Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugewinnausgleich: Anfangsvermögen bei Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Ehegatten

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Zurechnungsvorschrift des § 1374 Abs. 2 BGB ist auch bei der Übertragung von Vermögensgegenständen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Ehegatten einschränkend auszulegen, da nur eine Vermögensverschiebung stattfindet.

 

Normenkette

BGB § 1374 Abs. 2, § 1378 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Heilbronn (Aktenzeichen 3 F 1800/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.09.2010; Aktenzeichen XII ZR 69/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgab zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 35.991,22 EUR zzgl. 5 Prozentpunkte über dem Basiszins seit 30.7.2005 zu zahlen.

2. Es verbleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 35.991,22 EUR.

 

Gründe

I. Im Streit ist der Zugewinnausgleich. Die Parteien haben am 27.2.1998 die Ehe geschlossen. Sie sind auf Grund des am 26.5.2004 zugestellten Scheidungsantrags seit 25.4.2005 rechtskräftig geschieden.

Der Kläger hat der Beklagten mit notariellem Übergabevertrag vom 14.10.1998 "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" sein bisher in seinem Alleineigentum stehendes Hausgrundstück "?? 1" in X. sowie einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem benachbarten Flurstück übertragen. Im Gegenzug räumte die Beklagte dem Kläger ein durch die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit abgesichertes Wohnrecht an der Wohnung im Obergeschoss des Hauses ein und verpflichtete sich u.a. zur häuslichen Versorgung des Klägers in alten und kranken Tagen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Übergabevertrag (Bl. 46/50) Bezug genommen.

Die Parteien haben in erster Instanz wechselseitig, der Kläger im Wege der Stufenklage, die Beklagte im Wege der Widerklage, Auskunft über das Endvermögen des jeweils anderen Ehegatten begehrt. Nach Auskunftserteilung hat der Kläger seinen Zugewinnausgleichsanspruch auf 60.991 EUR beziffert. Das Familiengericht hat zu seinen Gunsten einen Anspruch i.H.v. 35.991,22 EUR ermittelt und die Beklagte entsprechend zur Zahlung verurteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte insgesamt die Abweisung der Klage.

Sie rügt, dass in ihrem Endvermögen das Darlehen für den Erwerb des Pkw's Mini Cooper mit 23.690 EUR nicht berücksichtigt worden sei und sich deshalb ihr Endvermögen entsprechend verringere.

Außerdem sei das Grundstück in X., das sie vom Kläger durch den nach Eheschließung geschlossenen Übertragungsvertrag erhalten habe, ihrem Anfangsvermögen zuzurechnen, weil es sich um einen typischen Übergabevertrag im Wege vorgenommener Erbfolge handele.

Sie beantragt, das am 8.9.2008 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Heilbronn 3 F 1800/05 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass die Parteien in der mündlichen Verhandlung die Passiva im Endvermögen der Beklagten mit 304.672 unstreitig gestellt hätten, so dass weitere Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zur Klarstellung war der Urteilstenor des angefochtenen Urteils im Hinblick auf den versehentlich nicht aufgenommenen Zeitpunkt des Zinsbeginns - Zustellung der Stufenklage am 29.7.2005 - zu ergänzen.

Dem Kläger steht gem. § 1378 Abs. 1 BGB mindestens ein Anspruch in der vom Familiengericht ermittelten Höhe von 35.991,22 EUR zu.

1. Der Kläger hat keinen Zugewinn erzielt.

Bei Eingehung der Ehe am 27.2.1998 war er Alleineigentümer des Wohn- und Geschäftshauses in X.. Nach den Feststellungen der Sachverständigen H. im Gutachten vom 20.10.2006 (Bl. 192/264) belief sich der Verkehrswert des Grundstücks zu diesem Stichtag auf 315.000 EUR.

Sein Endvermögen bestand zum Stichtag 26.5.2004 unstreitig aus Aktiva (Bl. 21/23) von 261,67 EUR sowie Passiva von (Bl. 24/28) 22.253,88 EUR.

2. Die Beklagte hat während der Ehe einen Zugewinn i.H.v. 89.024,61 EUR erzielt. Dieser errechnet sich wie folgt: Anfangsvermögen zum 27.2.1998 0 EUR.

Zurechnungen zum Anfangsvermögen gem. § 1374 Abs. 2 BGB auf Grund des notariellen Übertragungsvertrags vom 14.10.1998 sind, unabhängig davon, ob die Grundstücksübertragung rechtlich als Schenkung oder als vorweggenommene Erbfolge zu werten ist, nicht vorzunehmen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Schenkungen unter Ehegatten nicht dem Anfangsvermögen des Beschenkten nach § 1374 Abs. 2 BGB zuzurechnen (vgl. BGH FamRZ 1987, 791, 793; FamRZ 1988, 373, 375). Wesentlicher Grund für die von dem gesetzlichen Regelfall, wonach sämtliche Vermögensgegenstände in den...

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