Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines DDR-Tarifvertrages – Sozialvereinbarung –. Aufgaben- und Personalübergang kraft Hoheitsakt auf eine andere Dienststelle des Ministeriums des Innern der DDR. Übergang der Dienststelle gem. Art. 13 EV
Leitsatz (amtlich)
Normenkette
Verf.-DDR Art. 79-80; Gesetz über den Ministerrat der DDR vom 16. Oktober 1972 (GBl I S. 253) §§ 10, 14; EGBGB Art. 232; ZGB DDR § 55; ZGB DDR § 11 Abs. 3; AGB-DDR 1977 § 10
Verfahrensgang
LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 01.07.1993; Aktenzeichen 4 Sa 218/92) |
ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 05.10.1992; Aktenzeichen 5 Ca 352/91) |
Tenor
- Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 1. Juli 1993 – 4 Sa 218/92 – aufgehoben.
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 5. Oktober 1992 – 5 Ca 352/91 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung einer Abfindung aus der “Vereinbarung zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer im Bereich des Ministeriums des Innern, der Deutschen Volkspolizei sowie der Organe Feuerwehr und Strafvollzug, die von Rationalisierungsmaßnahmen betroffen sind – Sozialvereinbarung -”, abgeschlossen am 30. Juli 1990 zwischen dem Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik Ministerium des Innern und dem Zentralvorstand der Gewerkschaft der Volkspolizei sowie dem Zentralvorstand der Gewerkschaft Öffentliche Dienste.
Der am 26. August 1941 geborene Kläger, nach seinen Personalakten Gewerkschaftsmitglied seit 1967, war seit 1. Januar 1985 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 21. Dezember 1984 als “Referent für Lagerwirtschaft” bei der Dienststelle “Bau-Investitionen und Rekonstruktionen (BIR)” am Arbeitsort R… beschäftigt. Diese Dienststelle mit Sitz in Halle war dem Ministerium des Innern direkt unterstellt. Sie war zuständig für die Bauunterhaltungsmaßnahmen für Liegenschaften der Deutschen Volkspolizei.
Mit “Befehl Nr. 17/90” des Ministers für Innere Angelegenheiten über Stellung, Aufgaben und Struktur der Dienststelle Bau-Investitionen und Rekonstruktionen (BIR) vom 5. März 1990 wurde u. a. die Dienststelle BIR als eine dem Ministerium für Innere Angelegenheiten unmittelbar nachgeordnete Dienststelle mit Wirkung zum 1. Juli 1990 aufgelöst. Der Personalbestand, bauliche Grundfonds und Bestände an Ausrüstungen und Materialien der Dienststelle BIR waren entsprechend der bisherigen aufgabenbezogenen Dislokation der Kräfte und Mittel umzustrukturieren und dezentral zu unterstellen. Die Kapazitäten der Dienststelle BIR im Territorialbereich Halle und Leipzig waren der Bezirksbehörde der Volkspolizei (BDVP) Halle zuzuordnen und dem Stellvertreter des Chefs und Leiter der Versorgungsdienste der BDVP Halle mit der Bezeichnung Bau-Instandsetzungsbereich Halle zu unterstellen. Die Kapazitäten der Dienststelle BIR im Territorialbereich Berlin – Hauptstadt der DDR – waren der Versorgungseinrichtung Berlin zuzuordnen und dem Leiter der Versorgungseinrichtung Berlin mit der Bezeichnung Bau-Instandsetzungsbereich Berlin zu unterstellen.
Die Bau-Instandsetzungsbereiche Halle und Berlin erfüllen Bauaufgaben in Eigenleistungen im Rahmen der Reproduktion der baulichen Grundfonds des Ministeriums für Innere Angelegenheiten. Die Erarbeitung der Strukturdokumente für die Bau-Instandsetzungsbereiche Halle und Berlin hatte auf der Grundlage des bestätigten und freigegebenen Planstellenvolumens sowie des bisherigen Lohnfonds der Dienststelle BIR zu erfolgen. Die Strukturdokumente waren bis zum 30. April 1990 zur Bestätigung vorzulegen. Bei notwendigen Freisetzungen von Mitarbeitern der Dienststelle BIR infolge von Veränderungen der Struktur war deren Eingliederung in die Volkswirtschaft bis zum 30. Juni 1991 abzuschließen.
Im Zusammenhang damit wurde ein Stellenplan vom 26. April 1990 für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis 31. Dezember 1990 für den Bau-Instandsetzungsbereich Halle (BIH) beschlossen, der auch entsprechend vom Ministerium bestätigt wurde. Danach sollten in der neuen Dienststelle (BIH) 474 Planstellen vorhanden sein, weniger als zuvor bei der BIR vorhanden waren.
Die BIR wurde zum 1. Juli 1990 aufgelöst.
Mit Schreiben vom 29. Juni 1990 kündigte die BIR das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. September 1990 mit der Begründung, daß eine unbefristete Tätigkeit in der Dienststelle nicht mehr möglich sei.
Ob der Kläger nach der Auflösung der BIR für den BIH tätig wurde oder weiterhin Abwicklungsarbeiten für die BIR machte und der BIH nur treuhänderisch das Arbeitsverhältnis abwickelte, ist zwischen den Parteien streitig.
Im Sozialversicherungsausweis des Klägers wurde der Kläger vom 1. Januar 1990 bis 30. Juni 1990 von der BIR geführt, vom 1. Juli 1990 bis zum 30. September 1990 von dem BIH.
