Entscheidungsstichwort (Thema)

Laborleistungen. Basislabor. abrechnungsfähige Gesamtpunktzahl. Praxisbudget. Laborbudget. Fallpunktzahl. arztgruppenbezogene Fallpunktzahl. Wirtschaftlichkeitsreserven. Rationalisierung der Leistungserbringung. Bewertungsausschuß. Regelungsfreiheit. Gestaltungsfreiheit. Anfangs- und Erprobungsregelungen. Gynäkologen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung der Fallpunktzahl für Leistungen des Basislabors in Teil B Kapitel O Abschnitt I des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für die Gruppe der Frauenärzte ist rechtmäßig (Fortführung von BSGE 78, 98 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12).

 

Normenkette

SGB V §§ 85, 87, 106; EBM-Ä (Fassung: 17.8.1993)

 

Verfahrensgang

SG Reutlingen (Urteil vom 06.12.1995; Aktenzeichen S 1 Ka 912/95)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Dezember 1995 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten deren außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der in Tübingen als Arzt für Frauenheilkunde niedergelassene und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen Honorarbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), mit denen seine Honorarforderungen für Basislaborleistungen in den Quartalen II/94 und III/94 im Hinblick auf die für diese Laboruntersuchungen berechnungsfähige Gesamtpunktzahl (Praxisbudget) reduziert worden sind.

Im Zuge der vom Bewertungsausschuß mit Wirkung ab 1. April 1994 beschlossenen Neufassung der Abschnitte O I und O II des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) wurde zwecks Eindämmung der Mengensteigerungen bei Leistungen des sog Basislabors bestimmt, daß kurativ-ambulante Laboratoriumsuntersuchungen nach dem Abschnitt O I von bestimmten Ausnahmen abgesehen je Arztpraxis und Abrechnungsquartal (nur) bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl berechnungs- und damit vergütungsfähig sind, deren Höhe sich aus dem Produkt aus arztgruppenbezogener Fallpunktzahl und der Zahl kurativ-ambulanter Fälle der Arztpraxis ergibt. Für Frauenärzte wurde die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl für Leistungen des Abschnitts O I des EBM sowohl für Allgemeinversicherte als auch für Rentner auf 40 Punkte festgesetzt.

Das Sozialgericht (SG) hat – soweit noch streitig – die Klage gegen die Honorarbescheide betreffend die Quartale II/94 und III/94 idF des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 4. Mai 1995 abgewiesen. Die Budgetierung der im Abschnitt O I des EBM erfaßten Laboruntersuchungen sei durch die Bestimmungen der § 87 Abs 2b und § 85 Abs 4a Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gedeckt. Der Gesetzgeber habe den Auftrag erteilt, durch Einsparungen bei Laborleistungen die hausärztliche Vergütung zu verbessern. Die Ermittlungen der beigeladenen Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und der Krankenkassen hätten zu dem Ergebnis geführt, daß für eine angemessene Aufwertung der hausärztlichen Tätigkeit ein Anteil von etwa 20 % des bisher zur Honorierung der Leistungen nach den Abschnitten O I und O II des EBM verwendeten Honorarvolumens benötigt werde. Zur Erzielung von Einsparungen in dieser Größenordnung sei eine bloße Abwertung bestimmter Laborleistungen nicht ausreichend gewesen, weil die Gefahr bestanden habe, daß die mit der Abwertung verbundenen Einspareffekte durch eine Mengenausweitung zunichte gemacht würden. Die Zusammenfassung von Einzelleistungen zu einer pauschalen, arztgruppen- und fallzahlabhängigen Vergütung für bestimmte Laborleistungen sei ein geeignetes Mittel zur Sicherung der vorgegebenen Einspareffekte (Urteil vom 6. Dezember 1995).

