Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigte Lehrerin

 

Normenkette

BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 611, 612 Abs. 2, § 242; BAT §§ 70, 3 Buchst. Q; TVG § 1 Auslegung

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 18.10.1989; Aktenzeichen 4 Sa 724/89)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 03.05.1989; Aktenzeichen 6 Ca 6706/88)

 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 1989 – 4 Sa 724/89 – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1987 anteilige Vergütung nach der VergGr. IV b der Anlage 1 a zum BAT zu zahlen.

Die am 15. Oktober 1931 geborene Klägerin, die über eine abgeschlossene Ingenieurausbildung verfügt, ist aufgrund der Arbeitsverträge vom 5. Juli 1977 und vom 4. Mai 1983 seit dem 1. August 1977 bei dem beklagten Land an den Beruflichen Schulen für Ernährungs- und Hauswirtschaft, Gestaltung und Sozialpädagogik des Kreises W. als teilzeitbeschäftigte Lehrerin (nebenberufliche Lehrkraft) für die Fächer Physik und Gerätekunde tätig. Sie unterrichtet seit dem 1. August 1983 wöchentlich 11 Stunden. Die wöchentliche Rege 1 Stundenzahl eines vollzeitbeschäftigten vergleichbaren Lehrers beträgt 25 Stunden.

Seit dem 1. Januar 1988 erhält die Klägerin anteilige Bezüge nach der VergGr. IV b BAT, seit dem 1. Januar 1989 nach der VergGr. IV a BAT. In der streitbefangenen Zeit zahlte das beklagte Land der Klägerin dagegen nur eine Vergütung nach Jahreswochenstunden. Grundlage der Berechnung war dabei die einzelne Unterrichtsstunde. Die Höhe der Vergütung wurde ermittelt für 42 Wochen (Unterrichtszeit von 39 Wochen zuzüglich drei Urlaubswochen).

Die Klägerin hält die Vergütungsvereinbarung der Parteien im Hinblick auf § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 ab 1. Mai 1985 für unwirksam. Mit ihrer am 28. Dezember 1988 bei Gericht eingegangenen Klage verlangt sie vom beklagten Land die Nachzahlung der Differenz zwischen der ihr gewährten Vergütung (1986: 9.370,28 DM; 1987: 9.580,40 DM) und der auf 12 Monate berechneten anteiligen Vergütung eines angestellten Lehrers nach der VergGr. IV b BAT. Dabei macht sie auch die anteiligen Beträge für Ortszuschlag (nebst Verheiratetenzuschlag), Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistung geltend.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 29.953,27 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 4. Januar 1989 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die Vergütungsvereinbarung der Parteien sei rechtswirksam. Das Beschäftigungsförderungsgesetz finde auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung. Jedenfalls könne die Klägerin die verlangte Vergütungsdifferenz nur für insgesamt 42 Wochen verlangen. Dabei sei auch der sogenannte Absenkungserlaß des Finanzministers vom 27. Dezember 1983 zu berücksichtigen, so daß sich die anteilige Vergütung der Klägerin höchstens nach der Vergütungsgruppe V b BAT berechne. Schließlich hat das beklagte Land geltend gemacht, die Ansprüche der Klägerin seien nach § 70 BAT verfallen, jedenfalls aber verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der das beklagte Land sein Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Vergütungsvereinbarung der Parteien verstoße gegen das Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte in § 2 Abs. 1 BeschFG und sei daher gemäß § 134 BGB nichtig. Die der Klägerin zustehende Vergütung müsse gemäß § 612 Abs. 2 BGB nach der üblichen Vergütung für vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte ermittelt werden. Diese sei nach der Praxis des öffentlichen Dienstes auch bei der Vergütung der Lehrer nach den unmittelbar nicht anwendbaren Bestimmungen der Anlage 1 a zum BAT zu berechnen. Der Absenkungserlaß sei auf die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht anzuwenden, da das Arbeitsverhältnis der Klägerin bereits vor dem 31. Dezember 1983 begründet gewesen sei. Die Rechtsbeziehungen der Parteien seien daher von dem Absenkungserlaß nicht betroffen. Die von der Klägerin erhobene Forderung stehe ihr dem Grunde nach zu. Die rechnerische Höhe habe das beklagte Land nicht bestritten. – Die Bestimmung des § 70 BAT hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt.