Die BDVP unterstand am 1. Juli 1990 ebenfalls dem Ministerium des Innern. In der BDVP waren ursprünglich Polizei, Strafvollzug, Transportpolizei und Feuerwehr strukturell und funktionell zugeordnet. Sie war die für die bezirklichen Aufgaben zuständige Behörde. Der BIH, der der BDVP Halle unterstellt war, verrichtete jedoch keine konkreten Aufgaben für die BDVP, sondern Aufgaben, die dieser Einrichtung durch das ehemalige MdI übertragen worden waren.
Der BIH stellte am 31. Dezember 1990 seine Tätigkeit ohne Rechtsnachfolger ein. Ebenso wurde die BDVP zum 17. Februar 1991 ohne Rechtsnachfolger aufgelöst im Zuge der verwaltungsmäßigen Anpassung an den bundesdeutschen Verwaltungsaufbau.
Durch Schreiben vom 7. Februar 1991 des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt wurde mitgeteilt, daß das Landeskabinett in seiner Sitzung vom 29. Januar 1991 die neue Polizeiorganisation für das Land Sachsen-Anhalt beschlossen habe, die landesweit am 1. März 1991 in Kraft treten solle. Auf dieser Grundlage seien die Bezirksbehörden der Polizei in Halle und Magdeburg mit Ablauf des 17. Februar 1991 für aufgelöst erklärt.
Zuvor waren Überlegungen angestellt worden, den BIH zu erhalten und in eine GmbH umzuwandeln. In diesem Zusammenhang ging es auch um die Liegenschaft der Dienststelle R…, die jedoch nach Streit mit dem Bundesminister des Innern und nach Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch Entscheidung der Vermögenszuordnungsgruppe Halle vom 11. März 1992 dem Bund zugeordnet wurde.
Der Kläger war nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zunächst arbeitslos.
Am 30. Juli 1990 war zwischen dem Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik Ministerium des Innern, vertreten durch den Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Minister des Innern Dr.… und dem Zentralvorstand der Gewerkschaft der Polizei sowie dem Zentralvorstand der Gewerkschaft Öffentliche Dienste die Sozialvereinbarung geschlossen worden. Nach dieser Sozialvereinbarung stehen Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, der Organe Feuerwehr und Strafvollzug, Zivilbeschäftigten im Geltungsbereich des Rahmenkollektivvertrages für die Zivilbeschäftigten des Ministeriums des Innern, der Deutschen Volkspolizei und der Organe Feuerwehr und Strafvollzug des Ministeriums des Innern vom 25. Mai 1976 (Reg.-Nr. 64a/76) sowie Lehrlingen, mit denen von den Dienststellen, Einrichtungen und Betrieben des Ministeriums des Innern ein Lehrvertrag abgeschlossen wurde, Abfindungen für den Fall zu, daß diese Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen auf Veranlassung des Arbeitgebers im gegenseitigen Einvernehmen oder aufgrund einer Kündigung durch den Arbeitgeber oder auf eigene Initiative des Arbeitnehmers aus dem Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis ausscheiden und arbeitslos i. S. des Arbeitsförderungsgesetzes werden, entsprechend der Tabelle.
Dieser Vereinbarung hat weder der Ministerrat der DDR zugestimmt noch der Finanzminister der DDR noch ist eine nachträgliche Genehmigung erfolgt.
Durch Beschluß des Ministerrates 574/90 (13/25/90) vom 20. Juni 1990 war festgelegt worden zur Koordinierung von Regelungen zu den Beschäftigungsbedingungen in der öffentlichen Verwaltung, daß alle Regelungen tarifvertraglicher und sonstiger Art, die die Rechtsverhältnisse der Mitarbeiter in den zentralen und örtlichen Staatsorganen, in den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, in den Gerichten sowie in anderen staatlichen und kommunalen Verwaltungen, die aus öffentlichen Haushalten finanziert werden, betreffen, vor ihrem Abschluß mit den Gewerkschaften bzw. vor ihrem Inkrafttreten der Zustimmung des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik bedürfen.
Mit Antrag vom 23. Juli 1990 hatte der Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Minister des Innern Dr.… dem Minister der Finanzen mitgeteilt, daß er beabsichtige, im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit u. a. Maßnahmen zur sozialen Absicherung bei notwendigen Entlassungen von Angehörigen und Zivilbeschäftigten zu treffen, wobei die Maßnahmen die Zahlung von Überbrückungsgeld sowie von differenzierten Abfindungen entsprechend der Beschäftigungsdauer umfaßten. Diese Maßnahmen erforderten einen finanziellen Aufwand im 2. Halbjahr 1990 von 15 Millionen DM. Die durch diese Maßnahmen entstehenden Mehraufwendungen sollten durch Umschichtungen des bewilligten kassenmäßigen Bedarfs verfügbar gemacht werden.
Der Minister der Finanzen teilte mit Schreiben vom 27. Juli 1990 mit, daß eine Entscheidung des Antrags des Ministers des Innern durch ihn nicht erfolgen könne, da eine Erhöhung der Personalausgaben eintrete. Er sei der Auffassung, daß es sich bei den vom Minister des Innern beabsichtigten Maßnahmen um Maßnahmen tarifvertraglicher oder sonstiger Art i. S. des Beschlusses des Ministerrates vom 20. Juni 1990 handele und es daher angeraten sei, die Zustimmung des Ministerrats zu erwirken.
Mit Schreiben ohne Datum der Bau-Investitionen und Rekonstruktionen Dienststelle des Ministeriums des Innern Sitz Halle BIR mit dem maschinenschriftlich angebrachten Zusatz “Bau-Instandsetzungsbereich der BDVP Halle – AG Personalangelegenheiten/ Bildung -” wurde dem Kläger unter Bezugnahme auf die Sozialvereinbarung vom 30. Juli 1990 mitgeteilt, daß er “auf der Grundlage o. g. Vereinbarung” bei bescheinigter Arbeitslosigkeit durch das Arbeitsamt eine Gesamtabfindung i. H. von 14.460,84 DM erhalte, und zwar in monatlichen Raten von 1.205,07 DM für die Dauer von zwölf Monaten.
