Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebszugehörigkeit bei Ausbildung in mehreren Betrieben

 

Leitsatz (redaktionell)

Ausbildung in Betrieben verschiedener Unternehmen. Siehe auch Beschluß vom 13. März 1991 – 7 ABR 89/89 – für Ausbildung in verschiedenen Betrieben desselben Unternehmens – zur Veröffentlichung vorgesehen.

 

Normenkette

BetrVG § 60 Abs. 1; WahlO-BetrVG 1972 § 2 Abs. 2; WahlO-BetrVG 1972 § 30 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Beschluss vom 23.11.1989; Aktenzeichen 14 TaBV 1/89)

ArbG Berlin (Beschluss vom 23.01.1989; Aktenzeichen 8 BV 14/88)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 23. November 1989 – 14 Ta BV 1/89 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A. Die beteiligte A. AG (Beteiligte zu 6) und deren Tochtergesellschaften, zu denen auch die beteiligte A.-W.-GmbH (Beteiligte zu 2) gehört, unterhalten in B. mindestens zehn Betriebsstätten. Hierzu zählen das der A.-W.-GmbH gehörende Werk N. sowie das der A. AG gehörende Werk S. Im Werk S. befindet sich das Aus- und Weiterbildungszentrum (Ausbildungszentrum) der A. AG, von dem aus alle derzeit etwa 360 Auszubildenden in allen in B. gelegenen Betrieben der A. AG und ihrer Tochtergesellschaften zentral betreut und geführt werden. Im Werk S. bestehen ein Betriebsrat (Beteiligter zu 4) und eine Jugend- und Auszubildendenvertretung (Beteiligte zu 5).

Mit allen Auszubildenden schließt die A. AG durch ihr Ausbildungszentrum einheitliche Ausbildungsverträge ab. In dem Ausbildungszentrum werden für die Auszubildenden die Personalakten geführt, die Vergütungen abgerechnet und Zeugnisse erteilt. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit haben die Auszubildenden beim Ausbildungszentrum zu melden. Die gesamte Planung, Durchführung und Überwachung der Ausbildung erfolgt durch das Ausbildungszentrum.

Dort erhalten die Auszubildenden im ersten Jahr eine Grundausbildung. Danach werden sie vom Ausbildungszentrum aus je nach Ausbildungsziel und -richtung, Qualifikation und bisherigen Leistungen entsprechend dem Ausbildungsplan für bestimmte Ausbildungsabschnitte den Ausbildern in den jeweiligen Betrieben zugewiesen. Zwischen diesen Abschnitten liegen wiederum solche, in denen die Ausbildung im Aus- und Weiterbildungszentrum erfolgt.

Zur Ausbildung in den anderen Betrieben außerhalb des Ausbildungszentrums weisen die dort tätigen Ausbildungsingenieure die Auszubildenden persönlich in die einzelnen Betriebe ein und stellen sie den dortigen Betreuern (Ausbildern) vor. Die Auszubildenden erhalten vorab eine Überweisungskarte, aus der sie ihre Ausbildungsstationen, deren Leiter sowie den zeitlichen Ablauf der Ausbildungsabschnitte erfahren. Die Ausbilder vor Ort erhalten parallel hierzu Durchlaufpläne für die betriebliche Ausbildung. Diese vom Ausbildungszentrum ausgearbeiteten betriebsbezogenen Durchlaufpläne orientieren sich an den ebenfalls im Ausbildungszentrum erstellten Musterdurchlaufplänen. Dabei werden vom Ausbildungszentrum sowohl die Inhalte der Ausbildung wie der konkrete zeitliche Ablauf in den einzelnen Betrieben verbindlich vorgegeben. Die Ausbilder vor Ort erhalten entsprechende nach Abteilung, Aufgabengebiet der Abteilung, Ausbildungsinhalt und Ausbildungsrichtzeit aufgeschlüsselte Ausbildungsprogramme. Auch in Zeiten eines längeren Aufenthalts in anderen Betrieben als dem Ausbildungszentrum erfolgt die Betreuung der Auszubildenden durch die Ausbildungsingenieure des Ausbildungszentrums. Neben regelmäßigen Routinebesuchen begeben sich diese Ingenieure auch in die jeweiligen Betriebe, wenn sich ein Auszubildender oder ein Ausbilder vor Ort an das Ausbildungszentrum wenden.

