Leitsatz (amtlich)

1. Die Unternehmensbezogenheit einer urheberrechtsverletzenden Handlung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 100 Satz 1 UrhG ist grundsätzlich vom Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen.

2. Steht der Anspruchsteller außerhalb des Geschehensablaufs und kann er von sich aus nicht den Sachverhalt ermitteln, während der in Anspruch genommene Unternehmensinhaber über die hierfür erforderlichen Informationen verfügt oder diese sich unschwer zu verschaffen vermag, so darf dieser sich nicht auf ein einfaches Bestreiten der Unternehmensbezogenheit der Verletzungshandlung zurückziehen, sondern muss sich nach den Grundsätzen der "sekundären Behauptungslast" an der Aufklärung des Sachverhalts beteiligen.

 

Normenkette

UrhG § 100 S. 1; ZPO § 138 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 25.01.2006; Aktenzeichen 21 O 4177/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 25.1.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Ziff. I. des genannten Urteils nach dem Wort "verboten," die Wörter "ohne Zustimmung der Klägerin" eingefügt werden.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 19.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten kann die Beklagte die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin betreibt unter der Adresse www.s.de einen Landkartendienst. An den dort aufrufbaren Landkarten und Stadtplänen hat sie das ausschließliche Nutzungsrecht inne. Zum Zwecke der privaten Nutzung gestattet sie den Zugriff auf ihre Internetseiten auf der Basis ihrer Nutzungsbedingungen, hinsichtlich deren Inhalts (Stand 29.1.2004) auf Anl. K 1 verwiesen wird.

Die Beklagte ist ein Forschungs- und Entwicklungsinstitut der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Sie ist mit der Entwicklung und Einführung neuer Technologien befasst. Am 22.12.2003 lud der Mitarbeiter der Beklagten M. O. in der Zeit zwischen 10.00 Uhr und 14.37 Uhr vom Intranetserver der Beklagten Kartografiedaten aus dem Großraum München im Maßstab 1:10.000 mit einem Datenvolumen von 6,14 MB (insgesamt 5.896 Dateien) herunter. Dabei wurden die Daten nicht über die Eingabemaske der Klägerin abgerufen, sondern mit Hilfe eines eigens zu diesem Zweck geschriebenen Programms direkt vom Speicherort der Klägerin ausgelesen.

Die Klägerin, die darin eine Verletzung ihrer ausschließlichen Nutzungsrechte an den heruntergeladenen Kartografien sieht, erwirkte vor dem LG München I am 25.1.2006 antragsgemäß (nach Änderung des ursprünglich in der Klageschrift vom 4.3.2004 angekündigten Antrags, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, durch ihre Angestellten oder Beauftragten kartographische Daten zum nicht rein privaten Gebrauch von der Internet-Domain www.s.de herunterzuladen) ein Urteil gegen die Beklagte, in dem dieser bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten wurde, kartografische Daten der Münchner Randgemeinden Aschheim, Eching, Feldkirchen, Garching bei München, Gräfelfing, Grasbrunn, Grünwald, Haar, Hohenbrunn, Ismaning, Kirchheim, Neubiberg, Oberhaching, Oberschleißheim, Ottobrunn, Planegg, Putzbrunn, Taufkirchen, Unterföhring, Unterhaching und Unterschleißheim von der Internet-Domain www.stadtplandienst.de herunterzuladen oder herunterladen zu lassen und auf Speichermedien, die sich zu geschäftlichen Zwecken in den Geschäftsräumen der Beklagten befinden, zu speichern.

Zur Begründung führte das Erstgericht aus, der Unterlassungsanspruch folge aus § 97 Abs. 1 i.V.m. §§ 15, 16 UrhG. Die von der Klägerin beanstandeten Vervielfältigungshandlungen habe sich die Beklagte über § 100 UrhG zurechnen zu lassen. Zum Nachweis der "Unternehmensbezogenheit" der verletzenden Handlung, einem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal des § 100 UrhG, sei zugunsten der grundsätzlich für die Frage der Haftung der Beklagten darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin von einer Beweiserleichterung dergestalt auszugehen, dass diese als Verletzte nur Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen habe, die bei typisierter Betrachtung für das Vorliegen einer betrieblichen Verwendung des kopierten Werkes sprächen. Hiervon sei im Streitfall auszugehen: Bereits die Menge der heruntergeladenen Daten und der hierfür benötigte erhebliche Zeitaufwand sprächen für einen Unternehmensbezug der angegriffenen Handlung. Hinzu komme, dass der betreffende Mitarbeiter eigens ein Programm gefertigt habe, um das Auslesen von Daten der Klägerin zu ermöglichen. Ein Unternehmensbezug werde insb. aber auch durch den Umfang und die Art der heruntergeladenen Daten nahe gelegt. Es seien ...

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