Leitsatz (amtlich)
Der Leiter der Einrichtung ist nur antragsberechtigt, solange sich der Betroffene in Sicherungsverwahrung in der Anstalt befindet. Die Antragsberechtigung endet, wenn der Betroffene aus der Sicherungsverwahrung entlassen wird, unabhängig davon, ob der Betroffene die Einrichtung verlässt oder auf der Grundlage einer anderen freiheitsentziehenden Entscheidung weiterhin in der Einrichtung verbleibt.
Normenkette
ThUG § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 01.12.2011; Aktenzeichen 113 AR 25817/11 ThUG) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 1. Dezember 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag vom 23. November 2011 als unzulässig abgewiesen wird.
Gründe
I. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt M. hat am 23.11.2011 beim örtlichen Landgericht beantragt, den Betroffenen gemäß § 1 Abs. 1 des am 1.1.2011 in Kraft getretenen Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG vom 22.12.2010; BGBl I S. 2305) in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen; zugleich hat er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Unterbringung des Betroffenen nach § 14 ThUG gestellt. Der Betroffene befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Justizvollzugsanstalt M. in Untersuchungshaft aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts vom 11.10.2011; seit 6.12.2011 verbüßt er in derselben Einrichtung Strafhaft bis voraussichtlich 15.1.2012. Bis zum 17.10.2011 war der Betroffene aufgrund eines zu diesem Zeitpunkt aufgehobenen Unterbringungsbefehls gemäß § 275a StPO in derselben Justizvollzugsanstalt untergebracht.
Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 1.12.2011 zurückgewiesen mit der Begründung, der Leiter der Justizvollzugsanstalt sei nicht antragsberechtigt. Hiergegen hat der Antragsteller am 9.12.2011 Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 16 Abs. 1 ThUG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 16 Abs. 2, 3 ThUG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG). Die Berechtigung des Antragstellers zur Einlegung der Beschwerde ergibt sich aus der Zurückweisung seines Antrages (§ 59 Abs. 2 FamFG; BayObLG FamRZ 1986, 719; Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 59 Rn. 40).
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Antrag ist bereits unzulässig, da der Leiter der Justizvollzugsanstalt dafür unzuständig ist. Das Vorliegen eines zulässigen Antrages ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH FGPrax 2010, 156; BGH NVwZ 2010, 919). Weil die zugleich begehrte einstweilige Anordnung gemäß § 14 ThUG als Teil des Hauptverfahrens ausgestaltet ist (Bumiller/Harders FamFG 10. Aufl. Anh. zu §§ 312 - 339 § 14 ThUG Rn. 1), kommt eine solche von vorneherein nicht in Frage; denn nur ein auf wirksamen Antrag in Gang gesetztes Hauptverfahren erlaubt deren Erlass.
1. Ein Verfahren nach dem ThUG kann nur auf Antrag eingeleitet werden (§ 5 Abs. 1 ThUG, §§ 23 ff. FamFG; Nußstein NJW 2011, 1194). Zulässigkeitsvoraussetzung für einen wirksamen Antrag ist eine entsprechende Antragsberechtigung (Keidel/Sternal § 23 Rn. 23). Wird der Antrag von jemandem gestellt, der nicht antragsberechtigt ist, so ist der Antrag, ohne dass eine Sachentscheidung ergeht, als unzulässig abzuweisen (BGHZ 106, 222/223; ähnlich Keidel/Sternal aaO.: zu "verwerfen").
Der Leiter der Justizvollzugsanstalt wäre gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG nur dann antragsberechtigt, wenn sich der Betroffene zur Zeit der Antragstellung dort in Sicherungsverwahrung befunden hätte (Kotz ZAP Fach 22, 547/555; Starke DRiZ 2011, 254/258). Nicht ausreichend ist, dass sich der Betroffene zu irgendeinem Zeitpunkt einmal in der Anstalt in Sicherungsverwahrung befunden hat; denn der Leiter der Einrichtung bleibt nicht auf unbestimmte Zeit antragsberechtigt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 ThUG. Die Antragsberechtigung endet vielmehr in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene aus der Sicherungsverwahrung entlassen wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Betroffene die Einrichtung (endgültig) verlässt oder auf der Grundlage einer anderen freiheitsentziehenden Entscheidung weiterhin in der Einrichtung verbleibt. Der klare Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 3 ThuG verlangt für eine Zuständigkeit des Leiters der Einrichtung ausdrücklich, dass sich der Betroffene in Sicherungsverwahrung befindet. Aus § 1 Abs. 2 ThUG entnimmt der Senat nichts Gegenteiliges, weil diese Bestimmung nur die materiellen Voraussetzungen für die Therapieunterbringung regelt, nicht aber das formelle Antragsrecht. Anderes ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 17/3403, S. 55/56). Dort wird zu § 5 ThUG u.a. ausgeführt:
"Ebenfalls antragsberechtigt ist der Leiter der Einrichtung, in der sich der Betroffene wegen der gegen ihn angeordneten Sicherungsverwahrung befindet." Im Folgesatz wird zwar dargelegt, dass sich die Antragsbefugnis aus der vorhandenen genaueren Kenntnis der Person rechtfertigt, die untergebracht werd...