Für alle Auszubildenden haben der Betriebsrat des Werkes S. und die A. AG Betriebsvereinbarungen über Ausbildungsrichtlinien, Richtlinien zur Beurteilung und Förderung Auszubildender und über die regelmäßige Arbeitszeit der Auszubildenden für alle genannten B. Betriebe geschlossen.

Dem Betrieb N. der A. W.-GmbH wurden im Ausbildungsjahr 1989/90 zusammen 101 gewerbliche Auszubildende zur Durchführung betrieblicher Ausbildungsabschnitte zugewiesen. Die Dauer der zusammengerechneten Ausbildungszeiten im Betrieb N. schwankte im Ausbildungsjahr 1988/89 zwischen sechs und 39 Wochen; auch im Ausbildungsjahr 1989/90 war sie sehr unterschiedlich. Während im Ausbildungsjahr 1988/89 acht kaufmännische Auszubildende nahezu während des ganzen Ausbildungsjahres im Betrieb N. ausgebildet wurden, waren im Ausbildungsjahr 1989/90 13 kaufmännische Auszubildende nicht nur dort mit Zeitdauern zwischen sechs und 34 Wochen tätig, sondern im übrigen auch den anderen erwähnten Betrieben in B. zugewiesen.

Im Werk N. nehmen die Auszubildenden nicht an der dort eingerichteten betrieblichen Arbeitszeiterfassung und der Gleitzeitregelung teil. Ihre tägliche Arbeitszeit richtet sich nach der Betriebsvereinbarung zwischen der A. AG und dem Betriebsrat S.

Alle Auszubildenden nahmen an den Wahlen zum Betriebsrat und zur Jugend- und Auszubildendenvertretung in Werk S. teil.

Nachdem der antragstellende Wahlvorstand die A.-W.-GmbH mehrmals erfolglos aufgefordert hatte, die zur Erstellung einer Wählerliste erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, hat er vorliegendes Beschlußverfahren eingeleitet.

Er hat die Auffassung vertreten, daß im Betrieb der A.-W.- GmbH die Voraussetzungen für die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung erfüllt seien. Bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes müsse bei den in § 60 Abs. 1 BetrVG genannten zur Berufsausbildung Beschäftigten keine vertragliche Betriebs Zugehörigkeit vorliegen, es reiche aus, daß sie im Rahmen ihrer Ausbildung beschäftigt würden und deshalb tatsächlich eingegliedert seien. Die tatsächliche Eingliederung der Auszubildenden während ihrer Ausbildungszeit bei der A.-W.-GmbH ergebe sich daraus, daß die eigentliche Kontrolle über die Vermittlung der Ausbildungsinhalte, über die Einhaltung der Arbeitszeit sowie über das Verhalten der Auszubildenden im Betrieb vor Ort von den Ausbildungsbetreuern der A.-W.-GmbH wahrgenommen werde. Auch die Beurteilung der Auszubildenden geschehe letztlich durch die Ausbildungsbetreuer vor Ort. Wegen der rechtlichen Selbständigkeit der A.-W.-GmbH gegenüber der A. AG habe der Betriebsrat bzw. die Jugend- und Auszubildendenvertretung des Werkes S. keinerlei rechtliche oder tatsächliche Befugnisse im Betrieb der A.-W.-GmbH. Die Auszubildenden hätten während ihrer praktischen Ausbildung im Betrieb der A.-W.-GmbH keinerlei Ansprechspartner bzw. Vertretungsorgan. Ohne die Bildung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung im Betrieb der A.-W.-GmbH stehe dem Auszubildenden dort nicht der Schutz des § 70 BetrVG zur Seite. Die Belange der Auszubildenden im Betrieb der A.-W.-GmbH seien daher durch die Wahl einer eigenen Jugend- und Auszubildendenvertretung zu schützen.

