Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauaufsichtsbehördliches Nutzungsverbot (Bordellbetrieb)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da der Landesgesetzgeber bei der Ermächtigung zum Erlass eines Nutzungsverbots durch die Bauaufsichtsbehörden (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) eine Sicherstellung des bauordnungsrechtlichen Genehmigungserfordernisses im Blick hat, rechtfertigt bereits die sich aus dem Nichtvorliegen einer im Einzelfall notwendigen Baugenehmigung für die Benutzung einer baulichen Anlage ergebende formelle Illegalität den Erlass einer Nutzungsuntersagung. In der Regel genügt die – zutreffende – Feststellung des formellen Gesetzesverstoßes.

2. Mit Blick auf die insoweit bereits vom Verwaltungsgericht angesprochene “typische” Interessenlage bedarf es vorbehaltlich im Einzelfall bestehender Besonderheiten regelmäßig keiner weitergehenden einzelfallbezogenen Begründung für die Anordnung. Dies gilt sowohl für die Ermessensentscheidung (§ 39 SVwVfG) als auch für die ohnehin nur formellen Anforderungen an die Begründung einer Sofortvollzugsanordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO).

3. Eine Verfahrensfreistellung nach § 61 Abs. 3 Nr. 1 LBO 2004 scheidet nicht nur aus, wenn die bisherige und die geänderte Nutzung in verschiedenen Rechtsvorschriften geregelt sind, sondern auch dann, wenn sich aus derselben speziell planungsrechtlichen Norm (hier § 34 BauGB) abweichende Anforderungen hinsichtlich ihrer Zulässigkeit ergeben.

4. Unter Verhältnismäßigkeitsaspekten können sich Bindungen auf Seiten der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen des § 82 Abs. 2 LBO 2004 allenfalls aus einer offensichtlichen materiellen Zulässigkeit und damit Genehmigungsfähigkeit der Nutzung ergeben. Diese Voraussetzungen sind indes allenfalls dann anzunehmen, wenn es sich um einfache, in jeder Hinsicht einwandfrei abschließend (positiv) zu beurteilende Vorhaben handelt.

5. Es bleibt offen, ob vor dem Hintergrund nach der Änderung des Bauverfahrensrechts (§§ 60 ff. LBO 2004) in Fallkonstellation, da die Bauaufsichtsbehörde selbst am Maßstab des Bauplanungsrechts von einer städtebaulichen Zulässigkeit der Nutzungsänderung ausgeht, eine allein mit der “formellen Illegalität” begründete Nutzungsuntersagung (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) einer rechtlichen Überprüfung stand halten würde, wenn das Vorhaben in den Anwendungsbereich (nur) des vereinfachten Genehmigungsverfahrens fällt, in dem bauordnungsrechtliche Anforderungen – vorbehaltlich ausdrücklicher Abweichungsanträge (§ 68 LBO 2004) – nicht mehr Gegenstand der präventiven Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörde sind (§ 64 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LBO 2004).

 

Normenkette

VwGO §§ 80, 123 Abs. 5, § 146; SVwVfG §§ 38-39; LBO 2004 § 2 Abs. 3 S. 1, Abs. 11, § 5 Abs. 1, § 58 Abs. 1, § 59 Abs. 1, § 60 Abs. 1, § 61 Abs. 3 Nr. 1, § 63 Abs. 2 Nr. 1, §§ 64-65, 68, 82 Abs. 2; BauGB § 34; BauNVO 1990 § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 8; ZustVO § 1

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Beschluss vom 11.05.2009; Aktenzeichen 5 L 380/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11. Mai 2009 – 5 L 380/09 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,- EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen eine mit Sofortvollzugsanordnung versehene Anordnung der Antragsgegnerin, mit der ihnen die Nutzung eines auf der Parzelle Nr. 101/16 in Flur 4 der Gemarkung F… befindlichen, bisher gewerblich für Bürozwecke benutzten Gebäudes (S… Straße) als “bordellähnlicher Betrieb” mit “gewerblicher Zimmervermietung” untersagt wurde. Das auch die seitlich anschließende Parzelle Nr. 106/4 umfassende Anwesen befindet sich in der nicht beplanten Ortslage von A…-Stadt-B… im straßenabgewandten Bereich und ist von der B… Straße über die vorgelagerte unbebaute und vollständig asphaltierte Parzelle Nr. 101/18 erreichbar. Diese steht nach dem bei den Bauakten befindlichen Katasterauszug (Eigentümernachweis) und dem Ergänzungslageplan jeweils hälftig im Eigentum der Antragsteller und des Landesverbandes Saarland e.V. des Arbeiter-Samariter-Bundes (nachfolgend: ASB).

Bereits im Oktober 2007 hatten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin eine Baugenehmigung für die entsprechende Änderung der Nutzung des Gebäudes beantragt. Ausweislich der Nutzungsangaben in den zugehörigen Grundrissplänen sollten im Erdgeschoss neben dem “Empfang” eine Umkleide, ein Aufenthalts-, ein Ruheraum und eine Sauna eingerichtet werden. Im Obergeschoss waren neben Dusch- und Toilettenräumen keine besonderen Angaben zur Benutzung der dortigen Zimmer (“Raum 1 – 4”) gemacht. Im ausgebauten Dachgeschoss des Hauses war neben zwei kleineren Räumen (Raum 1 und “Aufenthaltsraum”) eine kleine Küche mit Essgelegenheit dargestellt.

Im November 2007 teilte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit, dass das Vorhaben dem förmlichen Genehmigungsverfahren nach § 65 LBO 2004 unterliege und forderte sie zur Vorlage eines Grundbuchauszugs ...

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