Leitsatz (amtlich)
1. Beschreibt ein Anleger seine Anlagementalität als "ertragsorientiert", ist eine Beratung, die sich auf die Beteiligung an einem Filmfonds richtet, im Hinblick auf dessen spezifische Risiken nicht anlegergerecht.
2. Ist ein im Prospekt vorhandener Hinweis auf das Risiko eines Totalverlustes eingebettet in Ausführungen, die ersichtliche den Gesamteindruck vermitteln sollen, dass der Anleger mit seiner Beteiligung nur ein äußerst begrenztes Risiko eingeht, stellt dies keine hinreichend klare, sondern eine im Hinblick auf die spezifischen Risiken eines Filmfonds irreführende und verharmlosende Information über das Risiko eines Totalverlusts dar.
3. Eine Bank, die den Kunden im Rahmen der Beratung nicht auf an sie zurückgeflossene Rückvergütung (sog. "kick-backs") hinweist, kann sich nicht auf einen vermeidbaren Rechtsirrtum berufen, denn sie musste bereits vor den Entscheidungen des BGH vom 19.12.2006 - XI ZR 56/07, 20.1.2009 - XI ZR 510/07, und 12.5.2009 - XI ZR 586/07, mit einer entsprechenden Aufklärungspflicht rechnen.
Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 08.09.2009; Aktenzeichen 23 O 498/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 8.9.2009 verkündete Urteil des LG Stendal - 23 O 498/08 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 63.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2003 zu zahlen unter Anrechnung folgender Vorabausschüttungen
3.030,30 EUR am 2.11.2007
1.212,12 EUR am 28.6.2007
1.818,18 EUR am 14.2.2008
sowie Zug um Zug gegen Rückübertragung der Beteiligungsrechte an dem Fonds "N. GmbH & Co. KG" auf die Beklagte.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zug um Zug angebotenen Übertragung der Fonds-Anteile in Verzug befindet.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.716,08 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2008 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung einer Beteiligung an einem Filmfonds wegen Falschberatung und unterlassener Aufklärung über eine geflossene Rückvergütung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung verwiesen, mit der Maßgabe, dass bereits in erster Instanz neben einer Falschberatung auch die sog. "kick-back-Rechtsprechung" des BGH Streitgegenstand war (vgl. Bl. 99, 120 f., 128 f. I d.A.).
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei anlage- und anlegergerecht beraten worden. Darauf, dass die Beklagte über eine weitere Provision der Beklagten neben dem zu zahlenden Agio nicht ausdrücklich hingewiesen habe, habe sich der Kläger nicht gestützt; im Übrigen habe der als Zeuge vernommene Bankmitarbeiter M. insoweit gemutmaßt, dass der Kläger die Anlage auch nach einem entsprechenden Hinweis gezeichnet hätte.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Er trägt vor, bei dem streitgegenständlichen Fonds handele es sich nicht um die von ihm gewünschte "ertragsorientierte", sondern um eine spekulative, mindestens jedoch eine risikobewusste Anlageform. Der Zeuge M. habe ihn bereits deshalb nicht richtig beraten können, weil er nach seiner eigenen Aussage vor dem LG offenbar selbst völlig falsche Vorstellungen über die Voraussetzungen eines Totalverlustes gehabt habe. Im Übrigen sei er, der Kläger, nicht konkret über die Rückvergütung aufgeklärt worden.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, denn der Kläger hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB.
1. a) Die Beklagte hat gegen die Grundsätze der anlage- und anlegergerechten Beratung verstoßen.
a) Zwischen den Parteien ist hier - unstreitig - zumindest stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2009 - 9 U 30/09, Rz. 26; OLG Celle, Urt. v. 21.10.2009, Rz. 35; OLG Hamm, Urt. v. 23.9.2009, 31 U 31/09, Rz. 52; jeweils zitiert nach juris). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind entscheidend einerseits der Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft, wobei das vom Kunden vorgegeben Anlageziel zu berücksichtigen ist ("anlegergerechte" Beratung), sowie andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa Konjunkturlage und Entwicklung des Kapitalmarkts, und die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Gegebenheiten des Anlageobjekts ergeben ("objektgerechte" Beratung). Über diese Umstände hat ...