Die zu 5) beteiligte Jugend- und Auszubildendenvertretung des Betriebes S. hat vorgetragen, sie sehe in der Einrichtung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung auch im Betrieb der A.-W.-GmbH keine Konkurrenz, sondern eine zusätzliche und notwendige Ergänzung der Interessenvertretung der Auszubildenden. Eine durchgängige betriebsverfassungsrechtliche Betreuung der dort befindlichen Auszubildenden durch sie selbst sei wegen der räumlichen Entfernung und wegen der Grenzen, die sich durch die faktische Ausübung des Weisungsrechts durch die Ausbilder vor Ort ergeben, nicht möglich. Eine Einflußnahme in konkrete betriebliche Konfliktfälle am Ort könne zumeist nicht erfolgen. Die bei der A.-W.-GmbH zusätzlich zu bildende Jugend- und Auszubildendenvertretung wäre für die Dauer der praktischen Ausbildung im Betrieb insbesondere zuständig für die Fragen der Arbeitszeit und der Pausen, Fragen des Arbeitsschutzes, Fragen der praktischen Gestaltung der Ausbildung in den dortigen Abteilungen, Durchführung der Ausbildung nach den Ausbildungsplänen und -Programmen, Beschwerden von Auszubildenden über Arbeitsbedingungen und Betreuer vor Ort und für die Übernahme von Auszubildenden nach Ende der Ausbildung als Arbeitnehmer in den Betrieb der A.-W.-GmbH.

Der Wahlvorstand hat zuletzt nur noch beantragt,

die A.-W.-GmbH zu verpflichten, dem Wahlvorstand eine Aufstellung aller im Betrieb zur Ausbildung beschäftigten Auszubildenden bis zum vollendeten 25. Lebensjahr auszuhändigen.

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung des Betriebes S. hat sich dem Antrag angeschlossen.

Die A.-W.-GmbH hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat der Betriebsstätte S. und die A. AG haben sich dem Antrag der A.-W.-GmbH angeschlossen.

