Leitsatz (amtlich)
Als Unterhaltsschaden für ein Kind sind für das sächliche Existenzminimum 135 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe zugrunde zu legen, während der Betreuungsbedarf sich mit zunehmendem Alter verrringert.
Auf den Gesamtschaden ist das Kindergeld ungekürzt anzurechnen.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 2 O 1315/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.11.2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Osnabrück unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels geändert.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils der 7. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 31.1.1995 (7 O 121/94) verurteilt, an die Klägerin 384 Euro für Juni 2001, 399 Euro von Juli bis einschließlich Dezember 2001, 384 Euro monatlich ab Januar 2002 und 410 Euro monatlich vom 23.9.2002 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des am 14.7.1989 geborenen Kindes M.J. zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin ließ am 29.1.1989 in den städtischen Kliniken der Stadt O. einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Gleichwohl wurde am 14.7.1989 ihr Kind M. geboren. Die Stadt O. – die Rechtsvorgängerin der Beklagten – erkannte ihre Einstandspflicht für den Unterhaltsschaden mit Schreiben vom 8.1.1992 an. Sie zahlte der Klägerin als Ersatz den um das hälftige Kindergeld verminderten doppelten Regelunterhalt.
Anfang 1994 stellte die Beklagte die Zahlungen ein, weil das BVerfG am 28.5.1993 dahin entschieden hatte, dass der Unterhalt für ein Kind rechtlich nicht als Schaden betrachtet werden könne. Die Klägerin erhob daraufhin Klage aus dem Anerkenntnis vor dem LG Osnabrück. Gleichzeitig begehrte sie eine Anpassung des Betrages an die veränderten Verhältnisse. Die 7. Zivilkammer des LG Osnabrück verurteilte die Beklagte am 31.1.1995 u.a. zur Zahlung von monatlich 462 DM ab Januar 1995. Grundlage war der doppelte Regelunterhalt (291 DM) abzgl. 1/2 Kindergeld für ein viertes Kind (120 DM).
Mit ihrer am 23.9.2002 erhobenen Klage begehrt die Klägerin eine Erhöhung des zuerkannten Betrages. Sie verweist hierzu auf die Neuregelung in § 1612b Abs. 5 BGB durch das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2.11.2000 (BGBl. I S. 1479) und meint, hiernach müsse die Kindergeldanrechnung entfallen. Die 2. Zivilkammer des LG Osnabrück hat die Beklagte am 13.11.2002 zur Zahlung rückständiger Beträge ab Juni 2001 und von monatlich 538 Euro (2 × 269 Euro = 100 % des Regelbetrages für die dritte Altersstufe ohne Abzug von Kindergeld) ab 1.4.2002 verurteilt.
Hiergegen hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das LG habe den Zweck der Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB verkannt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass es um Schadensersatz und nicht um einen familienrechtlichen Unterhaltsanspruch gehe. Aus diesem Grund müsse sich die Klägerin das Kindergeld im Wege der Vorteilsausgleichung nicht nur zu 1/2, sondern in voller Höhe anrechnen lassen. Abgesehen hiervon sei aufgrund der Heirat der Klägerin im Jahre 1998 die soziale Notlage, die seinerzeit Grundlage für eine schadensrechtliche Zurechnung der Unterhaltspflicht gewesen sei, entfallen.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie verurteilt worden ist, an die Klägerin einen höheren Unterhaltsschaden als 384 Euro für Juni 2001, 399 Euro von Juli bis einschließlich Dezember 2001 und 384 Euro monatlich ab Januar 2002 zu zahlen.
Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten. Die Beklagte hat daraufhin Erlass eines Versäumnisurteils beantragt.
Die Akten 7 O 121/94 LG Osnabrück haben dem Senat vorgelegen.
II. Die Berufung hat lediglich i.H.d. ausgeurteilten Beträge Erfolg. Die Entscheidung beruht daher nur teilweise auf der Säumnis der Klägerin. Zum unbegründeten Teil war – kontradiktorisch – durch unechtes Versäumnisurteil zu entscheiden. Die Klägerin begehrt eine Erhöhung des als monatliche Unterhaltsrente zu zahlenden Schadensersatzes, der ihr mit der Entscheidung vom 31.1.1995 zugesprochen worden ist. Es handelt sich hierbei um eine Abänderungsklage i.S.v. § 323 ZPO. Es geht um die Anpassung der früheren Entscheidung an die geänderten Verhältnisse. Die Frage, ob und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen statt einer Klage nach § 323 eine Nachforderungsklage nach § 258 ZPO möglich ist (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 323 Rz. 20), kann daher auf sich beruhen. Im Übrigen würde sie ohnehin daran scheitern, dass die Klägerin ihren Anspruch aus dem Anerkenntnis, der auch hier Streitgegenstand ist, im Vorprozess nicht nur teilweise, sondern insgesamt geltend gemacht hat. Für die Zeit vor Rechtshängigkeit – also für die Zeit bis einschließlich September 2002 – ergibt sich der Erfolg des Rechtsmittel...