Entscheidungsstichwort (Thema)
Unlauterer Wettbewerb: Pflicht zur Angabe des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen bei Werbung für eine Fahrzeugbaureihe
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 04.01.2012; Aktenzeichen 40 O 72/11 KfH) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Vorsitzenden der 40. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 4.1.2012 (Az.: 40 O 72/11 KfH) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.; Streitwert für beide Rechtszüge: 20.214 EUR.
Gründe
Der klagende Verein begehrt Unterlassung auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage und Erstattung vorgerichtlicher Auslagen nebst Zinsen.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 40. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 4.1.2012 (Az.: 40 O 72/11 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage abgewiesen und hierzu im Kern ausgeführt:
Die Beklagte habe mit ihrer Zeitschriftenwerbung für den M. S. ohne Angabe der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen nicht gegen Abschnitt I Ziff. 3 der Anl. 4 zu § 5 EnVKV verstoßen. In dessen Ziff. 3 sei, gemäß dem allgemeinen Sprachverständnis, das Wort "und" dahin auszulegen, dass erst bei Werbung für ein Fahrzeugmodell der Kohlendioxidausstoß anzugeben sei, was auch dem Wortlaut des Haupttextes in § 5 EnVKV ("Modelle") entspreche. Das weitere Kriterium ("nicht auf ein bestimmtes Modell verweist") erweise sich sonst auch ohne zusätzlichen Regelungsgehalt und damit als überflüssig.
Der Ausdruck "Modell" bezeichne nach Art. 2 der europäischen Richtlinie 1999/94/EG, die mit der EnVKV umgesetzt werden solle, die Handelsbezeichnung der Fabrikmarke, des Typs, ggf. der Variante und der Version eines Personenkraftwagens.
Nach Art. 2 der Richtlinie 70/156/EWG bedeute Typ eines Fahrzeugs "Fahrzeuge derselben Fahrzeugklasse, die sich zumindest hinsichtlich der in Anhang II B aufgeführten Merkmale nicht unterschieden. Ein Fahrzeugtyp könne aus Varianten und Versionen, aber auch nur aus einem Modell bestehen (vgl. BGH, GRUR 2010, 853, Tz 19 - Gallardo-Spyder). Diese Definitionen der europäischen Richtlinie seien in § 2 Nr. 14, Nr. 15 und Nr. 16 EnVKV übernommen.
Hiernach handele es sich bei der Werbung für den M. S. nicht um Werbung für ein Modell i.S.v. § 5 EnVKV. Auch im Sinne des Anhang IV der europäischen Richtlinie handele es sich vorliegend um keine Werbung für ein bestimmtes ("das betreffende") Fahrzeug, sondern um Werbung für eine Baureihe mit verschiedenen Verbrauchswerten.
In der nachfolgenden Ziff. 3 dieses Anhang IV sei in allen drei Absätzen allein von den offiziellen Kraftstoffverbrauchswerten (nicht mehr von den CO2-Emissionen) die Rede. Bei einer Werbung für mehrere Modelle reiche es aus, die Spannbreite aller Kraftstoffverbrauchswerte anzugeben. Der letzte Satz dort "wird in der Werbeschrift lediglich auf die Fabrikmarke und nicht auf ein bestimmtes Modell verwiesen, muss der Kraftstoffverbrauch nicht angegeben werden" erlaube deshalb nicht den Umkehrschluss, dass die CO2-Emissionen dagegen immer anzugeben seien. Deren Angabe sei allein in Satz 1 und Satz 2 Ziff. 1 und Ziff. 2 des Anhang IV, bezogen auf das betreffende Fahrzeug, für das geworben werde, geregelt. Der letzte Satz des Anhang IV habe nur klarstellende Bedeutung für den Kraftstoffverbrauch. Die Richtlinie beziehe sich ansonsten auch durchweg auf das Fahrzeugmodell (s. Gründe Ziff. 9 und Ziff. 11; Art. 2 Ziff. 5, Ziff. 6, Ziff. 7; Art. 5; Art. 6; Art. 9b; Anhang I Ziff. 3, Ziff. 5; Anhang II Ziff. 2, Anhang III Ziff. 3, Ziff. 4).
Mit dem betreffenden Fahrzeug sei also nicht die Fabrikmarke oder Baureihe gemeint, sondern nach dem Gesamtzusammenhang entsprechend Art. 2 Ziff. 11 der Richtlinie das Modell oder die durch den Anhang II B (Typen, Variante- und Versionsnummer) bestimmte Ausführungsvariante. Entgegen der Meinung des BGH (GRUR 2010, 852 [854]) entnehme die Kammer der Regelung im letzten Satz des Anhang IV der Richtlinie damit nicht, dass die Verpflichtung zur Angabe über die CO2-Emissionen in keinem Fall entfalle.
Anlass für das erstinstanzliche Gericht, den Streit über die richtige Auslegung des letzten Satzes des Anhang IV der Richtlinie 1999/94 EG durch Vorlage gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV an den Europäischen Gerichtshof klären zu lassen, bestehe nicht.
Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion der Ziff. 3 von Abschnitt I der Anlage 4 zu § 5 EnVKV wäre auch nicht möglich. Eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der deutschen Verordnung (vgl. BGH NJW 2009, 427 [429]) läge im Falle ...