Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 20.08.1992) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. August 1992 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe der dem Kläger zustehenden Versichertenrente. Hierbei streiten die Beteiligten darüber, wie die sog pro-rata-Rente des Klägers nach Art 46 Abs 2 der EWG-Verordnung (EWG-VO) 1408/71 zu berechnen ist.
Der am 12. Februar 1937 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er hat sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Italien Versicherungszeiten zurückgelegt. In der Bundesrepublik Deutschland sind für 46 Monate einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge entrichtet.
In Ausführung eines vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG) am 23. Januar 1986 abgeschlossenen Vergleichs und eines weiteren Vergleichs vom 14. September 1987 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab 1. Juli 1984, die sie mit Bescheid vom 23. März 1988 wegen der Berücksichtigung weiterer, vom italienischen Versicherungsträger mitgeteilten Versicherungszeiten neu berechnete. Mit Bescheid vom 26. August 1988 wandelte die Beklagte die Rente wegen BU für die Zeit ab 14. Juni 1985 in Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) um. In diesem Bescheid ist als „Hinweis” ua aufgenommen:
„Die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird vorläufig ab 14.06.85 festgestellt. Für die Gewährung von 01.01.1985 bis 13.06.1985 unter Berücksichtigung des § 1283 Reichsversicherungsordnung (RVO) wegen Zusammentreffen der Rente mit italienischem Arbeitslosengeld ergeht nach Abschluß der Ermittlungen über die Höhe des Arbeitslosengeldes gesondert Bescheid.”
Bei diesem Bescheid berücksichtigte die Beklagte bei der Berechnung nach Art 46 Abs 2 Buchst b der VO Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 (Amtsblatt Nr L 149 vom 5. Juli 1971) in der bis zum 30. Juni 1991 geltenden Fassung (EWG-VO 1408/71) zusätzliche italienische Versicherungszeiten, die der Versicherte nach Eintritt des Versicherungsfalls der BU zurückgelegt hatte. Die tatsächlich zustehende Rente betrug danach 12,20 vH des theoretischen Betrages (pro-rata-Verhältnis) gegenüber 12,37 vH bei der BU-Rente.
Mit weiterem Bescheid vom 4. Dezember 1989 wandelte die Beklagte die BU-Rente mit Wirkung ab 1. Januar 1985 in eine EU-Rente um. Dabei rechnete sie für die Zeit vom 1. Januar 1985 bis 13. Juni 1985 gemäß § 1283 RVO das gleichzeitig in Italien bezogene Arbeitslosengeld (Alg) an. In diesem Bescheid wiederholte die Beklagte die Berechnung der EU-Rente. Sie wies die bis Januar 1990 zustehenden monatlichen Rentenbeträge aus und stellte sie den Zahlungen gegenüber. In diesem Bescheid ist unter „Rentenhöhe” ausgeführt:
„Die Rente wegen Berufsunfähigkeit wird nachträglich in Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit von 01.01.1985 bis 13.06.1985 umgewandelt, da nun die Höhe des italienischen Arbeitslosengeldes für diese Zeit ermittelt wurde. Nach § 1283 RVO ruht die Rente bis zur Höhe des italienischen Alg.”
Gegen den Bescheid vom 4. Dezember 1989 legte der Kläger Widerspruch ein. Er rügt die Anwendung des § 1283 RVO und die Anrechnung des italienischen Alg. Er meinte außerdem, die nach dem Eintritt der BU entrichteten Versicherungsbeiträge in Italien seien nur entsprechend § 1253 Abs 2 RVO zu berücksichtigen.
Die Beklagte gab den Widerspruch mit Einverständnis des Klägers an das Sozialgericht (SG) ab. Vor dem SG hat der Kläger keinen weiteren Antrag gestellt.
Das SG hat der Klage insoweit stattgegeben, als die Beklagte verurteilt wurde, für die Zeit vom 1. Januar 1985 bis 13. März 1985 anstelle von 43,60 DM monatlich 131,10 DM an EU-Rente zu gewähren. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. April 1991). In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, daß Streitgegenstand die Höhe der Rente im Zeitraum vom 1. Januar 1985 bis 13. Juni 1985 sei. Für die Zeit danach sei die Umwandlung der BU-Rente in die EU-Rente bereits mit Bescheid vom 26. August 1988 rechtsverbindlich geregelt. Die Klage sei zum Teil begründet, soweit die Beklagte Alg-Geld angerechnet habe. Die im Hinblick auf § 1253 Abs 2 Satz 4 RVO verlangte Kürzung der Zurechnungszeit könne bei der Bildung des pro-rata-Verhältnisses nicht berücksichtigt werden, weil Zurechnungszeiten grundsätzlich keinen Einfluß auf die Ermittlung des Teilbetrages iS des Art 46 Abs 2 Buchst b der EWG-VO 1408/71 hätten.
Das SG hat die Berufung im Tenor und in den Gründen des Urteils nicht zugelassen. Nach der Rechtsmittelbelehrung ist die Berufung uneingeschränkt zulässig.
Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger beantragt, unter Abänderung des Bescheides vom 4. Dezember 1989 die Rente im Verhältnis von 12,37 vH iS des Art 46 Abs 2 Buchst b der EWG-VO 1408/71 zu gewähren, das für die BU-Rente maßgebend war. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 20. August 1992). Es hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß die Berufung zulässig sei, insbesondere die Ausschließungsgründe der §§ 144, 146 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht vorlägen. In der Sache sei die Berufung unbegründet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers.
