Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung: Minderung der Invaliditätsleistung bei einer nach einem Sturz auf den Rücken mitwirkenden vorbestehenden Spinalkanalstenose; Einordnung als Gebrechen
Normenkette
AUB 2005 Nr. 1.1, Nr. 1.4 Alt. 2, Nr. 2.1.1.1 S. 1, Nr. 2.1.2.2, Nr. 3 S. 2 Alt. 1 AUB
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 10.07.2013) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Itzehoe vom 10.7.2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der 1982 geborene Kläger begehrt weitere Zahlung aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Unfallversicherung, der die AUB 2005 (Anlage B 1) zugrunde liegen.
Im Februar 2010 rutschte der als Postzusteller tätige Kläger auf gefrorenem Boden aus und stürzte auf den Rücken; er konnte nach seinen Angaben unmittelbar danach seine Beine nicht mehr bewegen. Die Bildgebung im Krankenhaus Elmshorn ergab den Nachweis einer Prellung (Kontusion) des Rückenmarkes auf Höhe BWK 8/9. Wegen anhaltender Beschwerden wurde im Juni 2010 eine operative Erweiterung des Rückenmarkkanals (Laminektomie) des BWK 8 vorgenommen. Hintergrund war eine für die Ausprägung der verbliebenen Beschwerden bedeutsame hochgradige Einengung des Spinalkanals in Höhe BWK 8/9 (Stenose), die teils knöchern, teils bandbedingt war (vgl. das von der Beklagten in Auftrag gegebene orthopädische Gutachten von Dr. S. vom 7.6.2012, Anlage K 1, S. 24, Anlagenband). Die Verkalkungen der den Rückenmarkskanal auskleidenden Bandstrukturen und knöchernen Anbauten an den Gelenken sind nach den Ausführungen von Dr. S. (gemäß dem vom AG Elmshorn, 52 C 67/11 in der Krankentagegeldsache eingeholten Gutachten vom 3.1.2012, Anlage K 3, S. 25 ff.)
"als Verschleißumformungen anzusehen, die sich eindeutig über einen längeren Zeitraum bereits vor dem Unfallereignis gebildet hätten; unter vor allem der Berücksichtigung des Alters des Klägers sei das Ausmaß der Einengung ungewöhnlich. Als Folge der Enge sei die Flüssigkeitsumscheidung des Rückenmarks nahezu aufgehoben, dem Rückenmark fehle damit die Pufferfunktion des Flüssigkeitsmantels. Spinalkanalstenosen könnten lange Zeit völlig ohne klinische Symptome verlaufen, träten diese auf, so verlaufe die Erkrankung über einen längeren Zeitraum schleichend, d.h. die Beschwerden und gegebenenfalls Ausfallerscheinungen entwickelten sich über Wochen, Monate und manchmal Jahre und seien bei zeitnaher Diagnose vollständig rückzubilden. Der bei dem Kläger gegebene klinische Verlauf einer akuten inkompletten Querschnittslähmung könne daher nicht Ausdruck einer alleinigen Verschleißumformung gewesen sein, vielmehr habe das Unfallereignis für den Krankheitsverlauf eine relevante Bedeutung, der ohne das Unfallereignis so nicht denkbar gewesen sei. Allerdings sei auch die vorliegende Kontusion des Rückenmarks bei dem angegebenen Unfallereignis bei anatomisch normalen Verhältnissen eher ungewöhnlich. Deswegen schätze er das Verhältnis unfallabhängiger zu unfallunabhängigen Ursachen zu gleichen Teilen oder auf 50 zu 50 ein (S. 27)."
Ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 50 % gemäß dem ersten Gutachten von Dr. S. (Anlage K 1, S. 27) und dessen Ausführungen zu unfallabhängigen Faktoren kürzte die Beklagte die auf diese 50 % entfallende, rechnerisch unstreitige Invaliditätsleistung von 44.250 EUR wegen unfallfremder Mitwirkung um 50 % auf 22.125 EUR, wobei sie sich auf Nr. 3 AUB 2005 berief, welcher lautet:
"Welche Auswirkungen haben Krankheiten oder Gebrechen?
Als Unfallversicherer leisten wir für Unfallfolgen. Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, mindert sich
im Falle einer Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades
(...),
entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens.
Beträgt der Mitwirkungsanteil weniger als 25 Prozent, unterbleibt jedoch die Minderung."
Der Kläger hat klagweise die ungekürzte 50%ige Invaliditätsleistung (= weitere 22.125 EUR) verlangt und gemeint, die vorbestehende Spinalkanalstenose sei weder eine Krankheit noch ein Gebrechen; die Stenose sei ein Zufallsbefund anlässlich des Unfalls gewesen, derentwegen er, wie er behauptet hat, weder behandelt worden sei noch Beschwerden gehabt habe.
Die Beklagte hat zwar nicht den Sturz als solchen, indes jedoch bestritten, dass es in dessen Folge zu der behaupteten Gesundheitsschädigung und zur Invalidität gekommen sei, ebenfalls, dass es eine unfallbedingte Notwendigkeit zur Erweiterung des Spinalkanals durch OP gegeben habe und die Stenose zuvor asymptomatisch gewesen sei. Im Übrigen hat sie sich auf den Mitwirkungseinwand nach Nr. 3 AUB 2005 berufen: E...