Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung gegen Anspruch auf Übergangsgeld

 

Leitsatz (redaktionell)

1.Übergangsgeld, das ein Angestellter beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erhält (§§ 62 bis 64 BAT), ist Arbeitseinkommen im Sinne von §§ 850c und 850e Nr 2 Buchst a ZPO.

2.Der Arbeitgeber darf bei Prüfung des Aufrechnungsverbots nach § 394 BGB Übergangsgeld und eine darauf anzurechnende Sozialversicherungsrente entsprechend § 850e Nr 2 Buchst a ZPO zusammenrechnen. Ein Zusammenrechnungsbeschluß des Vollstreckungsgerichts ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

BAT §§ 63-64, 70, 62; BGB §§ 387-389, 394; RVO § 216; BGB § 362; ZPO § 850 c; BAT § 37 Abs. 5, 2; BGB § 818 Abs. 3; BAT § 37 Abs. 5 Unterabs. 1; SGB V § 49 Abs. 1 Nr. 5; BGB § 812 Abs. 1 S. 1; ZPO § 850 e Nr. 2 Buchst. a; SGB I § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 08.02.1991; Aktenzeichen 15 Sa 1813/89)

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 10.10.1989; Aktenzeichen 4 Ca 343/89)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zahlung restlichen Übergangsgeldes. Das beklagte Land macht geltend, der Anspruch sei durch Aufrechnung erloschen.

Der Kläger war seit 1. April 1960 als technischer Angestellter bei dem beklagten Land beschäftigt. Der BAT war einzelvertraglich vereinbart; der Kläger erhielt zuletzt Vergütung nach Gruppe III BAT.

Infolge eines Herzinfarkts war der Kläger vom 18. April 1988 bis zum 17. Oktober 1988 arbeitsunfähig erkrankt. Er erhielt für die Dauer von 26 Wochen Krankenbezüge. Vom 18. Oktober 1988 bis Freitag, den 25. November 1988, hatte der Kläger Erholungsurlaub. Am letzten Urlaubstag stellte der behandelnde Arzt fest, daß der Kläger weiterhin arbeitsunfähig sei. Eine als "Erstbescheinigung" bezeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 25. November 1988 bezog sich auf die Zeit von Montag, den 28. November 1988 bis zum 12. Dezember 1988 und eine "Folgebescheinigung" auf die Zeit vom 13. Dezember bis zum 31. Dezember 1988.

Der Kläger erhielt im Anschluß an den Urlaub wiederum Krankenbezüge bis zum 31. Dezember 1988, dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Das beklagte Land bemerkte im Januar 1989, daß der ab 28. November 1988 festgestellten Arbeitsunfähigkeit dieselbe Ursache zugrunde lag wie der Arbeitsunfähigkeit, die am 17. Oktober 1988 geendet hatte. Am 24. Januar 1989 übersandte das beklagte Land dem Kläger das "Bezügebelegblatt 1/89". Aus ihm ergab sich, daß von dem Übergangsgeld, das dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 1989 in Höhe von 12.501,08 DM zustand, die für die Monate November und Dezember 1988 gezahlten Krankenbezüge in Höhe von 6.495,85 DM brutto (= 5.646,34 DM netto) in Abzug gebracht wurden, so daß ein restliches Übergangsgeld von 6.854,74 DM verblieb, das an den Kläger ausgezahlt wurde.

In einem Schreiben vom 25. Januar 1989, das in den Akten des beklagten Landes den Absendevermerk vom 26. Januar 1989 trägt, erläuterte das beklagte Land die Überzahlung und die Verrechnung näher. Der Kläger bestreitet, dieses Schreiben erhalten zu haben. Er reichte am 1. Februar 1989 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines Augenarztes ein, in der ihm wegen eines Augenleidens für die Zeit vom 29. November 1988 bis zum 15. Dezember 1988 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde.

Der Kläger hat gemeint, der Rückzahlungsanspruch des beklagten Landes bestehe nicht. Die zweite Arbeitsunfähigkeit beruhe auf dem Augenleiden. Eine Fortsetzungserkrankung liege somit nicht vor. Da er die Krankenbezüge, die er seit dem 28. November 1988 erhalten habe, für den normalen Lebensunterhalt verbraucht habe, sei er nicht bereichert. Außerdem sei ein Rückzahlungsanspruch des beklagten Landes verfallen. Das Schreiben vom 25. Januar 1989 habe er erstmals am 2. August 1989 erhalten. Die Übersendung des Bezügebelegblatts 1/89 stelle keine ausreichende Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs dar. Hilfsweise rechne er mit einem Schadensersatzanspruch auf, der sich daraus ergebe, daß er wegen Versäumung der Frist nach § 216 Abs. 3 RVO nachträglich kein Krankengeld mehr geltend machen könne. Daß er diese Frist nicht habe einhalten können, habe das beklagte Land zu vertreten.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn

5.646,34 DM nebst 4 % Zinsen ab 31. Juli 1989 zu

zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, durch die Übersendung des Bezügebelegblatts 1/89 habe es mit seinem Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Krankenbezüge wirksam gegen den Anspruch des Klägers aufgerechnet. Darauf, ob der Kläger das Schreiben vom 25. Januar 1989 erhalten habe, komme es nicht an.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter, während das beklagte Land die Zurückweisung der Revision begehrt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Übergangsgeldes sei in Höhe von 6.854,74 DM durch Erfüllung (§ 362 BGB) und in Höhe der Klageforderung durch Aufrechnung (§ 389 BGB) erloschen. Der Kläger sei in Höhe der ihm für die Zeit vom 28. November 1988 bis 31. Dezember 1988 gewährten Krankenbezüge ungerechtfertigt bereichert. Es habe sich um eine Fortsetzungserkrankung gehandelt mit der Folge, daß dem Kläger gemäß § 37 Abs. 5 Unterabs. 1 BAT kein Anspruch auf Krankenbezüge zugestanden habe. Dem Rückforderungsanspruch des beklagten Landes stehe § 818 Abs. 3 BGB nicht entgegen, da der Kläger im Zeitpunkt der Aufrechnung im Januar 1989 noch bereichert gewesen sei. Der Wirksamkeit der Aufrechnung stehe auch § 394 Satz 1 BGB nicht entgegen; die Sozialversicherungsrente des Klägers und das Übergangsgeld hätten ohne einen Beschluß des Vollstreckungsgerichts nach § 850 e Nr. 2 Buchst. a ZPO zu einem monatlichen Gesamteinkommen zusammengerechnet werden können. Der Teil des Anspruchs, gegen den das Land aufgerechnet habe (5.646,34 DM), habe sich im Rahmen der Pfändungsfreigrenze gehalten.

Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. II. Dem Kläger steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf restliches Übergangsgeld (§§ 62 bis 64 BAT) nicht zu.

Das beklagte Land hat durch Übersendung des Bezügebelegblatts 1/89 mit einem in Höhe der Klageforderung gemäß § 387 BGB aufrechenbaren Anspruch gegenüber dem Kläger wirksam aufgerechnet (§ 388 BGB). Die Klageforderung ist damit erloschen (§ 389 BGB).

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß dem beklagten Land nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der in dem Zeitraum vom 28. November 1988 bis zum 31. Dezember 1988 gewährten Krankenbezüge zustand, weil die Zahlung an den Kläger ohne Rechtsgrund erfolgt war.

Nach § 37 Abs. 2 BAT werden Krankenbezüge nach einer Dienstzeit von zehn Jahren bis zum Ende der 26. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit gezahlt. Wird der Angestellte aufgrund derselben Ursache erneut arbeitsunfähig und hat er nicht mindestens vier Wochen wieder gearbeitet, werden Krankenbezüge insgesamt nur für die nach Abs. 2 maßgebende Zeit gezahlt (§ 37 Abs. 5 BAT). Auf die vierwöchige Arbeitszeit wird nach der Protokollnotiz zu § 37 Abs. 5 BAT ein Erholungsurlaub angerechnet, den der Angestellte nach Arbeitsaufnahme angetreten hat, weil dies im Urlaubsplan vorgesehen war oder der Arbeitgeber dies verlangt hatte.

Der seit 1960 bei dem beklagten Land beschäftigte Kläger war aufgrund seines Herzinfarkts vom 18. April 1988 bis zum 17. Oktober 1988 arbeitsunfähig erkrankt. Das beklagte Land hat ihm für 26 Wochen Krankenbezüge gewährt. Da der Kläger aber vom 28. November 1988 bis zum 31. Dezember 1988 infolge seines Herzinfarkts erneut arbeitsunfähig erkrankte, ohne daß er in der Zwischenzeit seine Arbeit aufgenommen hatte, ist ein neuer Lohnfortzahlungsanspruch nicht entstanden.