Die A.-W.-GmbH hat erwidert, in ihrem Betrieb sei keine Jugend- und Auszubildendenvertretung zu wählen. Die ihr zur praktischen Ausbildung zugewiesenen Auszubildenden seien betriebsverfassungsrechtlich allein dem Aus- und Weiterbildungszentrum zuzuordnen. Für die auch im Rahmen des § 60 BetrVG erforderliche Betriebszugehörigkeit der Auszubildenden mangele es bereits an einem zwischen ihr und den Auszubildenden bestehenden Vertragsverhältnis. Vertragliche Beziehungen bestünden allein zur A. AG. Die Auszubildenden seien auch während der Dauer der praktischen Ausbildung nicht tatsächlich in ihren Betrieb eingegliedert. Die gesamte Ausbildungsplanung und -durchführung sowie die Überwachung der Ausbildung erfolge durch das Ausbildungszentrum. Das Verhalten der Auszubildenden auch in ihrem Betrieb werde von den Richtlinien des Ausbildungszentrums bestimmt. Die betriebsverfassungsrechtliche Betreuung der Auszubildenden werde durch die im Ausbildungszentrum gewählte Jugend- und Auszubildendenvertretung gewährleistet. Die Jugend- und Auszubildendenvertretung des Ausbildungszentrums halte für alle Auszubildenden wöchentliche Sprechstunden ab. Bei Beschwerden der Auszubildenden bezüglich der Ausbildung könne nur die Ausbildungsleitung im Ausbildungszentrum Abhilfe schaffen, denn diese habe allein eine entsprechende Einflußmöglichkeit. Die Ausbildungsbetreuer vor Ort seien lediglich der verlängerte Arm des Ausbildungszentrums.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Wahlvorstandes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Wahlvorstand sein Begehren weiter. Die A.- W.-GmbH beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Wahlvorstandes mit Recht zurückgewiesen. Die in Anspruch genommene A.-W.-GmbH ist nicht verpflichtet, dem Wahlvorstand eine Aufstellung der in ihrem Betrieb N. in B. zur Ausbildung beschäftigten Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr auszuhändigen, weil die dort tätigen Auszubildenden keine wahlberechtigten Betriebsangehörigen des Werkes N. sind.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Zu den konstitutiven Merkmalen der Betriebszugehörigkeit gehörten grundsätzlich zwei Komponenten, einerseits ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber, andererseits eine tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in die Betriebsorganisation. Der Wortlaut des § 60 Abs. 1 BetrVG gebe nicht die Möglichkeit, von dem Erfordernis eines vertraglich begründeten Rechtsverhältnisses unmittelbar zum Inhaber des Betriebes abzusehen, um die Betriebszugehörigkeit solcher Auszubildenden ohne vertragliche Bindung an den Ausbildungsbetrieb feststellen zu können. Eine am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung lasse es aber denkbar erscheinen, bei einer auf Dauer angelegten umfassenden tatsächlichen Eingliederung in den Betrieb eine Betriebs Zugehörigkeit solcher Auszubildenden auch ohne vertragliche Bindung zum Betriebsinhaber anzunehmen. Eine für die Dauer der gesamten Ausbildung angelegte Eingliederung in den Betrieb der beteiligten A.-W.- GmbH liege hier aber gerade nicht vor. Eine Betriebs Zugehörigkeit der Auszubildenden zu dem Betrieb dieser Firma könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die tatsächliche Eingliederung so stark ausgeprägt sei, daß sie zum Schutze ihrer Belange eine eigene Jugend- und Auszubildendenvertretung benötigten und nicht auf die im Ausbildungszentrum bestehende Jugend- und Auszubildendenvertretung verwiesen werden könnten. Die von der beteiligten A. AG gewählte zentrale Zusammenfassung des Ausbildungswesens und seine zentrale Steuerung verböten die Annahme einer solchen Eingliederung. Das Ausbildungszentrum habe nicht die Ausbildung insgesamt der A.-W.-GmbH überlassen, sondern erteile ihr die rechtlichen und inhaltlichen Vorgaben und behalte sich die Entscheidungen bei den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten vor. Damit seien die wesentlichen Mitbestimmungsrechte beim Betriebsrat des Ausbildungszentrums angesiedelt. Lediglich die Umsetzung der Vorgaben des Ausbildungszentrums geschehe durch die Ausbildungsbetreuer vor Ort. Gerade dabei entstünden aber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates des Betriebes der A.-W.- GmbH nicht.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis zu folgen.

Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, kommt als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers nur § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 30 Satz 1 der Wahlordnung 1972 zum Betriebsverfassungsgesetz in der zuletzt durch die Verordnung vom 28. September 1989 (BGBl. I. S. 1793) geänderten Fassung in Betracht. Hiernach hat der Arbeitgeber dem Wahl vorstand für die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung besteht jedoch nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Errichtung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung in dem Betrieb gegeben sind.

Gemäß § 60 Abs. 1 BetrVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Dezember 1988 (BGBl I. 1989, 1, 902) werden in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf Arbeitnehmern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (jugendliche Arbeitnehmer) oder die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt. Diese Voraussetzungen liegen jedoch für den Betrieb N. nicht vor. Jugendliche unter 18 Jahren, die nicht zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, gibt es im Werk N. unstreitig nicht. Die dort im Rahmen ihrer Berufsausbildung während einzelner Ausbildungsabschnitte beschäftigten Auszubildenden sind nicht wahlberechtigt zu den Betriebsverfassungsorganen des Werkes N.