Das Landesarbeitsgericht hat auf den Streitfall die Erwägungen des Senats im Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) angewandt. Insoweit ist ihm beizupflichten. Aber auch in den übrigen Teilen seiner Begründung ist ihm zu folgen.

II. Der Senat hat – seit seiner eben genannten ersten einschlägigen Entscheidung vom 25. Januar 1989 – bei der Frage der Vergütung teilzeitbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis die Vergütung nach Jahreswochenstunden wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 in Verbindung mit § 134 BGB für rechtsunwirksam angesehen und ausgeführt, an die Stelle der entfallenen Vergütungsregelung trete die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung. Die im öffentlichen Dienst als die übliche Vergütung im Sinne der genannten Vorschrift anzusehende Vergütung sei im Hinblick auf die im öffentlichen Dienst herrschende Übung, nach Tarif zu vergüten, die tarifliche Vergütung. Daher hätten die teilzeitbeschäftigten Lehrer anstelle der Vergütung nach Jahreswochenstunden Anspruch auf anteilige Vergütung, wie sie den jeweils vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrern zustehe (vgl. BAGE 61, 43, 50 f. = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, zu IV 1 der Gründe; vgl. weiter Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zu II der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).

1. Die vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrer erhalten ihre Bezüge das ganze Jahr durchgehend, d.h. also für 52 Wochen. Es bedeutet eine durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der teilzeitbeschäftigten Lehrer mit weniger als der Hälfte der üblichen Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Lehrer, wenn sie ihre Vergütung nur für 42 Wochen im Jahr erhalten. Daher steht ihnen die Vergütung für das ganze Jahr durchgängig zu.

2. Zu der ortsüblichen Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB gehört auch der Ortszuschlag; denn die tarifliche Vergütung der Angestellten besteht aus der Grundvergütung und dem Ortszuschlag (§ 26 Abs. 1 BAT).

3. Der Klägerin steht weiter ein anteiliges Urlaubsgeld zu. Insoweit schließt sich der Senat der ausführlichen Begründung des Urteils des Achten Senats vom 15. November 1990 (8 AZR 283/89, zu II der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen) zu der Frage an, ob auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer anteiliges Urlaubsgeld beanspruchen können.

4. Ferner verlangt die Klägerin zu Recht die anteilige Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld). Einen derartigen Anspruch hat der Sechste Senat im Urteil vom 6. Dezember 1990 (6 AZR 159/89) bejaht (zur Veröffentlichung vorgesehen). Dieser Auffassung wird beigepflichtet.

5. Auch anteilige vermögenswirksame Leistungen nach dem Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen an Angestellte vom 17. Dezember 1970 (i.d.F. des TV vom 3. April 1987 bzw. seines Vorläufers) kann die Klägerin verlangen. § 1 Abs. 3 TV unterscheidet zwischen vollzeitbeschäftigten und nichtvollzeitbeschäftigten Angestellten. Die Aufspaltung der letztgenannten Angestellten in solche, die vom BAT erfaßt werden, und solche, für die das nicht gilt, bedeutet einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Zu der ortsüblichen Vergütung gemäß § 612 Abs. 2 BGB rechnet daher auch die anteilige vermögenswirksame Leistung.

6. Die Forderung der Klägerin wird, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, vom Absenkungserlaß des Finanzministers des beklagten Landes vom 27. Dezember 1983 (MBl NW 1984, 60) nicht erfaßt, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht nach dem 31. Dezember 1983 begründet worden ist, sondern bereits Jahre vorher bestanden hat.

7. Nach der mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 320 ZPO) nicht angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts hat das beklagte Land die von der Klägerin vorgetragene rechnerische Höhe ihrer Forderung nicht bestritten. An diese Feststellung ist der Senat gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO). Danach ergibt sich die von der Klägerin geforderte Differenz von 29.953,27 DM brutto.

III. Die Ansprüche der Klägerin sind weder verfallen (§ 70 BAT) noch verwirkt (§ 242 BGB).

1. § 612 Abs. 2 BGB betrifft die Höhe der Vergütung. Diese ist im öffentlichen Dienst üblicherweise die tarifliche Vergütung.

Die rein rechnerische Größe einer bestimmten Vergütung umfaßt aber nicht auch gleichzeitig noch andere – rein rechtliche – Merkmale, die zum Wesen einer bestimmten tariflichen Vergütung gehören können. Vor allem ist es der rechnerischen Höhe einer Vergütung nicht wesenseigen, an eine bestimmte tarifliche Ausschlußklausel gebunden zu sein (so ausdrücklich Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zu II 1 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Weiter darf nicht übersehen werden, daß es eine „tarifliche Vergütung” für angestellte Lehrer nicht gibt. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen gilt die Anlage 1 a zum BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte beschäftigt sind. Ihre Vergütung wird durch ministerielle Eingruppierungserlasse geregelt, deren Inhalt jedoch arbeitsvertraglich vereinbart werden muß (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1980 – 4 AZR 1098/77 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, m.w.N.). Deshalb sind die Vergütungen der unter Nr. 5 der Vorbemerkungen fallenden Beschäftigten solche vertraglicher Art, und lediglich ihre Höhe ist durch Heranziehung der Vergütungssätze des BAT an der tariflichen Vergütung ausgerichtet. Hieraus ergeben sich zusätzliche Bedenken dagegen, die Ausschlußklausel des BAT mit der nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Höhe der Vergütung in Verbindung zu bringen.

2. Die Ausschlußklausel des § 70 BAT gilt für die Klageansprüche auch nicht deswegen, weil auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1988 der BAT anzuwenden ist. Wenn nämlich die Tarifbindung der Parteien eines Arbeitsverhältnisses erst nach Vertragsabschluß eintritt oder wenn ein Tarifvertrag ein Arbeitsverhältnis erst nach Vertragsabschluß erfaßt, dann werden die bis zum Zeitpunkt der Tarifgeltung entstandenen Ansprüche von einer tariflichen Ausschlußklausel jedenfalls dann nicht erfaßt, wenn sich die Klausel keine ausdrückliche Rückwirkung beimißt (so mit näherer Begründung die zur Veröffentlichung vorgesehene Entscheidung des Senats vom 26. September 1990 – 5 AZR 218/90 –, zu II der Gründe). § 70 BAT kennt jedoch keine rückwirkende Anwendbarkeit.

3. Da eine unmittelbare Geltung des § 70 BAT für die streitbefangene Zeit schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil § 3 Buchst. q BAT in der bis zum 31. Dezember 1987 maßgeblichen Fassung Angestellte mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten von der Tarifgeltung ausschloß, hätten die Parteien die Anwendbarkeit des § 70 BAT vertraglich vereinbaren müssen (wie dies in dem vom Senat am 25. Januar 1989, BAGE 61, 43 = AP, a.a.O., entschiedenen Rechtsstreit der Fall war). Daß dies geschehen sei, ist nicht vorgetragen.

4. Die Klägerin braucht sich schließlich auch nicht entgegenhalten zu lassen, sie wolle zwar die Vorteile der tariflichen Vergütung für sich in Anspruch nehmen, andererseits aber die damit üblicherweise verbundenen Ausschlußregelungen nicht gegen sich gelten lassen. Tarifliche Ausschlußklauseln müssen, wenn sie nicht kraft Tarifgebundenheit der Vertragsparteien gelten, ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung wäre auch für die ursprünglichen Vertragsbeziehungen der Parteien zulässig gewesen. Daß sie für die Klägerin nicht getroffen worden ist, kann nicht zu ihrem Nachteil ausschlagen.

5. Schließlich kann sich das beklagte Land nicht darauf berufen, der Anspruch der Klägerin sei wegen illoyaler Verspätung gemäß § 242 BGB verwirkt. Zur Verwirkung gehört nämlich auch der Umstand, daß dem Schuldner die Erfüllung der verspätet geltend gemachten Forderung nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist. Daß dies der Fall sei, dazu hat das beklagte Land nichts vorgetragen.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Pallas, Fischer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081296

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