Mit seiner Sprungrevision vertritt der Kläger auch im Hinblick auf die Entscheidung des Senats vom 20. März 1996 – 6 RKa 51/95 – weiter die Auffassung, die Budgetierung der Laborleistungen habe jedenfalls in der vom Bewertungsausschuß durchgeführten Form nicht zu einer angemessenen Vergütungsstruktur geführt. Sie sei deshalb rechtswidrig. Im übrigen sei die Festsetzung der für die Gynäkologen abrechenbaren Fallpunktzahl ihrer Höhe nach sachwidrig und willkürlich. Weder der Bewertungsausschuß noch die KÄBV hätten nachvollziehbar belegen können, wie die Fallpunktzahlen für die einzelnen Arztgruppen ermittelt worden seien. Die Einsparvorgabe für den Laborbereich in Höhe von ca 20 % des Ausgabevolumens für Leistungen nach den Abschnitten O I und O II des EBM aF sei bereits durch die zum 1. April 1994 in Kraft getretenen Abwertungen einzelner Laboruntersuchungen realisiert worden. Einer darüber hinausgehenden Begrenzung der Abrechenbarkeit von Laborleistungen habe es zur Sicherung des Einsparvolumens nicht bedurft. Wenn sich das Leistungsverhalten der Ärzte zum zweiten gegenüber dem ersten Quartal 1994 nicht geändert hätte, hätten im Laborbereich auch ohne eine Budgetierung allein als Resultat der vorgenommenen Abwertungen die für die Finanzierung der Hausarztpauschale benötigten Beträge eingespart werden können. Bei der Einführung der begrenzten Gesamtpunktzahl für Laborleistungen habe sich der Bewertungsausschuß von sachfremden Erwägungen leiten lassen und insbesondere nicht untersucht, wie das Leistungsgeschehen im Laborbereich vor allem unter medizinischen Gesichtspunkten sachbezogen gesteuert werden sollte. Er habe vielmehr zunächst entschieden, eine hausärztliche Grundvergütung einzuführen und mit 45 Punkten zu bewerten. Daraufhin habe sich rechnerisch ergeben, wie hoch das Einsparvolumen bei den Laborleistungen sein müsse. Dieses Ergebnis sei bei der Neugestaltung des Kap O des EBM umgesetzt worden. Bei diesem Verfahrensablauf könne von einer stimmigen und kalkulatorisch nachvollziehbaren Bewertung der in der vertragsärztlichen Versorgung anfallenden Laborleistungen insgesamt nicht mehr die Rede sein. Auch die Zuordnung von Laborleistungen zu den Abschnitten O I (mit begrenzter Gesamtpunktzahl) und O II (ohne Punktzahlbegrenzung) sei als willkürlich zu beanstanden. Nach den Erläuterungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und der KÄBV habe sich der Bewertungsausschuß daran orientiert, daß die rationalisierungsfähigen und delegierbaren Laborleistungen in Abschnitt O I und die übrigen Laborleistungen in den Abschnitten O II und O III des EBM aufgeführt werden sollten. Dieses Prinzip sei jedoch nicht konsequent durchgehalten worden; denn in den Abschnitt O I seien zahlreiche Laborleistungen aufgenommen worden, bei denen keine Rationalisierungsmöglichkeiten bestünden. Die danach rechtswidrigen Regelungen könnten auch nicht unter Bezugnahme auf die Rechtslage bei den sog Anfangs- und Erprobungsregelungen gestützt werden. Der Bewertungsausschuß habe nämlich nach Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) über ein Jahr für eine sachgerechte Ausgestaltung der Laborleistungen Zeit gehabt. Schließlich sei die Berufung auf eine besonders weite Gestaltungsfreiheit des Normgebers bei Neuregelungen jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die der Gestaltung zugrundeliegende Konzeption im Hinblick auf die Besonderheiten des in Rede stehenden Leistungsbereichs schon im Ansatz verfehlt sei. Das sei hier der Fall, weil die Begrenzung der abrechnungsfähigen Laborleistungen mit Rationalisierungsreserven begründet worden sei, die konkret hinsichtlich vieler Leistungen nicht bestünden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Dezember 1995 sowie die Honorarbescheide für die Quartale II/94 und III/94 idF des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die gesamten von ihm in den Quartalen II/94 und III/94 kurativ-ambulant erbrachten Laboratoriumsuntersuchungen nach Abschnitt O I EBM in der ab dem 1. April 1994 geltenden Fassung uneingeschränkt zu vergüten,

hilfsweise, über die gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/94 und III/94 eingelegten Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, unter Nachweis der der für Gynäkologen festgesetzten Fallpunktzahl für Leistungen des Abschnitts O I EBM zugrundeliegenden Berechnungsgrundlagen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil im Lichte der Senatsentscheidung vom 20. März 1996 – 6 RKa 51/95 – für zutreffend. Die Fallpunktzahlen der einzelnen Fachgruppen seien auf der Grundlage des tatsächlichen Abrechnungsverhaltens im Jahre 1992 errechnet und um vermutete Einsparmöglichkeiten bereinigt worden, wobei Rationalisierungsreserven sowohl hinsichtlich der Leistungserbringung wie hinsichtlich der Indikationsstellung gesehen worden seien. Für eine willkürliche Festsetzung der Höhe der Fallpunktzahlen bestünden keine Anhaltspunkte.

Die Beigeladene schließt sich dem Vortrag der Beklagten an.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Die Begrenzung der für Basislaboruntersuchungen berechnungsfähigen Gesamtpunktzahl in Kap O Vorbemerkung zu Abschnitt I des EBM ist durch die gesetzliche Ermächtigung in § 87 Abs 2 und Abs 2b SGB V gedeckt. Die Festsetzung der Fallpunktzahl für die Arztgruppe des Klägers mit 40 Punkten für Allgemeinversicherte und Rentner ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Der Senat hat mit Urteil vom 20. März 1996 – 6 RKa 51/95 – (BSGE 78, 98, 104 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12) entschieden, daß die Einführung eines Praxisbudgets für Untersuchungsleistungen des Praxislabors durch den Bewertungsausschuß zum 1. April 1994 mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Er hat dazu ua ausgeführt, der gesetzliche Auftrag, über eine grundlegende, auch Strukturveränderungen einschließende Neufassung des Laborkapitels im EBM Wirtschaftlichkeitsreserven bei der Versorgung mit Laborleistungen zu erschließen, habe mehr als eine bloße Absenkung von Punktzahlen erfordert; denn jede Einsparung, die durch eine Abwertung von einzelnen Leistungspositionen realisierbar sei, hätte durch eine Ausweitung der Leistungsmenge wieder aufgezehrt werden können. Damit wäre das Ziel der Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven verfehlt worden. Dem habe der Bewertungsausschuß dadurch vorbeugen dürfen, daß er die pro Arztpraxis für Laborleistungen zur Verfügung stehende Punktzahl arztgruppenspezifisch und fallzahlabhängig begrenzt habe. Bei dieser Rechtslage führen die vom Kläger erhobenen Einwendungen, das angestrebte Einsparvolumen habe bereits durch die zum 1. April 1994 vorgenommenen Abwertungen zahlreicher Laborleistungen erreicht werden können, zu keiner anderen Beurteilung (zu anderen Aspekten des Praxisbudgets für Basislaborleistungen vgl Senatsurteil vom heutigen Tage in der Sache 6 RKa 3/96).

Die Begrenzung der pro Arztpraxis und Abrechnungsquartal abrechnungsfähigen Basislaborleistungen bei Frauenärzten auf eine Fallpunktzahl von 40 Punkten je Allgemeinversicherten und Rentner erweist sich gleichfalls als rechtmäßig.

