Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbswidrigkeit von Pauschalzahlungen einer Klinik für die postoperative Nachsorge durch niedergelassene Ärzte
Leitsatz (amtlich)
1. Zahlt eine Klinik für die postoperative Nachsorge an niedergelassene Ärzte Pauschalentgelte, stellen diese regelmäßig keine Weitergabe von der Klinik zustehendem Honorar für ärztlichen Leistungen dar, sondern der Sache nach ein Entgelt für die vorher erfolgte Zuweisung stationärer Patienten.
2. Das Verbot der Entgegennahme eines Entgelts für die Vermittlung von Patienten gem. §§ 32 BO Ärztekammer Schleswig-Holstein stellt keine unverbindliche Standesauffassung dar, sondern ist als Satzungsrecht für alle Mitglieder der Ärztekammer verbindlich.
3. Die Gewährung eines gegen § 32 BO Ärztekammer und §§ 115a, 115b SGV V verstoßenden Entgelts für die Vermittlung von Patienten ist wettbewerbswidrig i.S.d. § 1 UWG.
Normenkette
UWG §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2; SGB V §§ 115a, 115b; BO Ärztekammer SH § 32
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 18.02.2003; Aktenzeichen 11 O 123/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Lübeck vom 18.2.2003 (11 O 123/02) geändert.
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes niedergelassenen Augenärzten für die postoperative Nachbehandlung von Cataract-Patienten eine Betreuungspauschale von 51,13 Euro pro Patient anzubieten oder auszuzahlen,
2. an die Klägerin 175,06 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.7.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wir die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 10.000 Euro abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der klagende Verband begehrt von der Beklagten, einem Universitätsklinikum es zu unterlassen, mit Augenärzten, die ihm Cataractpatienten zuweisen, einen Nachbehandlungsvertrag abzuschließen, der diesem eine Nachbetreuungspauschale von 51,13 Euro (100 DM) pro 14 Tage und Fall zusichere. Eine derartige Pauschale stelle eine wettbewerbswidrige „Fangprämie” dar und verstoße gegen berufsrechtliche Vorschriften. Der Beklagte wendet ein, dass auf diesem Wege – welcher von großen Teilen der berufsständischen Vereinigungen – gut geheißen werde – eine ausgewogene Nachsorge sichergestellt werde.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil Umstände für eine wettbewerbsrechtliche Unlauterbarkeit nicht vorlägen und auch die Ärztekammer Schleswig-Holstein den Vertrag weder beanstandet habe noch eine gefestigte Standesauffassung habe darlegen können.
Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
I. Anstelle des Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Es bestand kein Anlass, der Beklagten Schriftsatznachlass, zu gewähren,. Der in Bezug genommene Schriftsatz der Klägerin vom 9.10.2003 enthält keine entscheidungserheblichen Tatsachen, sondern rechtliche Erörterungen.
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
Die in Rede stehende Vereinbarung (Bl. 20–23 d.A.), die die Beklagte unstreitig in der Vergangenheit verwendet hat und in der Zukunft verwenden will, verstößt gegen § 1 UWG i.V.m. § 32 der Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 5.3.2003 (BO) und §§ 115a, 115b SGB V.
1. Die Klägerin ist gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der Beklagten befugt. Zu ihren Mitgliedern zählt auch der Berufsverband der Augenärzte Deutschland e.V. Die Klägerin gehört damit einer erheblichen Anzahl von Gewerbetreibenden an, die gewerbliche Leistung gleicher oder verwandter Art auf dem selben Markt vertreiben. Dass die repräsentative Anzahl von Mitgliedern dem Wettbewerbsverband nur mittelbar, nämlich durch die Zugehörigkeit von Verbänden oder Vereinigungen zu dem Wettbewerbsverband angehören, steht dem nicht entgegen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 13 UWG Rz. 23c m. Rspr. nachweisen).
2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung des gerügten Verhaltens aus § 1 UWG zu. Danach ist eine Wettbewerbshandlung, die gegen sittlich fundierte und wertbezogene Rechtsnormen verstößt – und um solche handelt es sich entgegen der Ansicht des LG sowohl bei § 32 BO als auch bei § 115a, b SGB V –, zugleich auch unlauter i.S.d. § 1 UWG.
a) Die von der Beklagten für die postoperative Nachbetreuung von Cataract-Patienten angebotene Betreuungspauschale verstößt gegen § 32 BO. Danach ist es einem Arzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt ode...