Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. gesetzliche Vertreter eines Kreditinstitutes nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 KWG

 

Leitsatz (amtlich)

  • Nach § 53 Abs. 1 KWG haben ausländische Kreditinstitute mit Sitz außerhalb der Europäischen Gemeinschaft mindestens zwei natürliche Personen mit Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu bestellen, die für den Geschäftsbereich des Kreditinstitutes zur Geschäftsführung und zur Vertretung des Unternehmens befugt sind; sie sind zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
  • Die nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 KWG bestellten, zur Vertretung des ausländischen Kreditinstitutes befugten Personen, gelten nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).
 

Normenkette

ArbGG § 5 Abs. 1 S. 3, § 48 Abs. 1; GVG § 17a; KWG § 53 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 25.07.1997; Aktenzeichen 2 Ta 157/97)

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 25.02.1997; Aktenzeichen 12 Ca 5339/96)

 

Tenor

  • Auf die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. Juli 1997 – 2 Ta 157/97 – aufgehoben.
  • Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 1997 – 12 Ca 5339/96 – wird zurückgewiesen.
  • Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde und des Verfahrens der weiteren sofortigen Beschwerde hat die Klägerin zu tragen.
  • Der Streitwert wird für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde auf 617.938,45 DM festgesetzt.
 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche.

Die Klägerin ist eine türkische staatliche Bank mit Sitz in Ankara. Sie unterhält in Deutschland Filialen und in Frankfurt/Main eine Filiale und eine Hauptrepräsentanz. Der Beklagte war einer der zwei in Deutschland tätigen Geschäftsleiter der Klägerin und im Handelsregister eingetragen. Während seiner Tätigkeit bei der Klägerin genehmigte er als Mitglied des Kreditausschusses Kredite sowie Erhöhungen laufender Kredite. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, durch Verletzung der Prüfungspflicht und Nichteinholung erforderlicher Auskünfte bei notleidend gewordenen Krediten erheblichen Schaden verursacht zu haben. Mit ihrer beim Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sie zunächst Schadensersatzansprüche in Höhe von 1.853.815,36 DM zuzüglich Zinsen geltend gemacht.

Die Klägerin hat die Arbeitsgerichte für zuständig gehalten, weil der Beklagte Arbeitnehmer gewesen sei. Er sei weisungsunterworfen und in ihrer Organisation eingegliedert gewesen. Die Ansprüche hätten ihre Grundlage im Arbeitsverhältnis.

Der Beklagte hat die Rechtswegzuständigkeit gerügt, weil er als Geschäftsleiter kraft Gesetzes vertretungsberechtigt und daher kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für nicht gegeben erachtet und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Rechtsweg der Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet ist. Mit der weiteren sofortigen Beschwerde will der Beklagte erreichen, daß der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts wiederhergestellt wird.

Nach Erlaß des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin die Klage auf einen Betrag von 2.860.860,45 DM nebst Zinsen erweitert.

 

Entscheidungsgründe

II. Die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Unrecht bejaht. Die Gerichte für Arbeitssachen sind nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG zuständig, da der Beklagte nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes gilt. Das ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Kreditwesengesetzes (KWG).

1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG “gelten … in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglied des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind”, nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. Die Vorschrift stellt – anders als § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG – nicht auf die Rechtsnatur des Anstellungsverhältnisses ab, sondern auf die formale Vertreterstellung des Mitarbeiters aufgrund Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag. Es handelt sich um eine Fiktion. Daher ist § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch auf Personen anwendbar, die ohne die Fiktion als Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG oder – wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit – als arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen wären (BAGE 49, 81, 88; 55, 137 = AP Nr. 3, 6 zu § 5 ArbGG 1979).

Auf den Umfang der auf Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag beruhenden Vertretungsmacht kommt es nicht an. Eine gesetzliche oder in der Satzung bzw. in dem Gesellschaftsvertrag enthaltene Beschränkung der Vertretungsmacht, etwa auf Gesamtvertretung, auf die laufenden Geschäfte oder auf Geschäfte bestimmter Art oder nur bis zu einer gewissen Größenordnung schließt – unabhängig von ihrer Wirksamkeit (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 BGB einerseits und § 126 Abs. 2 HGB, § 37 Abs. 2 GmbHG andererseits) – die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht aus (BAGE 9, 313 = AP Nr. 8 zu § 5 ArbGG 1953; Beschluß vom 11. April 1997 – 5 AZB 32/96 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gegeben. Der Beklagte war kraft Gesetzes zur Vertretung einer juristischen Person berufen. Das ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 KWG.

§ 53 KWG lautet auszugsweise:

“§ 53

Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz in einem anderen Staat

(1) Unterhält ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Staat eine Zweigstelle im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die Bankgeschäfte in dem in § 1 Abs. 1 bezeichneten Umfang betreibt, so gilt die Zweigstelle als Kreditinstitut. Unterhält das Unternehmen mehrere Zweigstellen im Sinne des Satzes 1, so gelten sie als Kreditinstitut.

(2) Auf die in Absatz 1 bezeichneten Kreditinstitute ist dieses Gesetz mit folgender Maßgabe anzuwenden:

1. Das Unternehmen hat mindestens zwei natürliche Personen mit Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu bestellen, die für den Geschäftsbereich des Kreditinstituts zur Geschäftsführung und zur Vertretung des Unternehmens befugt sind. Solche Personen gelten als Geschäftsleiter. Sie sind zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.”

Die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 2 Nr. 1 KWG ist weder nach § 53 Abs. 4 KWG durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, noch nach § 53b Abs. 1 Satz 2 KWG, noch nach § 53c KWG in Verbindung mit der Zweiten Verordnung über die Freistellung von Unternehmen mit Sitz außerhalb der EG von Vorschriften des KWG vom 13. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1703) ausgeschlossen.

Die Klägerin ist eine juristische Person. Der Beklagte war nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 KWG zur Geschäftsführung und – was hier entscheidend ist – zur Vertretung der Klägerin befugt. Ob er Geschäftsleiter im Sinne von § 1 Abs. 2 KWG war oder nur gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 als solcher galt und ob alle Geschäftsleiter von Banken im Sinne dieser Bestimmungen unter § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG fallen, ist unerheblich.

Die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Vertretungsbefugnis des Beklagten gesetzlich auf den inländischen Geschäftsbereich des Kreditinstituts, d.h. auf den Geschäftsbereich der deutschen Zweigstellen beschränkt war. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG fordert – wie ausgeführt – entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts weder eine alleinige noch eine unbeschränkte Vertretungsmacht. Nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BGB kann der Umfang der Vertretungsmacht des Vorstandes durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden, ohne daß die Betreffenden dadurch aus dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG herausfallen. Für die Beschränkung der Vertretungsmacht durch § 53 Abs. 2 Nr. 1 KWG gilt nichts anderes.

3. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, ihre Schadensersatzansprüche beruhten auf dem Arbeitsverhältnis. Es ist zwar im Grundsatz unbestritten, daß der Vertreter nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG zu “seiner” juristischen Person oder Personengesamtheit zugleich in einem Anstellungs- oder Gesellschaftsverhältnis und in einem Arbeitsverhältnis stehen kann. Voraussetzung ist aber eine klar unterscheidbare Doppelstellung, die der Senat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1960 (– 5 AZR 578/59 – AP Nr. 14 zu § 5 ArbGG 1953) etwa für den “Rendanten” einer Spar- und Darlehnskasse (eGmbH) bejaht hat, der – mit unterschiedlichen Aufgaben – zeitweise auch Vorstandsmitglied war.

An einer klar unterscheidbaren Doppelstellung fehlt es hier. Zwischen den Parteien bestand nur ein Rechtsverhältnis. Dieses lag der Bestellung zum Vertreter nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 KWG zugrunde.

4. Die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit kann auch nicht deshalb bejaht werden, weil sie in einem Parallelverfahren rechtskräftig festgestellt wurde. Die Klägerin hat ihre Ansprüche gegen den dortigen und den hiesigen Beklagten in zwei getrennten Verfahren geltend gemacht. Dann muß sie es hinnehmen, daß beide Verfahren in unterschiedlichen Rechtswegen verhandelt und entschieden werden.

III. Das Landesarbeitsgericht wird u.a. zu klären haben, ob die Klägerin ordnungsgemäß vertreten ist.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke

 

Fundstellen

Haufe-Index 884878

BB 1998, 168

NJW 1998, 1014

FA 1998, 57

FA 1998, 91

JR 1998, 220

NZA 1998, 51

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