Der Betrag von 1.205,07 DM macht das letzte Netto-Entgelt des Klägers aus.
Weiter heißt es in diesem Schreiben:
“Mit Schreiben des Chefs der BDVP Halle vom 19. Juni 1990 an den Leiter des Bau-Instandsetzungsbereiches Halle wurde festgelegt, daß die mit der DS BIR abgeschlossenen Arbeitsverträge ohne Einschränkung von der BDVP Halle übernommen werden.
Daher sind finanzielle Ansprüche nach Auflösung des Bau-Instandsetzungsbereiches Halle an die BDVP Halle als Rechtsnachfolger zu stellen.”
Mit einem weiteren Schreiben ohne Datum der Bau-Investitionen und Rekonstruktionen Dienststelle des Ministeriums des Innern Sitz Halle BIR mit dem maschinenschriftlich angebrachten Zusatz “Bau-Instandsetzungsbereich der BDVP Halle – AG Personalangelegenheiten/Bildung -” wurde dem Kläger ebenfalls unter Bezugnahme auf die Sozialvereinbarung mitgeteilt, daß entsprechend der Mitteilung des Bundesministers des Innern vom 10. September 1990 und einem Fernschreiben des Chefs der BDVP Halle vom 27. September 1990 die Sozialvereinbarung ab 1. Oktober 1990 ihre Gültigkeit verliere und damit alle erworbenen Ansprüche zur Zahlung von Überbrückungsgeld, Abfindungen, Ausgleichsbeträgen und Versorgungsbeträgen erlöschten.
Mit seiner am 24. Juli 1990 beim Kreisgericht der Stadt Halle (Saale) eingegangenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung, daß die mit Schreiben vom 29. Juni 1990 ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, und begehrte darüber hinaus die Zahlung einer Abfindung gem. § 10 KSchG vom 1. Juli 1990. Mit seinem am 27. Dezember 1990 eingegangenen Schriftsatz hielt der Kläger den Feststellungsantrag aufrecht, begehrte hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung i. H. von 14.460,84 DM nebst Zinsen aus der “Sozialvereinbarung vom 30. Juli 1990”. In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Halle vom 13. Juli 1992 nahm der Kläger den Feststellungsantrag zurück und verfolgte nur noch den Anspruch auf Zahlung einer Abfindung.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm eine Abfindung gem. der Sozialvereinbarung zustehe.
Das beklagte Land sei passiv legitimiert. Die BIR sei mit Wirkung vom 1. Juli 1990 in den BIH sowie in den BIB (Bau-Instandsetzungsbereich Berlin) umgewandelt worden und der jetzigen Behörde der Deutschen Volkspolizei unterstellt worden. Der BIH habe vorwiegend Aufgaben auf dem Territorium des nunmehr entstandenen Landes Sachsen-Anhalt erfüllt. Mit der Umwandlung sei auch die direkte Unterstellung unter das Ministerium des Innern der DDR entfallen. Sein Arbeitsverhältnis sei damit auf den BIH übergegangen, da der BIH Länderaufgaben erfüllt habe. Da die BIR als Einrichtung als Ganzes auf den BIH übergegangen sei, lediglich eine neue Unterstellung erfahren habe, sei er Arbeitnehmer des BIH geworden. Da der BIH Länderaufgaben erfüllt habe, sei nunmehr das Land Sachsen-Anhalt Rechtsnachfolger dieser Dienststelle geworden und müsse für die entstandenen Ansprüche einstehen.
Er erfülle die Voraussetzungen der Sozialvereinbarung. Sein Arbeitsverhältnis sei zum 30. September 1990 vor dem Beitritt der DDR zu Ende gegangen, so daß der Anspruch noch vor dem 3. Oktober 1990 entstanden sei. Der Einigungsvertrag habe deshalb keinen Einfluß auf den bereits entstandenen Anspruch. Die Sozialvereinbarung, die einen Tarifvertrag darstelle, sei ordnungsgemäß zustande gekommen.
Im übrigen sei ihm eine ausdrückliche Zusage mit dem Schreiben der BIR wegen der Abfindung gegeben worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung i. H. von 14.460,84 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, daß eine Rechtsbeziehung zum beklagten Land mit dem Kläger nicht entstanden sei. Der Kläger sei bei der BIR beschäftigt gewesen. Zwar sei durch Befehl vom 5. März 1990 eine Übernahme der BIR auf den BIH erfolgt, jedoch nur in der Weise wie dieses durch den Stellenplan vom 26. April 1990 beschlossen gewesen sei. Die Entscheidung über die Überführung und Abwicklung von BIR und BIH sei noch vor der Einheit getroffen worden, wie sich aus dem Stellenplan vom 26. April 1990 ergebe. Auf den BIH könnten nur die Arbeitsverhältnisse übergegangen sein, die im Stellenplan aufgeführt gewesen seien. Dem Kläger sei gekündigt worden, weil eine Übernahme zum BIH nicht habe erfolgen sollen. Damit sei das Arbeitsverhältnis bei der BIR und damit beim MdI verbleiben.
