Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 1612b BGB
Leitsatz (amtlich)
§ 1612b Abs. 5 BGB ist verfassungsgemäß und verstößt auch nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Normenkette
BGB § 1612b Abs. 5
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 562 FH 1476/00) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Antraggegners gegen den Beschluss des AG – FamG – München vom 15.3.2001 wird als unzulässig verworfen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Beschwerdewert beträgt 876 DM.
IV. Dem Antragsgegner wird Prozesskostenhilfe für den 2. Rechtszug nicht bewilligt.
Gründe
I. Das AG hat durch Unterhaltsänderungsbeschluss vom 15.3.2001 im vereinfachten Verfahren den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin ab 1.1.2001 Unterhalt i.H.v. 118 % des jeweiligen Regelbetrags der 2. Altersstufe zu zahlen und festgestellt, dass zur Zeit ein Kindergeldanteil von 62 DM anzurechnen ist.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners nach § 655 Abs. 5 ZPO, der beantragt, festzustellen, dass das Jugendamt nicht klagebefugt sei, dass gem. § 651 Abs. 1 S. 1 ZPO das streitige Verfahren durchgeführt werde und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt werde.
Außerdem hält er § 1612b Abs. 5 BGB für verfassungswidrig und beantragt Aussetzung des Verfahrens gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG und Einholung einer Entscheidung des BVerfG.
Außerdem verstoße die Entscheidung gegen Art. 6 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist als unzulässig zu verwerfen, da er gem. § 655 Abs. 3 ZPO zulässige Einwendungen gegen den angefochtenen Beschluss nicht vorbringt.
1. Das Stadtjugendamt München darf als Beistand des Kindes Nadine dessen Unterhaltsansprüche sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich verfolgen (§ 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB; Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1712 Rz. 5).
2. Bei Unterhaltsabänderungsbeschlüssen im vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO ist die Durchführung eines streitigen Verfahrens nicht vorgesehen. Dieses gilt nur im Rahmen einer Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren nach §§ 645ff ZPO. Bezüglich der hier vorliegenden Unterhaltsänderung wurde der Antragsgegner bereits in der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Beschlusses auf die Anpassungskorrekturklage nach vereinfachter Abänderung nach § 656 ZPO hingewiesen.
3. Einwendungen nach § 655 Abs. 3 ZPO hat der Antragsgegner nicht vorgetragen.
4. Eine Verletzung der Art. 6 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention durch § 1612b Abs. 5 BGB vermag der Senat nicht zu erkennen.
Es ist schon zweifelhaft, ob hier ein Eingriff in das Familienleben i.S.v. Art. 8 EMRK vorliegt (siehe dazu EMRK-Kommentar/Frowein, 2. Aufl., Art. 8, Rz. 15); jedenfalls ist aber der Eingriff hier durch Art. 8 Abs. 2 EMRK gesetzlich vorgesehen.
5. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist die Neuregelung der Kindergeldanrechnung im § 1612b Abs. 5 BGB verfassungsgemäß.
Diese Vorschrift verletzt weder die in Frage kommenden Art. 3 noch 6 des GG.
Die Prüfung des Art. 3 GG setzt generell den Vergleich zweier Sachverhalte voraus.
Der vom Antragsgegner beanstandeten gesetzlichen Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass der den Betreuungsunterhalt leistende Elternteil seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt, § 1603 Abs. 3 BGB. Dies bedeutet, dass dieser Elternteil seinen Anteil an der gesamten Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuungsleistungen sicherstellt. Damit erfüllt er seine Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums des Kindes. Dies rechtfertigt es, ihm in Ansehung des § 1612b Abs. 5 BGB das hälftige Kindergeld zu belassen. Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil – hier der Antragsgegner – auf Grund seiner Einkommensverhältnisse nicht in der Lage, gleichwertigen Barunterhalt zu leisten, also ebenfalls das Existenzminimum des Kindes durch den Barunterhalt zu gewährleisten, ist er gehalten, den ihm zustehenden Kindergeldanteil für Unterhaltszwecke einzusetzen.
Der sachliche Grund für die ungleiche Behandlung des Kindergeldes besteht also darin, dass der geschuldete Barunterhalt ohne Anrechnung des Kindergeldes nicht ausreicht, das Existenzminimum des Kindes sicherzustellen (OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 1096).
Der Grund der Ungleichbehandlung liegt also darin, dass Bar- und Betreuungsunterhalt gleichwertig sind (BVerfG, FamRZ 1963, 496; FamRZ 1967, 447; FamRZ 1969, 467). Dies entspricht der Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht darin zu erblicken, dass barunterhaltspflichtige Elternteile bis zu einem bereinigten monatlichen Nettoeinkommen von 4.300 DM denselben Zahlbetrag zu leisten haben, nämlich den Tabellenbetrag der 6. Einkommensgruppe abzüglich des hälftigen Kindergeldes. Im vorliegenden Fall ist im Hinblick auf das Ziel des Gesetzes (Sicherstellung des Existenzminimums des Kindes) der Unterschied zwischen mehr oder weniger leistungsfähigen Un...