1. Dem Landesarbeitsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, daß die Auszubildenden während ihrer gesamten Ausbildungsdauer Betriebsangehörige des Werkes S., in dem sich das Ausbildungszentrum befindet, bleiben, und zwar auch während der Zeiten, die sie zur Absolvierung einzelner Ausbildungsabschnitte in anderen Betrieben der Arbeitgeberin oder in Betrieben ihrer Konzernunternehmen verbringen.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wird die gesamte Ausbildung zentral vom Ausbildungszentrum des Werkes S. gesteuert. Von dort aus erfolgt die Ausbildungsplanung und -durchführung, auch für die Ausbildungsabschnitte in anderen Betrieben. Alle wesentlichen Ausbildungsschritte werden dort mit bindender Wirkung auch für die anderen Betriebe anhand von Musterdurchlaufplänen und konkreten betriebsbezogenen Durchlaufplänen mit den jeweiligen Ausbildungsinhalten und den zeitlichen Abläufen in den Betriebsstätten festgelegt. Auch während der Ausbildung in anderen Betriebsstätten unterstehen die Auszubildenden der Kontrolle und den Weisungen der Mitarbeiter des Ausbildungszentrums. Die Ausbildungsingenieure des Ausbildungszentrums weisen die Auszubildenden auch persönlich in die einzelnen Betriebe ein und stellen sie den dortigen Ausbildern vor. Neben regelmäßigen Routinebesuchen begeben sich diese Ingenieure auch in die jeweiligen Betriebe, wenn sich ein Auszubildender oder ein Ausbilder vor Ort an das Ausbildungszentrum wendet. Im Ausbildungszentrum werden die Personalunterlagen der Auszubildenden geführt, die Berichtshefte kontrolliert, die Zeugnisse erteilt und die Vergütungsabrechnungen erstellt. Von dort erhalten die Auszubildenden auch allgemeine Verhaltensrichtlinien, in denen u.a. festgelegt ist, wie sie sich im Krankheitsfalle zu verhalten haben, daß sie insbesondere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dem Ausbildungszentrum zuzuleiten haben.

Hieraus ergibt sich, daß die für die Ausbildungsverhältnisse wesentlichen, der Beteiligung des Betriebsrats unterliegenden Angelegenheiten, insbesondere die Fragen der Berufsbildung nach den §§ 96 bis 98 BetrVG, während der gesamten Ausbildungsdauer im Ausbildungszentrum geregelt werden. Damit bleiben die Auszubildenden auch während ihrer vorübergehenden Ausbildungsbeschäftigung in anderen Betrieben in den Betrieb des Ausbildungszentrums eingegliedert mit der Folge, daß sie dort auch wahlberechtigt zum Betriebsrat und zur Jugend- und Auszubildendenvertretung sind. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

2. Die zeitweilige Ausbildungsbeschäftigung im Werk N. führt nicht dazu, daß die Auszubildenden zugleich auch in diesem Betrieb wahlberechtigt würden. Dabei kann unentschieden bleiben, ob eine Wahlberechtigung der Auszubildenden zu den Arbeitnehmervertretungen des Werkes N. schon deshalb zu verneinen wäre, weil die Auszubildenden nicht in einem vertraglichen Ausbildungsverhältnis zu der Inhaberin dieses Betriebes, der beteiligten A.-W.-GmbH, stehen, sondern auch wahrend ihrer Beschäftigung im Werk N. Auszubildende der beteiligten A. AG bleiben. Auch wenn man davon ausgeht, daß das Auseinanderfallen von Vertragsarbeitgeber und Inhaber des Beschäftigungsbetriebes der Wahlberechtigung eines Arbeitnehmers zu den Betriebsverfassungsorganen seines Beschäftigungsbetriebes nicht grundsätzlich entgegensteht, erwerben die Auszubildenden bei dem hier praktizierten Ausbildungssystem in den Betrieben, in denen sie außerhalb des Ausbildungszentrums zur Absolvierung einzelner Ausbildungsabschnitte beschäftigt werden, keine Wahlberechtigung, gleichgültig, ob es sich dabei um einen Betrieb ihres vertraglichen Ausbildungsunternehmens oder eines seiner Konzernunternehmen handelt. Zwar sind die Auszubildenden während ihrer vorübergehenden Beschäftigung in diesen Betrieben auch in deren Betriebsorganisation eingebunden; sie müssen sich an die Ordnung ihres jeweiligen Beschäftigungsbetriebes halten und unterliegen hinsichtlich ihrer Tätigkeit den Einzelweisungen der Ausbilder dieses Betriebes im Rahmen der Vorgaben des Ausbildungszentrums. Der Schwerpunkt des Ausbildungsverhältnisses bleibt aber bei einer solchen Stationenausbildung stets bei dem Stammbetrieb, der die Gesamtausbildung leitet und überwacht und wo die wesentlichen Entscheidungen in bezug auf das Ausbildungsverhältnis getroffen werden. Die vorübergehende und auch nur partielle Eingliederung des Auszubildenden in einen anderen Betrieb außerhalb seines Stammbetriebes zur Absolvierung eines bestimmten Ausbildungsabschnittes rechtfertigt es nicht, ihm neben der Wahlberechtigung zu den Betriebsverfassungsorganen seines Stammbetriebes auch die Wahlberechtigung zum Betriebsrat und zur Jugend- und Auszubildendenvertretung seines zeitweiligen Beschäftigungsbetriebes zuzuerkennen und ihm dadurch ebenso wie den in den Betrieb voll eingegliederten Belegschaftsmitgliedern eine Einflußnahme auf Größe und Zusammensetzung dieser Betriebsverfassungsorgane zu ermöglichen.