Die Entlohnung des Klägers während der Kündigungsfrist bis zum 30. September 1990 sei über die BDVP gelaufen, über Konten der ehemaligen Dienststelle BIR des MdI. Die BDVP habe für die gekündigten Arbeitnehmer nur die treuhänderische Verwaltung vorgenommen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Im übrigen verstoße die Sozialvereinbarung gegen § 13 Abs. 3 i. V. mit § 15 Abs. 2 des Haushaltsgesetzes 1990 der DDR. Außerdem sei der Anspruch auf Abfindung mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 erloschen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Abfindung aus der “Vereinbarung zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer im Bereich des Ministeriums des Innern, der Deutschen Volkspolizei sowie der Organe Feuerwehr und Strafvollzug, die von Rationalisierungsmaßnahmen betroffen sind – Sozialvereinbarung -” vom 30. Juli 1990.
I. Die Sachverpflichtung (Passivlegitimation) des beklagten Landes ist – zumindest auch – gegeben.
1. Der etwaige Anspruch des Klägers aus der “Sozialvereinbarung” richtet sich – zumindest auch – gegen das Land Sachsen-Anhalt als Rechtsnachfolger.
a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei am 1. Juli 1990 auf den BIH übergegangen. Der Minister für innere Angelegenheiten habe hinsichtlich der BIR zwei Teilbereiche gebildet, diese örtlich abgegrenzt und eine Teileinrichtung an den BIB, die andere an den BIH verfügt. Damit seien die Teilbereiche einschließlich der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse übergegangen. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits vor dem Beitritt der DDR – 3. Oktober 1990 – mit Ablauf des 30. September 1990 geendet habe, habe es nicht mehr gem. dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – (EV) auf das beklagte Land übergehen können. Das beklagte Land sei aber Rechtsnachfolger des BIH oder der BDVP, was sich aus Art. 13 EV i. V. mit § 22 LändereinführungsG ergebe.
b) Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Zum MdI gehörte u. a. die Dienststelle Bau-Investitionen und Rekonstruktionen (BIR). Aufgabe dieser Dienststelle war die Planung und Durchführung von Bauarbeiten aller Art an Dienststellen des Ministeriums, u. a. für Liegenschaften der Deutschen Volkspolizei. Mit dem Befehl Nr. 17/90 vom 5. März 1990 wurde die Dienststelle Bau-Investitionen und Rekonstruktionen (BIR) aufgespalten in den Bau-Instandsetzungsbereich Halle (BIH) und den Bau-Instandsetzungsbereich Berlin (BIB). Der Bau-Instandsetzungsbereich Halle (BIH) wurde dem Stellvertreter des Chefs und Leiter der Versorgungsdienste der BDVP Halle unterstellt. Zwar wurde die Dienststelle BIR per 1. Juli 1990 aufgelöst, aber der Betrieb nicht eingestellt. Vielmehr wurden die Kapazitäten der Dienststelle BIR im Territorialbereich Halle und Leipzig und ihre Aufgaben der BDVP Halle zugeordnet und ihr unter der Bezeichnung BIH unterstellt. Damit erlangte zu diesem Zeitpunkt der BIH bzw. die BDVP Halle die tatsächliche Herrschaft über die sächlichen Mittel und ihnen oblag die Erledigung der anfallenden Aufgaben. Auf den BIH bzw. die BDVP Halle sind damit auch die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse übergegangen, mithin auch das des Klägers – im gekündigten Zustand –. Das folgt allerdings nicht aus dem ab 1. Juli 1990 in Kraft getretenen § 59a AGB-DDR, weil diese – § 613a BGB nachgebildete – Bestimmung nicht anwendbar ist, wenn der Betriebsübergang auf Gesetz oder Hoheitsakt beruht. Der Befehl vom 5. März 1990 ist aber sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach seinem Sinn und Zweck wie nach dem Zusammenhang der in dem Befehl enthaltenen Regelungen dahin auszulegen, daß die Arbeitnehmer, deren Aufgaben übergegangen sind, bei den betreffenden Bereichen mit ihren bisherigen Aufgaben zu beschäftigen sind. Denn in Ziff. 2 Abs. (1) des Befehls heißt es, der Personalbestand, die baulichen Grundfonds und die Bestände an Ausrüstungen und Materialien der BIR sind entsprechend der bisherigen aufgabenbezogenen Dislokation der Kräfte und Mittel umzustrukturieren und dezentral zu unterstellen. Der Personalbestand, die baulichen Grundfonds und die Bestände an Ausrüstungen und Materialien werden nach der in Ziff. 2 Abs. (1) des Befehls “nachfolgend Kapazitäten der Dienststelle BIR genannt”. Wenn dann nach Ziff. 2 Abs. (2) des Befehls “die Kapazitäten” der Dienststelle BIR im Territorialbereich Halle und Leipzig der BDVP Halle zuzuordnen und dem Stellvertreter des Chefs und Leiter der Versorgungsdienste der BDVP Halle mit der Bezeichnung “Bau-Instandsetzungsbereich Halle” zu unterstellen sind, wird deutlich, daß die Arbeitnehmer, deren Aufgaben auf den BIH übergegangen sind, nunmehr zu dem BIH oder zu der BDVP Halle gehören. Das gilt auch für den Kläger, der in R…, also im Territorialbereich Halle der Dienststelle BIR tätig war. Er war daher von dem BIH oder der BDVP Halle zu beschäftigen. Dem entspricht es, daß der Personalbestand, die baulichen Grundfonds und die Bestände an Ausrüstungen und Materialien der Dienststelle BIR im Territorialbereich Berlin – Hauptstadt der DDR –, also “die Kapazitäten” der BIR in Berlin nach Ziff. 2 Abs. (3) des Befehls der Versorgungseinrichtung Berlin zuzuordnen und dem Leiter der Versorgungseinrichtung Berlin mit der Bezeichnung Bau-Instandsetzungsbereich Berlin zu unterstellen waren. Nach Ziff. 3 Abs. (1) des Befehls erfüllen die Bau-Instandsetzungsbereiche Halle und Berlin Bauaufgaben in Eigenleistungen im Rahmen der Reproduktion der baulichen Grundfonds des Ministeriums für Innere Angelegenheiten (MfIA). Das zeigt, daß die bisherigen Aufgaben der BIR territorialbezogen auf den BIH oder den BIB übergegangen sind. Zwar sind nach Ziff. 4 Abs. (1) die Strukturdokumente für den BIH und den BIB “auf der Grundlage des bestätigten und freigegebenen Planstellenvolumens sowie des bisherigen Lohnfonds der Dienststelle BIR zu bearbeiten und bis zum 30. April 1990 … vorzulegen”. Nach Ziff. 4 Abs. (2) des Befehls ist bei notwendigen Freisetzungen von Mitarbeitern der BIR infolge von Veränderungen der Struktur deren Eingliederung in die Volkswirtschaft bis zum 30. Juni 1991 abzuschließen. Das ändert aber nichts daran, daß mit Wirkung vom 1. Juli 1990 die an diesem Tage bei der BIR beschäftigten Arbeitnehmer – gleich ob in gekündigter Stellung oder nicht – nunmehr von dem BIH oder der BDVP Halle oder vom BIB oder von der Versorgungseinrichtung Berlin zu beschäftigen und zu vergüten waren, mag die Bezahlung der Vergütungen auch aus Mitteln mit Wirkung vom 1. Juli 1990 aufgelösten BIR erfolgen oder erfolgt sein.
