Betriebsrat darf nicht bei Vorweggewährung von Entgeltstufen für Oberarzt mitbestimmen
Die Trägerin einer Klinik mit über 1.000 Beschäftigten, wollte einem leitenden Oberarzt eine erhöhte Endstufe nach § 20 Abs. 5 Satz 2 TV-Ärzte/VKA in Form einer "individuellen Personalbindungszulage" zahlen. Sie teilte dies dem Betriebsrat mit unter dem Hinweis, dass der Betriebsrat bei der Maßnahme zwar nicht zu beteiligen sei, sie aber gleichwohl – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – seine Zustimmung hierzu erbitte. Der Betriebsrat erteilte zwar die Zustimmung, wollte aber das Bestehen seines Beteiligungsrechts nach § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gerichtlich festgestellt haben. Er vertrat die Ansicht, dass Stufenvorweggewährungen nach § 20 Abs. 5 Satz 1 TV-Ärzte/VKA und Zahlungen einer erhöhten Endstufe nach § 20 Abs. 5 Satz 2 TV-Ärzte/VKA der Zustimmung des Betriebsrats bedürften. Der Betriebsrat habe die Pflicht zu beurteilen, ob die Tarifbestimmungen eingehalten würden.
Keine Mitbestimmung mangels Eingruppierung oder Umgruppierung
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass die Stufenvorweggewährungen nach § 20 Abs. 5 Satz 1 TV-Ärzte/VKA und Zahlungen einer erhöhten Endstufe nach § 20 Abs. 5 Satz 2 TV-Ärzte/VKA nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG unterliegen. Sie sind keine Ein- oder Umgruppierungen.Das BAG führte aus, dass der Arbeitgeber zwar nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in Unternehmen mit i. d. R. mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern vor jeder Eingruppierung und Umgruppierung den Betriebsrat unterrichten muss und dessen Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einholen muss. Eine Eingruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist hierbei die erstmalige oder erneute Einreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung, Umgruppierung dagegen jede Änderung dieser Einreihung. Eine Ein- oder Umgruppierung bestehe in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe oder jedenfalls einer Vergütungsordnung zuzuordnen sei. Es handele sich hierbei nicht um eine in das Ermessen des Arbeitgebers gestellte rechtsgestaltende Maßnahme, sondern Rechtsanwendung (vgl. BAG 26.9.2018, 7 ABR 18/16), d. h. um keinen konstitutiven rechtsgestaltenden Akt, sondern um die Kundgabe einer Rechtsansicht. Insoweit bestehe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in den Fällen der Ein- und Umgruppierung lediglich in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage (vgl. BAG, Beschluss v. 11.9.2013, 7 ABR 29/12).
Vorweggewährung ist keine Einreihung in eine Entgeltordnung
Bei den diesem Rechtsstreit zugrundeliegenden Personalmaßnahmen ordne die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer bzw. deren Tätigkeiten nicht in die Vergütungsordnung nach dem TV-Ärzte/VKA ein, sondern gewähre aufgrund einer tariflichen Ermächtigung im Einzelfall ein außerhalb der Stufenschemata von §§ 19 ff. TV-Ärzte/VKA stehendes Entgelt. Die Arbeitgeberin bekundet mit der Vorweggewährung eines um bis zu zwei Stufen höheren Entgelts oder der Zahlung eines über der Endstufe liegenden Entgelts keine Rechtsansicht, sondern trifft eine konstitutiv-gestaltende Entscheidung, wozu sie nur unter bestimmten, tariflich näher geregelten Voraussetzungen berechtigt ist. Wenn diese vorliegen, ist der Arbeitgeberin ein Ermessen eröffnet. Und bei dieser Ermessensentscheidung hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungs- bzw. Mitbeurteilungsrecht (BAG, Beschluss v. 12.6.2019, 1 ABR 30/18).
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