Entscheidungsstichwort (Thema)
Heimzulage – Ständige Unterbringung im Fünf-Tage-Internat
Leitsatz (amtlich)
Behinderte Schüler sind auch dann in einem Heim iSd. Protokollnotiz Nr. 1 (Heimzulage) zur Anlage 1 a Teil II Abschn. G für den Bereich des Bundes und der Länder zum BAT (Angestellte im Erziehungsdienst) zum Zwecke der Ausbildung ständig untergebracht, wenn sie an den Wochenenden und während der Schulferien zu ihren Eltern nach Hause fahren (sog. Fünf-Tage-Internat).
Normenkette
BAT Anlage 1a für den Bereich des Bundes und der Länder Teil II Abschn. G Protokollnotiz Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 8. Dezember 1998 – 10 Sa 24/98 – wird zurückgewiesen.
2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Heimzulage.
Die Klägerin ist seit dem 16. August 1991 als Erzieherin bei dem beklagten Land beschäftigt. Sie ist an der „Staatlichen Schule für Körperbehinderte mit Heim E.” tätig. Diesem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 26. August 1991 zugrunde, der unter § 2 folgende Vereinbarung enthält:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich – unbeschadet von § 3 -- nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für Angestellte des Landes geltenden Fassung. Außerdem finden die für Angestellte des Landes jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.”
Die Klägerin ist in die VergGr. V b Fallgr. 5 der Anlage 1 a für den Bereich des Bundes und der Länder Teil II Abschnitt G BAT eingruppiert.
Die Staatliche Schule für Körperbehinderte mit Heim ist eine weiterführende Schule für Körperbehinderte. Ihr ist ein Internat angeschlossen. An der Schule werden etwa 265 Schüler im Alter zwischen 6 und 20 Jahren unterrichtet, von denen etwa 110 im Internat untergebracht sind. Bei den Schülern handelt es sich um körperbehinderte Realschüler sowie um teils mehrfach schwerst körperlich und/oder geistig behinderte Sonderschüler.
Das der Schule angeschlossene Internat ist ein sog. „Fünf-Tage-Internat”, das von montags 12.00 Uhr bis freitags 14.00 Uhr geöffnet ist. An den Wochenenden und während der Schulferien ist es geschlossen. Während dieser Zeiten halten sich die Kinder bei ihren Eltern auf. Im Kalenderjahr 1996 war das Internat an 183 Tagen geöffnet.
Die Internatsschüler nehmen unter der Woche am Unterricht teil, der montags von 9.45 Uhr bis 15.30 Uhr, dienstags, mittwochs und donnerstags von 8.30 Uhr bis 15.30 Uhr und freitags von 8.30 Uhr bis 12.10 Uhr dauert.
Die im Internat untergebrachten Schüler werden von den Betreuern, darunter der Klägerin, in elf Gruppen zu je zehn Personen betreut. Die Tätigkeit der Erzieher umfaßt ua. die Betreuung beim Waschen, Ankleiden und Essen sowie die Betreuung während der Freizeit. Bei geistig behinderten Schülern nimmt der Erzieher auch helfend am Unterricht teil. Die Nachtwache führen drei Krankenschwestern als Dauernachtwachen durch.
Die Klägerin erhielt bis zum 31. Mai 1997 eine sog. Heimzulage in Höhe von monatlich 120,00 DM brutto gem. Protokollnotiz Nr. 1 zum Teil II Abschnitt G der Anlage 1 a für den Bereich des Bundes und der Länder zum BAT (Angestellte im Erziehungsdienst) (im folgenden nur: Protokollnotiz Nr. 1).
Diese Protokollnotiz lautet – soweit hier von Interesse:
„1. Der Angestellte – ausgenommen der Angestellte bzw. Meister im handwerklichen Erziehungsdienst – erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 120,00 DM monatlich, wenn in dem Heim überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG oder Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zweck der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind; sind nicht überwiegend solche Personen ständig untergebracht, beträgt die Zulage 60,00 DM monatlich.”
Diese Heimzulage wurde durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg mit Wirkung ab 1. Juni 1997 deshalb eingestellt, weil das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des beklagten Landes die Ansicht vertritt, die in dem Internat lebenden Schüler seien dort nicht „ständig untergebracht” iSd. Protokollnotiz Nr. 1.
Die Klägerin meint, einer „ständigen Unterbringung” im Tarifsinne stehe nicht entgegen, daß die Schüler des sog. „Fünf-Tage-Internats” während der Ferien und an den Wochenenden zu ihren Eltern nach Hause führen. Ihr alltäglicher Lebensmittelpunkt bleibe dennoch während ihrer Schulausbildung das Internat.
Deshalb nimmt die Klägerin das beklagte Land auf Weitergewährung der Heimzulage in Anspruch.
Die Klägerin hat beantragt,
es wird festgestellt, daß das beklagte Land über den 1. Juni 1997 hinaus verpflichtet ist, an sie eine monatliche Heimzulage gemäß der Protokollnotiz Nr. 1 der Anlage 1 a Teil II Abschnitt G zum BAT für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst in Höhe von derzeit 120,00 DM brutto zu zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
Es meint, Voraussetzung dafür, daß das Internat als Heim iSd. Protokollnotiz Nr. 1 angesehen werden könne, sei, daß der Lebensmittelpunkt der dort lebenden Schüler auf dieses Internat bezogen sei. Das sei aber deshalb nicht der Fall, weil der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen der Schüler nach wie vor zu Hause bei ihren Eltern liege. Auch seien die Schüler in dem Internat nicht „ständig” untergebracht.
Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und im Urteil die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Der Klägerin steht die Heimzulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Die Klägerin arbeite in einem Heim iSd. Protokollnotiz. Unter Heim verstehe man einen Ort, an dem jemand lebt und zu dem er eine gefühlsmäßige Bindung hat. In diesem Sinne sei das der Staatlichen Schule für Körperbehinderte angeschlossene Internat, in dem die Klägerin tätig sei, als gemeinschaftliche Wohnstätte für die dort untergebrachten Schüler ein „Heim”. Diese seien dort auch im Tarifsinne „ständig” untergebracht. Obwohl sie an den Wochenenden und während der Ferien zu ihren Eltern nach Hause führen, sei für die Schüler das Heim der Lebensmittelpunkt. Dem Begriff der „Ständigkeit” stehe die vorübergehende Abwesenheit der Schüler vom Heim nicht entgegen.
II. Dem Landesarbeitsgericht ist sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis zu folgen. Zutreffend ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Heimzulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 erfüllt.
1. Die Klägerin ist in einer „vergleichbaren Einrichtung (Heim), in der überwiegend Behinderte iSd. § 39 BSHG oder Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind”, tätig.
a) Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff „vergleichbare Einrichtung (Heim)” iSd. Protokollnotiz Nr. 1 nicht so definiert, wie sie es mit dem in derselben Protokollnotiz verwendeten Begriff „Erziehungsheim” getan haben. Die Protokollnotiz Nr. 3 enthält folgende Begriffbestimmung:
„Erziehungsheime sind Heime, in denen überwiegend behinderte Kinder oder Jugendliche im Sinne des § 39 BSHG oder Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten ständig untergebracht sind.”
Um ein solches Erziehungsheim handelt es sich bei dem Internat der „Staatlichen Schule für Körperbehinderte mit Heim”, in welchem die Klägerin tätig ist, nicht. Da die Bewohner des Internats in diesem leben, um die Schule besuchen zu können, sind sie dort zum Zwecke der Ausbildung untergebracht, so daß nur das speziellere Tatbestandsmerkmal „vergleichbare Einrichtung (Heim)” iSd. Protokollnotiz Nr. 1 einschlägig sein kann, weil dieses Heime erfaßt, in denen Behinderte, Kinder oder Jugendliche „zum Zwecke der Ausbildung” untergebracht sind. Aus dem gleichen Grunde handelt es sich bei dem Internat auch nicht lediglich um ein „Kinder- oder Jugendwohnheim” iSd. Protokollnotiz Nr. 1.
b) Mit überzeugender Begründung ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß es sich bei diesem Internat um ein „Heim” iSd. Protokollnotiz Nr. 1 handelt. Was die Tarifvertragsparteien unter einem Heim verstehen, ist durch Auslegung des Tarifvertrages und der dazu vereinbarten Protokollnotizen zu ermitteln.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen berücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhanges der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhanges als den stets und in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auch auf weitere Kriterien, wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden, wobei es für die Gerichte eine Bindung an eine bestimmte Reihenfolge bei der Heranziehung dieser weiteren Auslegungsmittel nicht gibt. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; dabei gebührt im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG 20. April 1994 – 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11 mwN).
c) Legt man diese Auslegungsgrundsätze zugrunde, so ist zunächst vom Wortlaut der Protokollnotiz Nr. 1 auszugehen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter einem „Heim” eine Wohnung, einen Haushalt bzw. einen Ort, an dem jemand lebt und zu dem er eine gefühlsmäßige Bindung hat (st. Rspr.; vgl. BAG 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – BAGE 73, 191; 20. April 1994 – 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11; 25. Januar 1995 – 10 AZR 150/94 – ZTR 1995, 318; 14. Juni 1995 – 10 AZR 400/94 – nv.).
Während der Zeit des Schulbesuches leben die Schüler in dem Internat. Dieses ist auch während der Schulzeit ihr Zuhause, so daß auch eine gefühlsmäßige Bindung an das Internat gegeben ist. An diesem Heimcharakter des Internats ändert sich auch nichts dadurch, daß die Schüler dieses zum Zwecke des Schulbesuches verlassen. Ebenso wie eine Wohnung nicht den Charakter als Lebensmittelpunkt dadurch verliert, daß der Bewohner diese zum Zwecke der Berufsausübung oder des Schulbesuches regelmäßig verläßt, verliert auch das Internat während der Schulzeit seine Eigenschaft als Lebensmittelpunkt für die dort untergebrachten Schüler nicht durch den täglichen Schulbesuch außerhalb des Internats.
d) Daß die Betreuung der behinderten Schüler nicht nur stundenweise erfolgt, sondern außerhalb der Zeiten des Schulbesuches „rund um die Uhr”, spricht ebenfalls für die Annahme, daß sich der Lebensmittelpunkt der Betreuten während der Zeiten, in denen sie sich am Schulort aufhalten, auf das Internat bezieht. Damit ist dieses nicht mit einer Kindertagesbetreuung in einer Tagesgruppe, die montags bis freitags von 11.30 Uhr bis 17.30 Uhr erfolgt, vergleichbar, für die der Vierte Senat den „Heimcharakter” verneint hat (vgl. BAG 26. Mai 1992 – 4 AZR 130/93 – BAGE 73, 191).
e) Der Umstand, daß nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch junge Erwachsene bis zum Alter von 20 Jahren in dem Internat untergebracht sind, ist für die Annahme, es handele sich bei diesem um eine „vergleichbare Einrichtung (Heim)” iSd. Protokollnotiz Nr. 1 unschädlich. Wie der Zehnte Senat bereits mit Urteilen vom 20. April 1994 (- 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11) und vom 25. Januar 1995 (- 10 AZR 150/94 – ZTR 1995, 318) entschieden hat, fallen auch erwachsene Behinderte unter den in der Protokollnotiz Nr. 1 verwendeten Begriff „Behinderte iSd. § 39 BSHG”.
f) Auch das beklagte Land sieht das Internat als Heim iSd. allgemeinen Sprachgebrauches an. Dies folgt bereits daraus, daß es die von ihm betriebene Schule offiziell als „Staatliche Schule für Körperbehinderte mit Heim” bezeichnet. Sogar im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien ist diese Bezeichnung für die Beschreibung des Einsatzortes der Klägerin gewählt worden.