c) Im übrigen ist das Arbeitsverhältnis des Klägers nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts auf den BIH oder die BDVP Halle übergegangen. Denn bei Auflösung von Behörden und Aufgabenübergang auf eine andere Dienststelle ist für die Übernahme des Personals der Umfang der übergegangenen Aufgaben maßgebend, der sich aus der Zahl der Mitarbeiter ergibt, die die übergangenen Aufgaben voll wahrgenommen haben. Der Aufgabenübergang führt zum Übergang der Arbeitsverhältnisse, soweit die Mitarbeiter mit den Aufgaben befaßt waren (offengelassen von BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Nr. 1 zu Saarland UniversitätsG; vgl. im übrigen zur Funktionsnachfolge BAG Urteile vom 17. Oktober 1957 – 2 AZR 65/55 –, vom 20. März 1958 – 2 AZR 247/55 –, vom 27. Januar 1961 – 5 AZR 187/60 – AP Nr. 1, 2, 3 zu § 419 BGB Funktionsnachfolge). Für den Bereich der ehemaligen DDR gilt entsprechendes jedenfalls seit dem Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990, der mit dem 30. Juni 1990 in Kraft getreten ist. Das Bekenntnis der Vertragspartner in Art. 2 zur freiheitlichen, demokratischen und sozialen Grundordnung i. S. des Grundgesetzes bezieht sich auch auf die in Art. 33 GG vorgegebenen Strukturen des öffentlichen Dienstes und auf das im Grundgesetz bewirkte Sozialstaatsgebot. Dazu gehört, daß die Übertragung von räumlich und organisatorisch abgrenzbaren Funktionseinheiten, mit denen arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden, auf andere Dienststellen den Übergang der Arbeitsverhältnisse zur Folge hat. Denn das Sozialstaatsprinzip gebietet, daß bei Aufgabenübergang auf einen anderen Träger die Arbeitsverhältnisse der zur Erreichung der Aufgaben Beschäftigten unberührt bleiben.
Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger im “Stellenplan Bau-Instandsetzungsbereich Halle” gültig ab 1. Juli 1990 bis 31. Dezember 1990 nicht aufgeführt ist. Dem Kläger war bereits am 29. Juni 1990 zum 30. September 1990 gekündigt worden, so daß es nicht mehr geboten war, ihn in dem Stellenplan, der die Zeit bis 31. Dezember 1990 abdeckt, aufzuführen. Im übrigen ergibt sich der Übergang des Arbeitsverhältnisses unabhängig von dem Stellenplan aus dem Befehl selbst und aus den genannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen.
d) Die Revision rügt, die BDVP sei nicht Rechtsnachfolgerin der BIR geworden, die nach Befehl Nr. 17/90 mit Wirkung vom 1. Juli 1990 aufgelöst worden sei. Richtig ist, daß die BDVP nicht Rechtsnachfolgerin der BIR geworden ist. Davon ist das Landesarbeitsgericht auch nicht ausgegangen. Es hat vielmehr der Sache nach ausgeführt, daß nach dem 1. Juli 1990 das Arbeitsverhältnis auf den BIH übergegangen ist.
e) Fehl geht der Hinweis der Revision, es sei weder Wille des BIH noch der BDVP gewesen, mit dem Kläger ein neues Arbeitsverhältnis zu gründen noch das mit der BIR noch bestehende über den 30. September 1990 hinaus fortzusetzen. Es geht lediglich darum, ob das per 30. September 1990 gekündigte Arbeitsverhältnis auf den BIH bzw. auf die HDVP Halle übergegangen ist. Und das ist der Fall, wie ausgeführt. Dafür spricht auch das Schreiben des Bau-Instandsetzungsbereichs Halle (BIH) vom 11. Juli 1990, nach dem dem Kläger ab 1. Juli 1990 ein um 70,00 DM erhöhtes Grundgehalt gezahlt wird. Dafür steht im übrigen auch das nicht datierte Schreiben der BIR mit dem maschinenschriftlichen Zusatz “Bau-Instandsetzungsbereich der BDVP Halle …” an den Kläger. Es heißt dort, daß mit Schreiben des Chefs der BDVP Halle vom 19. Juli 1990 an den Leiter des Bau-Instandsetzungsbereichs Halle, also des BIH, festgelegt wurde, daß die mit der Dienststelle BIR abgeschlossenen Arbeitsverträge ohne Einschränkung von der BDVP Halle übernommen werden und daß alle finanziellen Ansprüche nach Auflösung des BIH an die BDVP Halle als Rechtsnachfolger zu stellen sind. Außerdem hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß im Sozialversicherungsausweis des Klägers der Kläger vom 1. Januar 1990 bis 30. Juni 1990 von der BIR geführt wurde und vom 1. Juli 1990 bis 30. September 1990 von dem BIH.
2. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, da das Arbeitsverhältnis des Klägers vor dem Beitritt der DDR bereits am 30. September 1990 geendet habe, habe es nicht mehr gem. dem Einigungsvertrag auf das beklagte Land übergehen können.
a) Der Revision ist zuzugeben, daß das Arbeitsverhältnis nicht mehr auf das beklagte Land übergehen konnte, da das Arbeitsverhältnis bereits vor Bildung des Landes Sachsen-Anhalt – mit Wirkung ab 14. Oktober 1990 – mit Ablauf des 30. September 1990 geendet hatte.
Entscheidend ist aber, ob gegen den BIH oder gegen die BDVP Halle bestehende Ansprüche nunmehr gegen das beklagte Land – zumindest auch – geltend gemacht werden können.
Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend bejaht.
Denn der BIH oder die BDVP ist zumindest, soweit im Lande Sachsen-Anhalt belegen, auf das beklagte Land übergegangen.
Das Landesarbeitsgericht hat insoweit fehlerfrei ausgeführt, der BIH oder die BDVP seien gem. Art. 13 EV auf das Land Sachsen-Anhalt übergegangen. Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes unterstünden die Polizeiaufgaben wie sie vom BIH durchgeführt worden seien einschließlich der Baumaßnahmen für derartige Behörden dem Land. Diese Zuordnung werde vom beklagten Land ebenfalls so gesehen, wie sich aus der Protokollerklärung vom 6. Dezember 1990 des BIH ergebe und auch aus der Auflösungsentscheidung betreffend den BIH sowie die BDVP gem. dem Schreiben des beklagten Landes vom 7. Februar 1991.
b) Die Revision rügt, weder die BIR noch der BIH hätten polizeiliche Aufgaben wahrgenommen, die tatsächlich durch die BIR und durch den BIH ausgeführten Aufgaben seien solche Aufgaben gewesen, die den Gesamtbereich der im ehemaligen Ministerium des Innern untergeordneten Strukturen (Feuerwehr, Strafvollzug u. a.) betroffen hätten und ausschließlich der Erfüllung polizeilicher Maßnahmen gedient hätten.
Dabei wird verkannt, daß der BIH der BDVP Halle zugeordnet war. Wenn der Minister des Innern des beklagten Landes mit Schreiben vom 7. Februar 1991 u. a. die BDVP Halle mit Ablauf des 17. Februar 1991 für aufgelöst erklärt, so wird deutlich, daß diese Dienststelle und damit auch der BIH auf das beklagte Land übergegangen waren.
Dem entspricht es, wenn im Gütetermin vom 6. Dezember 1990 der Vertreter des BIH erklärt, man sei nunmehr der Landesregierung – Dezernat Inneres – unterstellt.
Soweit die Revision vorträgt, darüber hinaus wäre konsequenterweise auch der Freistaat Sachsen passiv legitimiert, folgte man der Ansicht des Landesarbeitsgerichts, da in den BIH Teilbereiche der BIR Leipzig integriert worden seien, so kann das dahinstehen, jedenfalls ist das beklagte Land auch sachverpflichtet (passiv legitimiert).
c) Die Revision trägt weiter vor, die Dienststelle BIR, in der der Kläger beschäftigt gewesen sei, sei durch Vermögenszuordnungsbescheid (gemeint ist wohl der vom 11. März 1992, zitiert im Schreiben des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt an die Bezirksregierung Halle vom 23. März 1992) in die Verfügungshoheit des Bundes einschließlich der dort vorhandenen sonstigen Vermögenswerte übergegangen.
Das ist so unzutreffend. Vielmehr ist lediglich die Liegenschaft in der Gemeinde R… am 11. März 1992 dem Bund zugeordnet worden. Soweit es in dem Schreiben des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. März 1992 weiter heißt, entsprechend der Vorgabe nach dem Einigungsvertrag habe der Bund mit sofortiger Wirkung die Dienststelle Bau-Investitionen und Rekonstruktionen (BIR) sowie das Ministerium der Justiz die damalige Strafvollzugsanstalt übernommen, so kann das im Hinblick auf den Befehl Nr. 17/90 vom 5. März 1990 nicht richtig sein. Die BIR war aufgelöst und in den BIH Halle und in den BIH Berlin aufgespalten worden, welch letzterer als Teil der Versorgungseinrichtung Berlin in der Zuständigkeit des Ministeriums des Innern der DDR verblieben war. Wenn etwa die Liegenschaft des BIR bzw. des BIH beim MdI verblieben war und deshalb in das Vermögen des Bundes überführt wurde, so ist das eine Frage der Zuordnung des Vermögens und nicht eine Frage der Haftung für Ansprüche aus einem vor dem Beitritt der DDR und vor der Bildung des Landes Sachsen-Anhalt beendeten mit einer später vom Land übernommenen Dienststelle bestehenden Arbeitsverhältnis.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in der geltend gemachten Höhe aus der Sozialvereinbarung vom 30. Juli 1990.
Die als Tarifvertrag anzusehende Sozialvereinbarung ist unwirksam.