Bei dieser Wertung stützt sich der Senat auf eine entsprechende Wertung des Gesetzgebers im Personalvertretungsrecht des öffentlichen Dienstes. Nach § 13 Abs. 3 BPersVG sind Beamte im Vorbereitungsdienst und Beschäftigte in entsprechender Berufsausbildung nur bei ihrer Stammbehörde wahlberechtigt. Für den beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst ist es typisch, daß er sich in verschiedenen Ausbildungsstationen vollzieht, die häufig auch mit einem Dienststellenwechsel verbunden sind, daß aber die Gesamtausbildung von einer bestimmten Dienststelle, der Stammbehörde, geleitet wird. Weil der Auszubildende nur vorübergehend in der anderen Dienststelle ausgebildet wird, die wesentlichen sein Ausbildungsverhältnis betreffenden Entscheidungen aber in seiner Stammbehörde fallen, ist er in die andere Dienststelle nur lose integriert. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber es als sachgerecht angesehen, dem Auszubildenden die Wahlberechtigung nur für seine Stammbehörde, nicht aber auch für andere Dienststellen, die er im Rahmen seiner Ausbildung durchläuft, zuzuerkennen.

Im vorliegenden Falle geht es um einen vergleichbaren Sachverhalt. Hier ist die Berufsausbildung bei der Arbeitgeberin ebenfalls in der Weise organisiert, daß sie unter der Gesamtleitung eines Stammbetriebes, des Ausbildungszentrums, steht, einzelne Ausbildungsabschnitte aber in anderen Betrieben durchgeführt werden. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, bei der Frage der Wahlberechtigung der Auszubildenden zu den Betriebsverfassungsorganen derjenigen Betriebe, in denen die Auszubildenden nur einzelne Ausbildungsstationen absolvieren, an die erwähnte personalvertretungsrechtliche Regelung anzuknüpfen und sie entsprechend der dortigen gesetzlichen Wertung zu beantworten. Gesichtspunkte, die für den Bereich der privaten Wirtschaft und des dort geltenden Betriebsverfassungsgesetzes eine andere Beurteilung geböten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Gesetzgeber die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen einer vorübergehenden sektoralen Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen in der Privatwirtschaft für den Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in ähnlicher Weise geregelt. Nach § 14 Abs. 1 und 2 AÜG bleiben Leiharbeitnehmer auch während der – auf höchstens sechs Monate begrenzten (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG) – Zeit ihrer Arbeitsleistung bei dem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebes des Verleihers und sind bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung im Entleiherbetrieb weder wahlberechtigt noch wählbar.

3. Aus alledem ergibt sich, daß die im Werk N. vorübergehend zur Durchführung einzelner Ausbildungsabschnitte beschäftigten Auszubildenden zu den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen dieses Betriebes nicht wahlberechtigt sind. Damit fehlt es im Werk N. an den Voraussetzungen für die Bildung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung und demzufolge auch an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren des antragstellenden Wahlvorstandes.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Kordus, Dr. Knapp

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081307

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