eine Anwaltskanzlei ggü. der Vergabekammer die Vertretung der späteren Beigeladenen an und machte Ausführungen zum Umfang des Akteneinsichtsrechts der Antragstellerin.

Mit Beschl. v. 6.12.2005 sprach die Vergabekammer gem. § 109 GWB die Beiladung aus. Am 7.12.2005 wurden die Anwälte der Beigeladenen davon um 13.12 Uhr per Fax verständigt.

Die Antragsgegnerin beantragte am 6.12.2005, eingegangen bei der Vergabekammer per Fax am 7.12.2005, die Anträge der Antragstellerin als unbegründet zurückzuweisen und ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Mit Schreiben vom 7.12.2005, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tag um 18.22 Uhr, nahm die Antragstellerin den Antrag auf Durchführung des Nachprüfungsverfahrens zurück.

Die Vergabekammer verständigte die Anwälte der Beigeladenen am 8.12.2005 um 9.33 Uhr per Fax von der Antragsrücknahme.

Mit Schreiben vom 15.12.2005 beantragte die Beigeladene, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschl. der Beigeladenen aufzuerlegen und die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären. Sie führte aus, dass sie keinen Antrag gestellt habe, sei nur bei der Höhe der Gebühren zu berücksichtigen. Es komme lediglich darauf an, ob sie die durch die Beiladung eröffnete Möglichkeit genutzt habe, sich in außergerichtliche Kosten verursachender Weise am Verfahren zu beteiligen.

Am 19.12.2005 stellte die Vergabekammer durch Beschluss das Verfahren ein und legte der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf. Ziff. 4. des Beschlusses lautete:

"Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene wird für notwendig erachtet, die Antragstellerin hat somit die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu tragen."

Gegen den ihr am 21.12.2005 zugestellten Beschluss legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 28.12.2005, eingegangen beim OLG München am selben Tage, sofortige Beschwerde ein und beantragte, dessen Ziff. 4. aufzuheben sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beigeladenen, hilfsweise der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Sie begründete die Beschwerde damit, dass der BGH im Beschluss (BGH, Beschl. v. 25.10.2005 - X ZB 22/05) entschieden habe, dass nach Antragsrücknahme eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten von Antragsgegner und Beigeladenem nicht erfolge.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit Schrittsatz vom 10.1.2006 gegen den Hilfsantrag der Antragstellerin, ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Beigeladene hält die sofortige Beschwerde nicht für begründet. In ihrem Schriftsatz vom 25.1.2006 verweist sie darauf, dass Art. 80 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG, auf den § 128 Abs. 4 S. 3 GWB verweise, ausdrücklich festlege, dass bei Rücknahme eines Widerspruchs der Widerspruchsführer die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen habe. Gegen den Beschluss des BGH sei Verfassungsbeschwerde eingelegt worden. Gegebenenfalls werde um Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG gebeten.

II. Die nach den §§ 116, 117 GWB zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Zwar ist wegen der ggü. dem Bundesrecht abweichenden Regelung der Kostenfolge bei Antragsrücknahme in Art. 80 BayVwVfG die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung des BGH nicht anwendbar (1). Eine Kostenerstattung kommt jedoch im konkreten Fall nicht in Betracht, da die Beigeladene im Nachprüfungsverfahren weder Anträge gestellt noch sonst verfahrensfördernd tätig geworden ist (2).

1. Im Nachprüfungsverfahren der bayerischen Vergabekammern kommt, wenn der Antrag auf Durchführung des Nachprüfungsverfahrens zurückgenommen...

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