Leitsatz (amtlich)
1. Zu § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG: Die Vorschrift ist bei verbundenen Geschäften dahingehend auszulegen, dass für die beiderseits vollstän-dige Erbringung der Leistungen lediglich auf die Leistungen in dem Vertrag abzustellen ist, der widerrufen werden soll, nicht dagegen auch auf die Leistungen in dem verbundenen anderen Vertrag.
2. Zum kleinen Rückforderungsdurchgriff (Ansprüche gegen die Fondsgesellschaft): a. Für die Anwendung der Grundsätze des kleinen Rückforderungsdurchgriffs nach § 9 Abs. 2 S. 4 VerbrKrG oder § 813 BGB i.V.m. § 9 Abs. 3 VerbrKrG im Falle des finanzierten Erwerbs von Gesellschafts-anteilen ist es nicht erforderlich, dass der Anleger bei der Werbung zum Beitritt zur Gesellschaft vorsätz-lich getäuscht wurde; Fahrlässigkeit genügt. b. Fondsausschüttungen, die der Darlehensnehmer nach Geltendmachung der Schadensersatzansprüche ggü. der Bank vereinnahmt hat, hat er dieser nach § 818 Abs. 2 BGB herauszugeben.
3. Zur Innenprovision: a. Der versteckte Teil der Vertriebskosten wurde bei den WGS-Fonds 18 - 41 aus den Einlagen der Anleger bezahlt und war daher als Provisionszahlung offenbarungspflichtig, soweit er über 15 % lag (zumindest bis WGS-Fonds Nr. 29), sonst soweit der Anleger mit Angaben über den ausgewiesenen Teil der Vertriebskosten geworben wurde (Abweichung von OLG Karlsruhe 7 U 209/07 Urteil vom 12.3.2008). b. Der Fondsinitiator Neuschwander unterlag zumindest bis WGS-Fonds 29 einem (allerdings nur Vorsatz, nicht auch Fahrlässigkeit ausschließenden) Rechtsirrtum über die Offenlegungspflicht hinsichtlich des ver-steckten, von der WGS bezahlten Teils der Vertriebskosten (wie OLG Karlsruhe 7 U 209/07 Urteil vom 12.3.2008).
4. Zur Aufklärung über die eingeschränkte Fungibilität von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds: Die Hinweise der WGS in den Prospekten für den Fonds Nr. 29 genügen den Anforderungen an eine zu-treffende Aufklärung des künftigen Anlegers.
5. Der Senat gibt seinen Widerstand gegen die Abschaffung des großen Rückforderungsdurchgriffs (also dass der Bank Ansprüche gegen Fondsinitiatoren über § 9 Abs. 3 VerbrKrG entgegengehalten werden können) durch den XI. Zivilsenat des BGH auf.
Normenkette
BGB a.F. § 197; BGB §§ 276, 813, 818; HWiG § 2 Abs. 1 S. 4, § 3; VerbrKrG §§ 4, 6-7, 9; EWG Richtlinie 85/577; EWG Richtlinie 87/102
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 23.09.2005; Aktenzeichen 8 O 694/04) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart vom 23.9.2005 (8 O 694/04) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.060,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich
- aus 8.481,10 EUR vom 4.1.2005 bis 6.3.2005,
- aus 11.096,36 EUR vom 7.3.2005 bis 31.3.2005,
- aus 10.961,36 EUR vom 1.4.2005 bis 30.6.2005,
- aus 10.826,36 EUR vom 1.7.2005 bis 30.9.2005,
- aus 10.691,36 EUR vom 1.10.2005 bis 31.12.2005,
- aus 10.556,36 EUR vom 1.1.2006 bis 6.3.2006,
- aus 13.122,75 EUR vom 7.3.2006 bis 31.3.2006,
- aus 12.987,75 EUR vom 1.4.2006 bis 30.6.2006,
- aus 12.852,75 EUR vom 1.7.2006 bis 30.9.2006,
- aus 12.690,75 EUR vom 1.10.2006 bis 31.12.2006,
- aus 12.528,75 EUR vom 1.1.2007 bis 31.12.2007 und
- aus 12.060,75 EUR seit 1.1.2008
zu bezahlen Zug um Zug gegen Abtretung der
I. Ansprüche der Klägerin gegen die G. (W.-Fonds XX) aus ihrer ursprünglichen Beteiligung mit 3 Anteilen und der
II. Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Gründungsgesellschafter dieses Fonds und die für dessen Prospekt Verantwortlichen, insb. gegen Herrn N., F.-Str. ..., S.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin 91 % und die Beklagte 9 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich des Verfahrens C-412/06 des EuGH tragen die Klägerin 83 % und die Beklagte 17 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei kann die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 80.000 EUR
Streitwert des Verfahrens vor dem LG:
bis zur Teilrücknahme im Termin vom 8.7.2005: bis 140.000 EUR
danach: bis 95.000 EUR.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Leistungen, die sie an die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Ne. (im Weiteren zur Vereinfachung ebenfalls: "die Beklagte"), auf einen mit ihr geschlossenen Darlehensvertrag erbracht hatte. Das Darlehen hatte der Finanzierung einer Beteiligung der Klägerin an einem geschlossenen Immobilienfonds gedient. Die Klägerin stützt sich hierzu auf einen Widerruf nach dem HWiG und auf Schadensersatzansprüche. Sie hatte das Darlehen vor dem Widerruf ...