1. Die Sozialvereinbarung vom 30. Juli 1990 ist ein Tarifvertrag.
Sie ist zwischen dem Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik auf der einen und zwei Gewerkschaften auf der anderen Seite abgeschlossen worden. Sie ist damit ein privatrechtlicher Vertrag zwischen tariffähigen Parteien und daher ein Tarifvertrag.
Die unmittelbare Geltung dieses Tarifvertrages setzt auf der Seite des Klägers die Mitgliedschaft zu einer der tarifvertragsschließenden Gewerkschaften zum Zeitpunkt des Abschlusses voraus. Davon ist auszugehen, nachdem der Kläger nach den Personalakten seit 1967 Gewerkschaftsmitglied ist.
2. Der Tarifvertrag, die Sozialvereinbarung vom 30. Juli 1990, ist aber nicht wirksam.
a) Der damalige Minister des Innern und Stellvertreter des Ministerpräsidenten der DDR hat den Tarifvertrag “zwischen dem Ministerrat der DDR Ministerium des Innern” und den Zentralvorständen zweier Gewerkschaften abgeschlossen. Dazu hatte er keine Organvertretungsmacht. Er konnte den Ministerrat allein nicht wirksam vertreten.
Der Ministerrat war gem. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Verf.-DDR ein kollektives Leitungsorgan, das aus dem Vorsitzenden des Ministerrats, den Stellvertretern des Vorsitzenden und den Ministern bestand (Art. 79 Abs. 1 Verf.-DDR). Für die Tätigkeit des Ministerrats tragen alle seine Mitglieder die Verantwortung (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Verf.-DDR). Dem entspricht die Regelung des § 10 des Gesetzes über den Ministerrat der DDR vom 16. Oktober 1972 (GBl DDR I S. 253, 255). Zwar leitet jeder Minister verantwortlich das ihm übertragene Aufgabengebiet (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 Verf.-DDR, § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Ministerrat). Auch war das Ministerium juristische Person und nahm selbständig am Rechtsverkehr teil. Wenn aber ein Tarifvertrag zwischen dem Ministerrat und den Gewerkschaften abgeschlossen wurde und nicht etwa nur zwischen dem Ministerium des Innern, für das der Minister die erforderlichen Entscheidungsbefugnisse besaß (vgl. Verwaltungsrecht, Lehrbuch, 2. Aufl., Staatsverlag der DDR, Berlin 1988, S. 64), so konnte der Minister des Innern allein das Kollegialorgan Ministerrat nicht wirksam vertreten, sondern es bedurfte entweder eines Auftrages des Ministerrats als kollektiv arbeitendes Organ an den einzelnen Minister, den betreffenden Tarifvertrag abzuschließen, oder aber der Zustimmung des Ministerrats. Schließlich verwirklichte der Minister die im Kollektiv getroffenen Entscheidungen in persönlicher Verantwortung. Er allein vermochte den Ministerrat als kollektiv arbeitendes Organ nicht wirksam zu vertreten. Das macht der Beschluß des Ministerrats der DDR 574/90 (13/25/90) vom 20. Juni 1990 deutlich. Danach bedurfte der Abschluß von Tarifverträgen der vorherigen Zustimmung des Ministerrats oder die Tarifverträge durften ohne die Zustimmung des Ministerrats nicht in Kraft treten. Der Ministerrat hat weder vor Abschluß des Tarifvertrages seine Zustimmung erteilt, obwohl der Minister des Innern sich darum bemüht hatte, noch ist das Inkrafttreten des Tarifvertrages von der Zustimmung des Ministerrates abhängig gemacht worden. Auch hat der Ministerrat den vom Minister des Innern abgeschlossenen Tarifvertrag nicht nachträglich genehmigt.
b) Daran ändert auch eine zivilrechtliche Betrachtungsweise nichts. Sie ist bei Tarifverhandlungen oder Tarifabschlüssen geboten. Das deutsche Recht sieht den Tarifvertrag als privatrechtlichen Vertrag an.
Dabei kann dahinstehen, ob hinsichtlich des Abschlusses von Tarifverträgen in der DDR nach dem 30. Juni 1990 die Rechtsgeschäftslehre des BGB gilt oder ob – wie die Revision meint – das Recht der DDR gem. Art. 232 EGBGB insoweit maßgebend ist.
aa) Wendet man das BGB an, ist der Tarifvertrag nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht nicht wirksam. Es fehlt an Anhaltspunkten für einen schuldhaft verursachten Rechtsschein, der dem Ministerrat und damit letztlich dem beklagten Land zuzurechnen wäre.
Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln seines angeblichen Vertreters nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und wenn der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln seines Vertreters (vgl. BAGE 15, 300, 305 f. = AP Nr. 34 zu § 611 BGB Gratifikation) . Bei der Anscheinsvollmacht handelt es sich nicht um einen rechtsgeschäftlichen Tatbestand, sondern um die Zurechnung eines schuldhaft verursachten Rechtsscheins. Das den Rechtsschein einer Bevollmächtigung erzeugende Verhalten muß in der Regel von einer gewissen Häufigkeit oder Dauer sein. Eine Haftung tritt nur ein, wenn der angeblich Vertretene seine Sorgfaltspflicht verletzt hat, wenn er also das vollmachtlose Handeln voraussehen und verhindern konnte. Besteht für den Vertretenen Gesamtvertretung, muß den Gesamtvertretern ein Verschulden zur Last fallen. Der andere Teil muß aber gutgläubig gewesen sein. Er wird nicht geschützt, wenn er den Mangel der Vollmacht kannte oder infolge Fahrlässigkeit nicht kannte. Eine Anscheinsvollmacht liegt daher nicht vor, wenn der Vertreter für den Geschäftsgegner erkennbar seine Vollmacht überschreitet. Sie scheidet auch bei ungewöhnlichen Geschäften in der Regel aus.
