Leitsatz (amtlich)
Zur Widerlegung des Vorsatzes bei der unterbliebenen Aufklärung über Rückvergütungen bei der Anlageberatung im Zusammenhang mit Finanzkommissionsgeschäften.
Normenkette
BGB § 280; HGB § 384; WpHG § 37a; KWG § 25a
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 22.07.2010; Aktenzeichen 7 O 608/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Tübingen - Einzelrichter - vom 22.7.2010 - 7 O 608/09, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.171,40 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus i.H.v. 4 % vom 27.7.2007 bis 11.1.2010 und i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.1.2010 Zug um Zug gegen Übertragung von 540 Stück A Anteile (WKN.).
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.085,04 EUR außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Verzug der Annahme von 540 Stück A Anteilen (WKN.) befindet.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 20 %, die Beklagte 80 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, die Klägerin leistet vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwertbeschluss. Wert der Klage und Berufung. 32.171,40 EUR
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Anlageberatung, die am 20.4.2000 zur Zeichnung von 540 Anteilen des offenen Investmentfonds D geführt hat. Sie zahlte bei Erwerb der Anlage einen Ausgabeaufschlag i.H.v. 3,75 % und eine jährliche Verwaltungsgebühr i.H.v. 1,25 % an die Fondsgesellschaft. Die Beklagte klärte die Klägerin nicht darüber auf, dass sie selbst für dieses Geschäft von der Fondsgesellschaft eine Provision i.H.v. 3,4 % sowie eine jährliche Verwaltungsprovision von 0,41 % erhielt.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat einen Aufklärungsfehler der Beklagten wegen der verschwiegenen Rückvergütung, die aus dem Ausgabeaufschlag zurückgeflossen ist, angenommen, den Anspruch jedoch wegen Verjährung gem. § 37a WpHG abgewiesen. Die Beklagte habe den Nachweis erbracht, dass sie nicht vorsätzlich ihre Pflicht zur Aufklärung verletzt habe.
Gegen das ihr am 27.7.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.8.2010 Berufung eingelegt und diese am 16.9.2010 mit einer Begründung versehen. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere greift die Klägerin die Verneinung des Vorsatzes an und verweist auf die sog. Wohlverhaltensrichtlinie des früheren Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel vom 26.5.1997, die eine Aufklärungspflicht ohne Interpretationsspielraum enthalten habe. Die Beklagte müsse sich zudem die fehlerhafte Einschätzung des X-verbandes gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Den Rundschreiben würde es im Übrigen an einer Begründung für die fehlende Aufklärungspflicht vollständig fehlen.
Die Klägerin beantragt:
1. Das Urteil des LG Tübingen vom 22.7.2010 - 7 O 608/09, wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.171,40 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 4 % seit dem 20.4.2000 bis Rechtshängigkeit und seit Rechtshängigkeit hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Übertragung von 540 Stück A (WKN.) zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.248,31 EUR außergerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Verzug der Annahme befindet.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Wegen des Weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die gem. § 511 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung der Klägerin ist zulässig und mit Ausnahme eines Teils des geltend gemachten Zinsanspruchs und der vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet. Insbesondere lässt sich die Verjährung der Ansprüche der Klägerin nicht feststellen.
1. Das LG hat zu Recht und mit zutreffenden Gründen eine Aufklärungspflichtsverletzung der Beklagten und somit das grundsätzliche Bestehen eines Schadensersatzanspruchs gem. § 280 Abs. 1 BGB angenommen. Zwischen den Parteien ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Dieser verpflichtete die Beklagte zur Aufklärung über die unstreitig erhaltene "echte" Rückvergütung aus dem Ausgabeaufschlag i.H.v. 3,4 % sowie aus der jährlichen Verwaltungsprovision i.H.v. 0,41 %. Dies nimmt die Berufung als ihr günstig hin. Die Entscheidung steht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Beschl. v. 29.6.2010 - XI ZR 308/09; Urt. v. 27.10.2009 - XI ZR 338/08; Ur...