Daran ändert nichts, daß der Kläger vom 29. November 1988 bis zum 15. Dezember 1988 zusätzlich wegen eines Augenleidens arbeitsunfähig erkrankt war. Besteht neben der Fortsetzungserkrankung eine weitere mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Krankheit, so wird der Fortsetzungszusammenhang nicht unterbrochen (BAGE 46, 253, 256 = AP Nr. 60 zu § 1 LohnFG, zu II 2 der Gründe).

2. Die Forderung des beklagten Landes ist nicht nach § 70 BAT erloschen. Nach dieser Bestimmung verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.

Der Rückzahlungsanspruch des beklagten Landes ist nicht schon mit der Überzahlung im Dezember 1988 fällig geworden, sondern erst, als das Land in der Lage war, die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs zu erkennen, ihn zu beziffern und geltend zu machen. Wann dieser Zeitpunkt war, ist nicht festgestellt. Durch die Übersendung des Bezügebelegblatts 1/89 am 24. Januar 1989 hat das beklagte Land den Rückzahlungsanspruch geltend gemacht. Dies war rechtzeitig.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht diese Urkunde dahingehend ausgelegt, daß sie den Voraussetzungen einer schriftlichen Geltendmachung im Sinne des § 70 BAT genügte. Sie wies für beide Monate die alte erhöhte Berechnung und die neue Berechnung aus. Auf dieser Grundlage ergab sich für den Monat November 1988 eine Überzahlung in Höhe von 845,48 DM brutto und für Dezember 1988 in Höhe von 5.650,27 DM brutto, zusammen 6.495,85 DM brutto = 5.646,34 DM netto. Die Höhe der geltend gemachten Rückforderung war damit für den Kläger ohne weiteres erkennbar. Auf der Rückseite des Bezügebelegblatts 1/89 wurde als Grund für den Abbau des ausgewiesenen Bezügeguthabens die vorläufige Zahlungseinstellung vom 29. November 1988 bis zum 31. Dezember 1988 genannt. Damit war auch der Grund des Rückforderungsanspruchs für den Kläger erkennbar.

Ob auch in dem Schreiben des beklagten Landes vom 25. Januar 1989 eine rechtzeitige schriftliche Geltendmachung zu sehen wäre, ist somit unerheblich. Es kann deshalb dahinstehen, ob dieses Schreiben dem Kläger zugegangen ist, was dieser bestreitet.

3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, daß der Rückforderungsanspruch des beklagten Landes nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen war. Die von der Revision hiergegen erhobenen Angriffe sind unbegründet.

a) Soweit der Kläger behauptet hat, nicht mehr bereichert zu sein, weil er die Krankenvergütung für die normale Lebensführung verbraucht habe, hat er die Voraussetzungen des § 818 Abs. 3 BGB nicht schlüssig dargetan. Nach dieser Bestimmung entfällt der Anspruch des Gläubigers, wenn der Schuldner nicht mehr bereichert ist. Allerdings besteht die Bereicherung fort, wenn der Bereicherungsschuldner durch den Verbrauch des Erlangten anderweitige Aufwendungen erspart hat. Macht der Empfänger rechtsgrundlos erhaltener Lohn- oder Gehaltszahlungen geltend, die Bereicherung sei weggefallen, muß er im einzelnen Tatsachen darlegen, aus denen sich dies ergibt. Dieser ihm obliegenden Darlegungslast ist der Kläger nicht schon dadurch nachgekommen, daß er vorgetragen hat, er habe die Bezüge für den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verbraucht.

Zu Unrecht beruft der Kläger sich auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 18. September 1986 (BAGE 53, 77 = AP Nr. 5 zu § 812 BGB). Danach genügt der Arbeitnehmer, der den unteren und mittleren Einkommensgruppen zuzurechnen ist, dadurch, daß er die Ausgabe des zuviel Erlangten im Rahmen eines angehobenen Lebensstandards vorträgt, jedenfalls dann seiner Darlegungspflicht nach § 818 Abs. 3 BGB, wenn nach Richtlinien des öffentlichen Arbeitgebers der Wegfall der Bereicherung ohne nähere Prüfung zu unterstellen ist, falls die zuviel gezahlten Bezüge 10 v.H. der für den Zeitraum zustehenden Gesamtbezüge nicht übersteigen. Diese Grundsätze sind auf den Streitfall nicht anzuwenden. Der Kläger erhält eine Vergütung nach VergGr. III BAT und ist somit nicht den unteren und mittleren Einkommensgruppen zuzurechnen. Außerdem war die Überzahlung nicht geringfügig.

b) Die Revision macht ferner geltend, die Aufrechnung sei - jedenfalls teilweise - ausgeschlossen, denn der Kläger habe allein deshalb, weil das beklagte Land ihm für die Zeit vom 28. November 1988 bis zum 31. Dezember 1988 zu Unrecht Krankenbezüge gezahlt habe, seine Ansprüche gegenüber der Krankenkasse auf Zahlung von Krankengeld für diesen Zeitraum verloren.