Der Ministerrat konnte gerade im Hinblick auf den Beschluß 574/90 (13/25/90) vom 20. Juni 1990 schlechterdings nicht davon ausgehen, daß der Minister des Innern gleichwohl ohne Zustimmung des Ministerrats den Tarifvertrag abschließen würde oder die Wirksamkeit des Tarifvertrages nicht von der Genehmigung des Ministerrats abhängig machen würde. Für Gegenteiliges sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
Außerdem kannten die Zentralvorstände der tarifvertragsschließenden Gewerkschaften entweder den Mangel der Vollmacht oder kannten ihn infolge Fahrlässigkeit nicht. Den Zentralvorständen der tarifvertragsschließenden Gewerkschaften war bekannt, daß der Ministerrat ein Kollegialorgan ist und der einzelne Minister auch als Mitglied des Ministerrats nicht ohne weiteres befugt war, den Ministerrat als Ganzes zu vertreten, jedenfalls mußte ihnen das aufgrund der Verfassungslage der DDR bekannt sein .
bb) Eine sog. Funktionsvollmacht i. S. des § 55 ZGB-DDR i. V. mit § 11 Abs. 3 ZGB-DDR mit der Folge, daß sich das beklagte Land nicht mit Erfolg auf die fehlende Vertretungsbefugnis des damaligen Ministers des Innern und Stellvertreters des Ministerpräsidenten berufen könnte, entfällt schon deswegen, weil das ZGB-DDR auf das Arbeitsrecht und damit auf den Abschluß von Tarifverträgen keine Anwendung findet. Das folgt schon daraus, daß die Ermächtigung zum Abschluß von Rahmenkollektivverträgen im AGB-DDR und nicht im ZGB-DDR geregelt war. Wenn an der Gestaltung der Arbeitsrechtsnormen die Gewerkschaften in vielfältiger Weise mitwirkten (Arbeitsrecht, Lehrbuch, Autorenkollektiv unter Leitung von Kunz und Thiel, Staatsverlag der DDR, 3. Aufl., Berlin 1986, S. 25), wozu auch die Vereinbarung von Rahmenkollektivverträgen gehörte (vgl. § 10 AGB-DDR vom 16. Juni 1977, GBl DDR I S. 185, 188 und Arbeitsrecht, Lehrbuch, aaO, S. 80), dann wird deutlich, daß das ZGB-DDR auf den Tarifvertrag keine Anwendung findet. Das Zivilrecht beschäftigte sich nach dem Verständnis in der DDR mit folgendem: Beziehungen der Bürger zu Betrieben und untereinander zur Befriedigung ihrer materiellen und kulturellen Bedürfnisse, mit den sozialistischen Eigentumsverhältnissen als der ökonomischen Grundlage der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft und aller Bürger, mit den persönlichen Eigentumsverhältnissen der Bürger als dem Ergebnis ihrer für die Gesellschaft geleisteten Arbeit, mit weiteren Beziehungen, an denen die Bürger ebenfalls als Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft, als Staatsbürger, Träger der politischen Macht, Produzenten und Konsumenten teilnehmen und die mit Hilfe des Zivilrechts gestaltet werden können und müssen (Arbeitsrecht, Lehrbuch, aaO, S. 46 f.).
c) Auf einen möglichen Verstoß gegen § 13 Abs. 3 Satz 6, Satz 7 des Haushaltsgesetzes der DDR vom 22. Juli 1990 (GBl DDR I S. 787, 789) oder auf die etwa fehlende Genehmigung des Ministers der Finanzen der DDR gem. § 38 Abs. 1 des Gesetzes über die Haushaltsordnung der Republik vom 15. Juni 1990 (GBl DDR I S. 313, 317), gem. § 10 des Gesetzes über die Grundsätze der Finanzordnung der DDR vom 15. Juni 1990 (GBl DDR I S. 304, 305), gem. § 24 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts der Republik und der Länder in der DDR vom 15. Juli 1990 (GBl DDR I S. 306, 309) kommt es bei dieser Sachlage ebensowenig an wie auf die Frage, ob die einzelnen Voraussetzungen für die begehrte Abfindung nach der Sozialvereinbarung überhaupt vorliegen.
3. Dem Kläger steht auch kein Abfindungsanspruch aufgrund einer Individualzusage zu.
Das nicht datierte Schreiben der BIR mit dem maschinenschriftlichen Zusatz “Bau-Instandsetzungsbereich der BDVP Halle …” enthält keine “ausdrückliche Zusage” wegen der Abfindung, wie der Kläger meint. Die BIR hat damit dem Kläger kein Angebot auf Zahlung einer Abfindung gemacht. Mit diesem Schreiben hat die BIR lediglich mitgeteilt, daß auf der Grundlage der Sozialvereinbarung vom 30. Juli 1990 sich ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung i. H. von 14.460,84 DM ergibt. Die BIR hat demnach die Sozialvereinbarung vom 30. Juli 1990 umsetzen wollen. Dagegen hat sie keinen eigenen Geschäftswillen gehabt, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben. Das wird auch dadurch deutlich, daß sich nach dem Schreiben der BIR bei Kündigung der Vereinbarung vom 30. Juli 1990 die Ansprüche aus den danach gültigen Festlegungen ergeben. Von sich aus hat die BIR keine Abfindung angeboten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. h.c. Schaub, Schneider, Dr. Friedrich, Jansen, Gotsche
Fundstellen
Haufe-Index 856763 |
BAGE, 201 |
BB 1994, 1499 |
BB 1994, 2148 |
NZA 1995, 79 |