Er ist der Ansicht, daß die Berufung zulässig gewesen ist. Der Widerspruch und damit die Klage habe sich auf den Bescheid vom 4. Dezember 1989 ohne Einschränkungen bezogen. In diesem Bescheid sei eine umfassende Feststellung über die Rente auch über den 13. Juni 1985 hinaus getroffen worden. Der Kläger rügt die Verletzung von Art 46 Abs 2 EWG-VO 1408/71 sowie von § 1253 Abs 2 RVO.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. August 1992 und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24. April 1991 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1989 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente ein pro-rata-Verhältnis von 12,37 vH zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. August 1992 zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand aufgetreten. Die Beklagte hat beantragt, nach Lage der Akten zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Berufung zurückgewiesen. Es hätte aber die Berufung schon als unzulässig verwerfen müssen.
Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu beachten, ob die Berufung zulässig gewesen ist (BSGE 39, 119 = SozR 4100 § 45 Nr 4). Hier ist die Berufung nach § 146 SGG ausgeschlossen gewesen, denn sie betraf nur die Rente für einen abgelaufenen Zeitraum. § 146 SGG ist hier noch anzuwenden. Die Vorschrift ist zwar durch Art 4 Nr 5 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I S 50) gestrichen worden. Das Gesetz ist nach Art 15 Abs 1 am 1. März 1993 in Kraft getreten. § 146 SGG gilt nach Art 14 dieses Gesetzes jedoch noch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, das angefochtene Urteil vor Inkrafttreten dieses Gesetzes verkündet worden ist.
Das SG hat in seinem Urteil zutreffend als Regelungsgegenstand des Bescheides vom 4. Dezember 1989 – der allein angefochten ist – nur die Gewährung von Rente wegen EU statt BU für die Zeit vom 1. Januar 1985 bis 13. Juni 1985 angesehen. In dem vorhergehenden Bescheid vom 26. August 1988 war die Rente wegen EU für die folgende Zeit ab 14. Juni 1985 verbindlich festgestellt worden und allein die Feststellung der Rente für die vorhergehende Zeit ab 1. Januar 1985 ausgespart worden. Soweit die Beklagte in diesem Bescheid ausgeführt hatte, die Rente werde „vorläufig ab 14. Juni 1985 festgestellt”, ist dieser Satz im Zusammenhang mit dem oa darauf folgenden Satz im Rentenbescheid zu verstehen. Daraus ergibt sich, daß lediglich die Rentengewährung für die Zeit vom 1. Januar 1985 bis 13. Juni 1985 wegen der möglichen Anrechnung italienischer Sozialleistungen vorbehalten werden sollte. Ein Vorbehalt der Neuberechnung der Rente für die Zeit ab 14. Juni 1985 ergibt sich daraus nicht. Der Bescheid vom 4. Dezember 1989 beschränkt dementsprechend die Umwandlung der Rente wegen BU in die Rente wegen EU auf den Zeitraum vom 1. Januar 1985 bis 13. Juni 1985. Dies wird durch den oa Text im Abschnitt „Rentenhöhe” des Bescheides klargestellt. Eine Neufeststellung der Rente für die Zeit ab 14. Juni 1985 oder auch eine wiederholende Feststellung der Rente ab diesem Zeitraum ist damit nicht erfolgt. Die Angaben über die Rentenberechnung im Bescheid vom 4. Dezember 1989 sind für die Feststellung der Rente ab 1. Januar 1985 notwendig gewesen. Unklarheiten wie sie der Kläger annimmt, sind durch den Zusatz im Abschnitt „Rentenhöhe” ausgeräumt.
Die Aussage des LSG zu den Bescheiden – mit Bescheid vom 26. August 1988 sei die Rente „ab 14. Juni 1985 vorläufig” und mit Bescheid vom 4. Dezember 1989 „ab 1. Januar 1985 endgültig” in eine Rente wegen EU umgewandelt worden, ist eine rechtliche Bewertung des Regelungsgehaltes der Bescheide, die das Revisionsgericht nicht bindet.
Das SG hat auch zutreffend als Gegenstand der Klage und als Streitgegenstand nur die Höhe der Rente für den Zeitraum vom 1. Januar 1985 bis 13. Juni 1985 angesehen. Der Kläger hat keinen eigenen Klageantrag gestellt. Sein Widerspruch richtet sich nur gegen den Bescheid vom 4. Dezember 1989. Angegriffen hat der Kläger zwar nicht nur die allein für die Zeit bis 13. Juni 1985 relevante Anrechnung des italienischen Arbeitslosengeldes, sondern auch die Rentenberechnung, die im Falle seines Obsiegens auch zu einer Neubescheidung ab 14. Juni 1985 hätte führen können. Da der Kläger aber nicht auch eine Überprüfung des Bescheides vom 26. August 1988 etwa nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) beantragt hat, ist davon auszugehen, daß er den Bescheid vom 4. Dezember 1989 nur im Rahmen seines Regelungsgegenstandes angefochten hat. Regelungsgegenstand ist aber, wie bereits ausgeführt, nur die Rentengewährung bis 13. Juni 1985 gewesen. Die Berufung im Rahmen des Klageantrags ist danach unzulässig gewesen, denn die Klage betraf ausschließlich Rente für einen abgelaufenen Zeitraum. Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Die unrichtige Rechtsmittelbelehrung im Urteil ist keine Zulassung der Berufung im Sinne von § 150 SGG. Der Berufungsantrag richtete sich dann zwar uneingeschränkt auf die Gewährung einer höheren Rente auch für die Zeit nach dem 13. Juni 1985. Dies ist aber eine unzulässige Erweiterung des Streitgegenstandes mit der Berufung gegenüber dem Klageantrag, die nicht zur Zulässigkeit der Berufung führt (vgl BSG SozR 1500 § 144 Nr 30, SozR Nr 20 zu § 14 SGG).
Bei dieser Rechtslage kann der Kläger den erweiterten Anspruch nur im Wege einer Rentenneufeststellung nach § 44 SGB X geltend machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen