Leitsatz (amtlich)
1. Ermitteln die Parteien den Kaufpreis eines Unternehmens maßgeblich auf der Grundlage des Ertrags (EBIT/EBT) im Vertragsjahr und liegt bei den Vertragsverhandlungen ein Jahresabschluss noch nicht vor, so hat der Verkäufer den Käufer über die für die Gewinnermittlung wesentlichen Umstände aufzuklären.
Wird dabei vom Verkäufer eine betriebswirtschaftliche Auswertung zur Verfügung gestellt, die mangels Abgrenzungsbuchungen das Ergebnis des Unternehmens unzutreffend (wesentlich überhöht) widerspiegelt, so hat er die für die gebotene Rechnungsabgrenzung maßgeblichen Umstände zu offenbaren. (Fortführung von BGH v. 4.4.2001 - VIII ZR 32/00, MDR 2001, 1002 = GmbHR 2001, 516 m. Anm. Bärwaldt = BGHReport 2001, 445 = NJW 2001, 2163 [2164])
2. Verletzt der Verkäufer schuldhaft die oben genannten Pflichten, so kann der Käufer einen ihm daraus entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.) ersetzt verlangen. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn im Unternehmenskaufvertrag "weitergehende Gewährleistungsansprüche" ausgeschlossen werden.
3. Ein Mitverschulden des Käufers i.S.d. § 254 BGB ist auch bei Durchführung einer Due Diligence-Prüfung nicht anzunehmen, wenn der überhöhte Gewinnausweis nur bei genauer Kenntnis betrieblicher Interna (hier: Leistungsstand der Entwicklung von Individualsoftware) erkennbar wird und der Verkäufer zur Aufklärung hierüber nicht bereit ist.
Normenkette
BGB §§ 249, 254, 311 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 19.12.2005; Aktenzeichen 15 HKO 17267) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 19.12.2005 abgeändert und erhält in Ziff. 1 bis 3 folgende Fassung:
1.a) Die Beklagte wird verurteilt, Herrn Notar Dr. V. mit Amtsstelle in München, T. Straße, 80333 München, anzuweisen, von dem auf dem Notaranderkonto mit der Bezeichnung "C." bei der B. bank Aktiengesellschaft, BLZ, Konto Nummer, hinterlegten Betrag i.H.v. 3.750.000 DM einen Teilbetrag von 1.050.000 DM (das sind 536.856,48 EUR) nebst hierauf aufgelaufener Zinsen an den Kläger durch Überweisung auf dessen Konto bei der B. bank AG, BLZ, Konto Nummer auszuzahlen.
b) Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz, höchstens jedoch 6,26 % Zinsen jährlich aus 1.050.000 DM (536.856,48 EUR) seit 13.6.2001 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, Herrn Notar Dr. V. mit Amtsstelle in München, T. Straße, 80333 München, anzuweisen, von dem auf dem Notaranderkonto mit der Bezeichnung "C." bei der B. bank Aktiengesellschaft, BLZ, Konto Nummer, hinterlegten Betrag i.H.v. 3.750.000 DM einen Teilbetrag von 2.700.000 DM (das sind 1.380.488,08 EUR) nebst hierauf aufgelaufener Zinsen an die Beklagte auszuzahlen.
Im Übrigen bleibt die Widerklage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt mit seiner Klage Freigabe von Kaufpreiszahlungen, die anlässlich der Veräußerung des von ihm früher betriebenen Unternehmens an die Beklagte auf notariellem Anderkonto hinterlegt wurden.
Gegenläufig begehrt die Beklagte mit ihrer Widerklage Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises an sich sowie weiteren Schadensersatz.
Der Kläger war bis zum 31.12.2000 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der C. GmbH Computer, Hardware, Software, Engineering und Vertrieb sowie der Kronen neunundachtzig GmbH. Im Herbst 2000 kam es zu Vertragsverhandlungen zwischen dem Kläger und der vormals unter D.S.A. firmierenden Beklagten über einen Verkauf dieser Gesellschaften.
Gegenstand der Kaufverhandlungen zwischen den Parteien waren die Unternehmensdaten der C. GmbH aus den Jahren 1997 bis 2000, u.a. auch die Unternehmenszahlen des EBT (Earning before Taxes - Ergebnis vor Steuern) bzw. des EBIT (Earning before Interests and Taxes - Ergebnis vor Zinsen und Steuern). Das EBIT der C. GmbH hatte im Jahr 1998 115.000 DM und 1999 230.000 DM betragen, war aber für das laufende und noch nicht abgeschlossene Geschäftsjahr 2000 noch nicht festgestellt. Der Kläger stellte daher aus der laufenden Buchhaltung der C. GmbH eine betriebswirtschaftliche Auswertung (im Folgenden: BWA) per 30.11.2000 zur Verfügung, die im Zeitraum bis 30.11.2000 eine Jahres-EBIT i.H.v. 1.212.755 DM auswies (Anlage B 1).
In der Folge beauftragte die Beklagte die K. Deutsche Treuhandgesellschaft AG in München mit der Überprüfung dieser BWA. Nach kleineren Korrekturen ermittelte die K. in ihrem Due Diligence Bericht vom 18.12.2000 ein EBIT der C. GmbH zum 30.11.2000 i.H.v. 1.136.875 DM (Anlage B 2). Zuvor hatte der...