In Übereinstimmung mit dem Landesarbeitsgericht vermag der Senat dieser Ansicht nicht zu folgen. Die Krankengeldzahlung wurde verweigert, weil der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht rechtzeitig mitgeteilt hatte.

Nach § 216 Abs. 3 RVO (jetzt § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB) ruhte der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wurde; dies galt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgte. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz selbst vorgetragen und durch eine Bescheinigung seiner Krankenkasse belegt, daß die Verweigerung der Krankengeldzahlung allein auf der Unterlassung dieser Meldung beruhte. Dafür ist das beklagte Land jedoch nicht verantwortlich. Zutreffend hat insoweit das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß das beklagte Land der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 25. November 1988, weil diese als Erstbescheinigung bezeichnet war und keinen Aufschluß über die Diagnose gab, nicht entnehmen konnte, daß die Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf einer nicht zur Lohnfortzahlung berechtigenden Fortsetzungserkrankung beruhte.

4. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß § 394 Satz 1 BGB der Wirksamkeit der Aufrechnung nicht entgegensteht. Nach dieser Bestimmung findet die Aufrechnung gegen eine Forderung nicht statt, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, für die Anwendung des § 394 BGB seien Sozialversicherungsrente und Übergangsgeld entsprechend § 850 e Nr. 2 Buchst. a ZPO zusammenzurechnen, wobei der pfändungsfreie Betrag in erster Linie der Sozialversicherungsrente zu entnehmen sei, die bei dem Kläger seit 1. Januar 1989 2.467,-- DM monatlich betrug. Beide Leistungen seien aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt. Die Höhe des auszuzahlenden Übergangsgeldes bemesse sich nach der Höhe der Rentenbezüge. Es solle dem Angestellten für vier Monate das Einkommen sichern, das er bisher gehabt habe. Dies gebiete es, die Leistungen als einheitliche zu behandeln und dem Angestellten nicht zweimal die volle Freigrenze einzuräumen.

b) Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch. Die Revision meint, beide Leistungen beruhten auf eigenständigen, voneinander unabhängigen Rechtsverhältnissen. Sie seien in ihrer tatsächlichen Abwicklung und Ausgestaltung voneinander unabhängig. Allein die Tatsache, daß nach § 63 BAT die vom Arbeitnehmer bezogene Sozialversicherungsrente auf das Übergangsgeld angerechnet werde, rechtfertige es nicht, eine Zusammenrechnung dieser beiden Einkommen außerhalb des Vollstreckungsverfahrens durch das jeweilige Prozeßgericht zuzulassen. Dem ist nicht zu folgen.

Nach § 850 e Nr. 2 Buchst. a ZPO sind mit Arbeitseinkommen auf Antrag auch Ansprüche auf laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zusammenzurechnen, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruches sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Zusammenrechnung der Billigkeit entspricht.

Bei dem Übergangsgeld, das dem Kläger nach § 62 BAT neben der Sozialversicherungsrente, einer Leistung nach dem Sozialgesetzbuch (vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SGB I), zusteht, handelt es sich um Arbeitseinkommen im Sinne dieser Bestimmung. Zwar hat der erkennende Senat im Urteil vom 27. November 1986 (BAGE 53, 371, 379 f. = AP Nr. 11 zu § 62 BAT, zu III 4 der Gründe) das Übergangsgeld nicht als Arbeitsentgelt aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis angesehen, weil es für das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gezahlt wird und dessen Erleichterung bei Aufrechterhaltung des sozialen Status für einen bestimmten Zeitraum bezweckt. Dennoch besteht kein Zweifel daran, daß das Übergangsgeld, wie sich aus seiner Bemessung zwischen einem Bruchteil und einem Vielfachen der Monatsbezüge (§ 63 Abs. 2 BAT) und seiner grundsätzlichen Auszahlung in Monatsbeträgen (§ 64 Abs. 1 BAT) ergibt, die Funktion von Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 e Nr. 2 Buchst. a ZPO erfüllt.