2. In diesem „Heim” sind die Schüler auch „ständig” iSd. Protokollnotiz Nr. 1 untergebracht.
a) An einer Definition des Begriffes „ständig” durch die Tarifvertragsparteien fehlt es. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat, läßt sich auch aus dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht eindeutig herleiten, was die Tarifvertragsparteien mit „ständig untergebracht” meinen. So bedeutet „ständig” ua. „dauernd”, „immer”, „ununterbrochen” (Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl.), jedoch auch „häufig”, „ununterbrochen unaufhörlich wiederkehrend” (Wahrig aaO) bzw. „immer wieder” (Knaurs Lexikon).
Wollte man den Begriff „ständig” eng auslegen, so wären die Schüler in dem Heim nicht „ständig untergebracht”, weil sie dort nicht „dauernd”, „immer”, „ununterbrochen” leben, sondern an den Wochenenden und während der Ferien zu ihren Eltern fahren. Bei einer weiten Auslegung des Begriffes „ständig untergebracht” wären die Schüler im Internat jedoch „ständig” untergebracht, da sie sich „sehr häufig” bzw. „immer wieder” dort aufhalten.
Somit führt eine allein am Wortlaut der Protokollnotiz Nr. 1 ausgerichtete Auslegung des Begriffes „ständig” zu keinem eindeutigen Ergebnis.
b) Aus dem Gesamtzusammenhang der Protokollnotiz Nr. 1 ergibt sich jedoch, daß eine Auslegung des Wortes „ständig” im engen Sinne, dh. daß eine dauernde, ununterbrochene Unterbringung der Schüler im Internat verlangt wird, ausscheidet. In der Protokollnotiz heißt es nämlich:
„wenn in dem Heim Behinderte … zum Zwecke der … Ausbildung … ständig untergebracht sind.”
Dadurch, daß die Protokollnotiz eine ständige Unterbringung zum Zwecke der Ausbildung für die Annahme eines Heimes iSd. Protokollnotiz ausreichen läßt, wird klar, daß keine dauernde, ununterbrochene Unterbringung zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „ständig untergebracht” verlangt wird. Es ist allgemein – und somit auch den Tarifvertragsparteien – bekannt, daß eine Ausbildung in regelmäßigen Abständen unterbrochen wird. So findet Ausbildung grundsätzlich nicht an Wochenenden, Feiertagen und während des Urlaubs oder der Ferien der Auszubildenden statt.
Daher kann unterstellt werden, daß die Tarifvertragsparteien ein Heim, in dem auszubildende Behinderte untergebracht sind, auch dann als „vergleichbare Einrichtung (Heim)” iSd. Protokollnotiz Nr. 1 ansehen wollen, wenn die Auszubildenden das Heim in den Zeiten, in denen keine Ausbildung stattfindet, verlassen. Es ist demnach ausreichend, daß die Behinderten in den Zeiten, in denen eine Ausbildung durchgeführt wird, in dem Heim ständig untergebracht sind.
c) Nach der Rechtsprechung des Senats (14. Juni 1995 – 10 AZR 400/94 – nv.) ist es für die Annahme einer „ständigen Unterbringung” erforderlich, daß der Aufenthalt der Untergebrachten sowohl von der tatsächlichen Gestaltung als auch von der Konzeption des Heimes her nicht auf eine nur gelegentliche, kurzfristige Unterbringung, sondern auf eine gewisse Kontinuität ausgerichtet ist.
Dies ist bei dem sog. „Fünf-Tage-Internat” der „Staatlichen Schule für Körperbehinderte mit Heim” der Fall. Dort sollen die behinderten Schüler während der gesamten Dauer ihrer Schulausbildung leben.
d) Für die Annahme, die Klägerin sei in einem Heim tätig, in dem die behinderten Schüler „ständig untergebracht” sind, spricht auch der Sinn und Zweck der Heimzulage.
Durch diese sollen die besonderen Belastungen der Heimerziehung, -ausbildung oder -pflege honoriert werden. Dies folgt daraus, daß die Zulage nur für die Dauer der Tätigkeit in dem Heim gezahlt wird und daß die Höhe der Zulage nach dem Anteil der im Heim ständig untergebrachten Betreuungsbedürftigen gestaffelt ist (BAG 26. Mai 1993 – 4 AZR 149/92 – AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 28; 26. Mai 1993 – 4 AZR 260/91 – AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 4; 18. Mai 1994 – 10 AZR 540/92 – ZTR 1995, 76). Es handelt sich deshalb bei der Heimzulage um eine Erschwerniszulage.
Die besondere Belastung der Klägerin tritt dadurch ein, daß die Kinder, solange sie sich am Schulort aufhalten, während des ganzen Tages im Internat untergebracht sind, wenn sie nicht den Schulunterricht besuchen. Sie haben während dieser Zeit keine andere erwachsene Bezugsperson außer der Klägerin. Insbesondere muß diese während des Aufenthalts der Schüler im Internat zum Teil auch die Funktion der Eltern der Betreuten ausfüllen. Die Klägerin hat sich des weiteren auf die unterschiedlichen tageszeitlich bedingten Lebenssituationen der Heimbewohner einzustellen. Das heißt, sie muß morgens beim Aufstehen genauso helfend und beaufsichtigend zur Seite stehen wie beim abendlichen Zubettgehen. Dazwischen hat sie sich um die Essenseinnahme ebenso zu kümmern wie darum, daß die betreuten Schüler auch in ihrer Freizeit sinnvoll beschäftigt werden. Dies stellt eine zusätzliche Erschwernis dar, die für solche Erzieher nicht anfällt, die Personen betreuen, welche sich nur stundenweise in einer Einrichtung aufhalten und ihren Lebensschwerpunkt ansonsten außerhalb der Einrichtung haben.
Die oben dargestellten Erschwernisse, die mit der Heimzulage abgegolten werden sollen, entfallen nicht dadurch oder werden nicht dadurch gemindert, daß die betreuten Schüler an den Wochenenden und während der Ferien zu ihren Eltern nach Hause fahren. Während der Zeit, in der die Klägerin Dienst tut, hat sie nämlich ganztägig untergebrachte Schüler zu betreuen, deren Betreuung durch die Familienheimfahrten nicht einfacher wird. Es ist sogar davon auszugehen, daß durch diese Familienheimfahrten die Betreuung der Schüler noch erschwert wird, weil sie sich immer wieder nach ihrem Aufenthalt bei den Eltern an das Heimleben neu gewöhnen müssen, mit allen Problemen die dabei auftreten können (zB Heimweh).
Gerade diese Erschwernisse im Rahmen der Betreuungstätigkeit sollen mit der Heimzulage abgegolten werden.
e) Demgegenüber haben melderechtliche Bestimmungen oder die Regelung über den Wohnsitz einer Person nach §§ 7 ff. BGB keinen Einfluß auf die Auslegung des Begriffes „ständig untergebracht” iSd. Protokollnotiz Nr. 1.
Die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des Melderechts dienen der Aufrechterhaltung einer funktionierenden Staatsverwaltung sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Sie können deshalb in der Regel nicht zur Auslegung von Tatbestandsvoraussetzungen für eine tarifliche Erschwerniszulage herangezogen werden, wenn diese ihrerseits nicht auf melderechtliche Bestimmungen Bezug nehmen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag zugleich für den wegen Krankheit an der Unterschrift verhinderten Richter Böck, Dr. Jobs, Burger, Paul
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.02.2000 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 1358 |
ARST 2000, 234 |
ZTR 2000, 373 |
AP, 0 |
PersR 2000, 393 |
PersV 2001, 88 |
RiA 2001, 58 |
AUR 2000, 278 |