Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 27.09.2011; Aktenzeichen 17 O 671/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Stuttgart vom 27.9.2011 (17 O 671/10) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgelds von bis zu 250.000 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem Rektor, zu unterlassen, Teile des Werkes "Meilensteile der Psychologie", ISBN 978.3-520-33401-5, ohne Zustimmung der Klägerin elektronisch zu vervielfältigen, zu verbreiten, öffentlich zugänglich zu machen und/oder solche Handlungen durch Dritte begehen zu lassen, indem sie

a) ihren Studierenden ermöglicht, die Werkteile als elektronische Datei herunterzuladen und auf Datenträgern zu speichern, und/oder

b) ihren Studierenden den Abruf der Werkteile in elektronischer Form ohne die Möglichkeit der Speicherung ermöglicht, und/oder

c) ihren Studierenden ermöglicht, die nach a) oder b) zur Verfügung gestellten Werkteile ganz oder teilweise auszudrucken, sofern der Umfang des Werkteils insgesamt mehr als drei Seiten umfasst

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Umfang der rechtsverletzenden Handlungen nach vorstehender Ziff. 1 zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Zeitpunkte und Zeiträume der öffentlichen Zugänglichmachung und der Anzahl der Zugriffe auf die jeweiligen Werkteile seit dem Zeitpunkt ihrer öffentlichen Zugänglichmachung.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr aus den in Ziff. 1 beschriebenen Handlungen bereits entstanden sind oder künftig noch entstehen werden.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.580 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 10.2.2011 zu bezahlen.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin wegen der Ziffern I. 4. und III. gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 75.000 EUR

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zurverfügungstellung von Teilen eines Buches auf einer sog. elektronischen Lernplattform.

1. Die Klägerin verlegt als Inhaberin aller Nutzungsrechte das Buch "Meilensteine der Psychologie" (K 5, im Folgenden Meilensteine), das Informationen über die Wegbereiter der Psychologie, deren Wirkung und Werk geben will und deshalb auch studienbegleitend im Psychologiestudium eingesetzt wird. Die vorgelegte Ausgabe 2007 der Meilensteine enthält inklusive Literaturverzeichnis (17 Seiten plus eine Leerseite), Namensregister (7 Seiten plus eine Leerseite), Sachregister (13 Seiten) insgesamt 515 arabisch bezifferte Seiten und 18 römisch bezifferte Seiten, die sich aus Titel, bibliographischen Angaben (je eine Seite), Inhaltsverzeichnis (3 Seiten plus eine Leerseite), Vorwort (4 Seiten), Einleitung (6 Seiten) und zwei weiteren Anfangsseiten (Logo, Kröners Taschenbuchausgabe Band 334) zusammensetzen.

Die Beklagte hat als staatliche Fernuniversität in einer elektronischen Lernplattform namens Moodle, die über einen Benutzernamen und ein Passwort den jeweils angemeldeten Studenten zugänglich ist (B 10, B 11), im Wintersemester 2008/2009 und Sommersemester 2009 über 4.000 Studenten des Bachelor-Studiengangs Psychologie 91 Seiten aus dem ausweislich der Studienbriefe insoweit als Pflichtlektüre vorgeschlagenen Buch als PDF-Datei zum Download bereitgestellt. Nach einer Abmahnung durch die Klägerin vom 22.7.2009 (K 12, Antwort K 15) wurde die Nutzung durch die Beklagte auf das Programm FlashPlayer umgestellt, weshalb nun ein Abspeichern und Weiterverbreiten des Auszuges verhindert wird (K 13, K 15). Ein Ausdruck ist weiter möglich.

Zwischen den Parteien besteht Streit, ob das Einscannen, die Anfertigung der PDF's und das Einlesen in die Datenbank eine unzulässige Vervielfältigung und Zugänglichmachung nach §§ 16, 17, 19a, 97, 101 UrhG darstellt, die Handlungen nach § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG gerechtfertigt sind (thematisiert werden ein Verstoß der Vorschrift gegen die Art. 14, 3 GG, der zulässige Umfang der Veröffentlichung nur eines kleinen Werkteils, ein fehlender inhaltlicher und zeitlicher Bezug zum Unterricht, das Vorliegen eines abgegrenzten Kreises von Unterrichtsteilnehmern, die Gebotenheit der Zugänglichmachung zum jeweiligen Zweck) und ob im Wintersemester 2009/2010, Sommersemester 2010 nur noch 68 Seiten im ...

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