Daß es an einem Zusammenrechnungsbeschluß des Vollstreckungsgerichts nach § 850 e Nr. 2 Buchst. a ZPO fehlte, war unerheblich. Ob ein solcher außerhalb eines Vollstreckungsverfahrens überhaupt ergehen könnte, ist umstritten (dafür: Grunsky, ZIP 1983, 908, 910; dagegen z.B.: Stöber, Forderungspfändung, 9. Aufl., Rz 1149 und Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl., § 850 e Rz 44), kann jedoch dahinstehen. Im vorliegenden Fall war ein solcher jedenfalls nicht nötig. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang, in dem die beiden Leistungen, die der Kläger erhielt, zueinander standen. Der Kläger bezog zwar das Übergangsgeld und die Sozialversicherungsrente von zwei rechtlich selbständigen Schuldnern. Zweck des Übergangsgeldes war aber, den Übergang des Klägers aus dem aktiven Dienst mit entsprechenden Bezügen in die Lebensverhältnisse eines Rentenempfängers zu erleichtern und ihn für die vorgesehene Übergangszeit finanziell so zu stellen, wie er im Zeitpunkt des Ausscheidens gestanden hat. Die Anrechnung der Sozialversicherungsrente diente dazu, den Kläger nicht besser zu stellen als vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sozialversicherungsrente und Übergangsgeld bildeten somit eine Zweckgemeinschaft und waren dadurch eng miteinander verknüpft. Ihr rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang gebietet es, sie für die Anwendung des Aufrechnungsverbots nach § 394 BGB in Verb. mit § 850 c ZPO als Einheit anzusehen und dem Kläger nicht zweimal die volle Freigrenze einzuräumen. Dies entspricht auch der gesetzgeberischen Absicht des in § 850 c ZPO geregelten Umfangs der Unpfändbarkeit. Die Schwierigkeiten, deren Vermeidung § 850 e Nr. 2 Buchst. a ZPO bezweckt, indem er grundsätzlich eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts vorschreibt, treten hier nicht auf. Der Schuldner des Übergangsgeldes, der bisherige Arbeitgeber, hat Kenntnis von der Höhe der Sozialversicherungsrente. Seine Leistung ist auf die Sozialversicherungsrente ab gestimmt. Innerhalb der Zweckgemeinschaft beider Leistungen ist der unpfändbare Betrag nach der gesetzlichen Wertung des § 850 e Nr. 2 Buchst. a ZPO der Sozialversicherungsrente zu entnehmen. Der Senat folgt damit im Ergebnis den Grundsätzen, die der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 14. August 1990 (- 3 AZR 285/89 - AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Invaliditätsrente) für das Zusammentreffen verschiedener Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aufgestellt hat.

Die Höhe des pfändbaren Betrages des zusammengerechneten Einkommens des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zutreffend errechnet. Der Kläger rügt dies im einzelnen auch nicht. Soweit die Revision beanstandet, das Landesarbeitsgericht habe nicht geprüft, ob die Zusammenrechnung der Billigkeit entspricht, kann sie keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht vorgetragen, welche Tatsachen das Gericht zu seinen Gunsten hätte berücksichtigen sollen. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 139 ZPO, die der Kläger in diesem Zusammenhang erhebt, geht fehl. Das Berufungsgericht hat im Beschluß vom 11. Januar 1991 beide Parteien darauf hingewiesen, es neige dazu, auch im Rahmen des § 394 BGB Sozialversicherungsrente und Übergangsgeld entsprechend § 850 e Nr. 2 Buchst. a ZPO zusammenzurechnen und den unpfändbaren Teil unter Umständen in erster Linie der Sozialversicherungsrente zu entnehmen. Der Kläger hat die Möglichkeit, seinen Vortrag zu den Voraussetzungen der Unpfändbarkeit zu ergänzen, nicht genutzt. Dazu wäre er in der Lage gewesen, denn das Landesarbeitsgericht hatte in dem genannten Beschluß die mündliche Verhandlung auf den 8. Februar 1991 vertagt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Peifer Richter Dr. Freitag Dr. Armbrüster

ist durch Erholungsurlaub

verhindert, seine Unterschrift

beizufügen

Dr. Peifer

Ziegenhagen Möller-Lücking

 

Fundstellen

Haufe-Index 440644

EEK, I/1092 (ST1-3)

NZA 1993, 23

RdA 1992, 405

USK, 9244 (LT)

WzS 1993, 124 (L)

ZTR 1993, 70-71 (LT1-2)

AP § 850e ZPO (LT1-2), Nr 4

EzA § 850e ZPO, Nr 2 (LT1-2)

EzBAT § 64 BAT, Nr 2 (LT1-2)

KKZ 1995, 98-99 (LT)

PersV 1993, 418-419 (L)

SGb 1993, 362 (S)

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