Normenkette

ZPO § 42

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 07.11.2002; Aktenzeichen BLw 24/02)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG XY vom 19.4.2002 abgeändert:

Die Ablehnung des Einzelrichters RLG E. durch die Beklagten wird für begründet erklärt.

 

Gründe

A. Im Rechtsstreit 6 O 1197/01 (LG XY) ist der Einzelrichter RLG E. durch die Beklagten bereits mit Schriftsatz vom 21.1.2002 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Dieses Ablehnungsgesuch haben die Beklagten später wieder zurückgenommen.

Am 15.2.2002 fand dann vor dem Einzelrichter eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf er u.a. an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerichtet äußerte, „ob der Prozess unter „derartigen Mätzchen” fortgeführt werden solle”. Im Anschluss hieran lehnten die Beklagten den Einzelrichter ab und haben dieses Gesuch mit Schriftsatz vom 18.2.2002, auf den wegen seines Inhaltes Bezug genommen wird, näher begründet.

Der abgelehnte Richter hat sich hierzu dienstlich geäußert und u.a. bestätigt, dass er aus Verärgerung über eine aus seiner Sicht nicht rechtzeitig erhobene prozessuale Rüge des Beklagtenvertreters diesem gegenüber geäußert habe, „ob er zukünftig „derartige Mätzchen” nicht unterlassen wolle”.

Das LG XY hat mit Beschluss vom 19.4.2002, auf den wegen seines Inhaltes Bezug genommen wird und der dem Beklagtenvertreter am 8.5.2002 zugestellt worden ist, das Ablehnungsgesuch vom 15.2.2002 und das am 27.3.2002 (als solches hat es den Inhalt des Schriftsatzes vom 27.3.2002 gewertet) für unbegründet erklärt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 22.5.2002, die am gleichen Tage durch Telefaxübermittlung beim LG XY eingegangen ist und der das LG mit Beschluss vom 23.5.2002 nicht abgeholfen hat

B. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 46 Abs. 2 ZPO), form- und fristgerecht erhoben (§ 569 Abs. 1 ZPO) und hat auch in der Sache Erfolg.

Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob – wie mit dem Ablehnungsgesuch (auch) geltend gemacht wird – der abgelehnte Richter eine Häufung von Verfahrensfehlern begangen und insb. den Beklagten wiederholt rechtliches Gehör nicht gewährt hat, denn das Ablehnungsgesuch ist schon aus anderem Grund begründet (§ 42 ZPO).

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde.

Die an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 15.2.2002 gerichtete Äußerung des Richters, ob er nicht zukünftig „derartige Mätzchen” unterlassen wolle, stellt einen solchen Grund dar.

Das „Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm”, Leipzig, 1885, Nachdruck München 1999 (dtv), weist für „Mätzchen” – neben der Bezeichnung als Kosenamen für Tiere, insb. Kanarienvögel, Raben und Krähen (eine Verwendung in diesem Sinne ist hier ersichtlich nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen) – als Wortbedeutung, hergeleitet aus „Matz”, Folgendes aus (unter Matz 5):

matz auch die narrenspossen, thörichtes betragen, namentlich im dimin. mätzchen und in der formel mätzchen machen, possen treiben: mach keine mätzchen!

Die Bedeutung von „Mätzchen machen” ist damit in einem abwertenden Sinne im Sprachgebrauch verankert, weil dem Adressaten erkennbar der Vorwurf törichten, possenhaften Verhaltens gemacht wird, was diesen herabzuwürdigen geeignet ist. Dieser vom abgelehnten Richter gewählte Ausdruck war auch keine nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 15.2.2002 gerechtfertigte Äußerung. Es ist zwar richtig, dass in einer durch Rede und Gegenrede geprägten mündlichen Verhandlung nicht jedes Wort „ auf die Goldwaage” gelegt werden darf und auch einem Richter einmal ein „Ausrutscher” in der Wortwahl unterlaufen kann, den er ggf. durch sofortige Berichtigung oder Entschuldigung (was hier allerdings nicht geschehen ist) wieder aus der Welt schaffen kann. Auch ist die Situation zu würdigen, in der die jeweilige Äußerung gefallen ist. Es mag zwar eine Verärgerung des Richters wegen der aus seiner Sicht verspätet erhobenen prozessualen Rüge verständlich sein. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, sich einer kränkenden und beleidigenden Wortwahl zu bedienen (OLG Hamburg v. 23.3.1992 – 7 W 10/92, NJW 1992, 2036 „Kinkerlitzchen”; Günther, ZZP 105, 20 [44]; OLG Frankfurt v. 10.1.1994 – 3 WF 156/93, NJW-RR 1995, 890; Feiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 42 Rz. 24, 25 m.w.N.).

Geschieht dies doch, ist i.d.R. der Verdacht einer gestörten Beziehung zwischen Richter und Partei begründet, der die Ablehnung rechtfertigt.

Da die Beschwerde erfolgreich war, bedurfte es keiner Kostenentscheidung (Stein/Jonas/Bork, 21. Aufl., § 46 ZPO Rz. 5a).

Pfalzer Zimmermann-Spring Steinmaier

 

Fundstellen

Haufe-Index 1106458

OLG-NL 2002, 282

OLGR-...

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