Ebenso wie Verteilungsregelungen in Honorarverteilungsmaßstäben der KÄVen auf der Grundlage des § 85 Abs 4 Satz 2 SGB V stellen auch Vergütungsbestimmungen im EBM Regelungen der Berufsausübung der Vertragsärzte iS des Art 12 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) dar. Derartige Regelungen müssen, auch wenn sie in der gewählten Gestaltungsform (Praxisbudget für Basislaborleistungen) prinzipiell zulässig sind, den allgemein bei Eingriffen in die Berufsfreiheit zu beachtenden Grundsätzen der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit genügen und in ihrer Ausgestaltung die Unterschiede berücksichtigen, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen. Das ergibt sich insbesondere aus dem vom Senat bei der Prüfung von Honorarbegrenzungsregelungen am Maßstab des Art 12 Abs 1 GG stets mit herangezogenen allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG (BSGE 73, 131, 138 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 26; SozR 3-2500 § 85 Nr 8 S 49). Der zur strikten Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes verpflichtete Normgeber – hier der Bewertungsausschuß – ist allerdings berechtigt, im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität einer Regelung zu verallgemeinern, zu typisieren und zu pauschalieren. Der Bewertungsausschuß verfügt, wie der Senat im Rahmen von Entscheidungen zur Überprüfung einzelner Leistungsbeschreibungen und Leistungsbewertungen im EBM stets hervorgehoben hat, über einen Regelungsspielraum (vgl aus jüngster Zeit die Urteile vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 6/95 – = SozR 3-5533 Nr 763 Nr 1; vom 20. März 1996 – 6 RKa 51/95 = BSGE 78, 98, 107 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12; vom 13. November 1996 – 6 RKa 31/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Gerichte sind nicht befugt zu überprüfen, ob er jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat. Ein Verfassungsverstoß liegt erst vor, wenn die Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam ist, daß ihre Berücksichtigung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint (vgl BSGE 73, 131, 138 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 27). Hinzu kommt, daß dem Normgeber bei der Neuregelung komplexer Materien auch unter dem Gesichtspunkt der Anfangs- und Erprobungsregelungen ein Gestaltungsspielraum zusteht, weil sich häufig bei Erlaß der maßgeblichen Vorschriften deren Auswirkungen nicht in allen Einzelheiten übersehen lassen und deshalb auch gröbere Typisierungen und geringere Differenzierungen zunächst hingenommen werden müssen (vgl im Anschluß an BVerfGE 33, 171, 189; 70, 1, 34: BSG SozR 2200 § 368f Nr 14 S 50; BSGE 73, 131, 140 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 28; SozR 3-2200 § 368f Nr 3 S 8; SozR 3-2200 § 368g S 7). Dieser relativ weiten Gestaltungsfreiheit bei Anfangs- und Erprobungsregelungen korrespondiert allerdings eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht des Normgebers, wenn sich im Vollzug von ursprünglich gerechtfertigten Regelungen herausstellt, daß die die Norm legitimierenden Gründe weggefallen oder die Auswirkungen für einzelne betroffene Normadressaten unzumutbar geworden sind (vgl Senatsurteil vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 42/95 – = SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 80/81 mwN). Bei Anwendung dieser Prüfungsmaßstäbe ist die Festlegung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl im Abschnitt O I EBM für die Gruppe der Frauenärzte nicht zu beanstanden.

Der Kläger hält zunächst das Vorgehen des Bewertungsausschusses bei der Festlegung der Fallpunktzahl für die einzelne Arztgruppe für rechtswidrig. Soweit er davon ausgeht, daß die Fallpunktzahlen für die Arztgruppen vom Bewertungsausschuß – wie er unter Hinweis auf nicht näher belegte Äußerungen von “Mitgliedern der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung” andeutet – “ausgewürfelt” worden seien, ist diese Behauptung abwegig. Wie der Information durch die beigeladene KÄBV in ihrer Funktion als Vertragspartner des BMV-Ä über die bevorstehende Neustrukturierung des Laborbereichs und die Einführung einer arztgruppenspezifischen Behandlungspauschale (Deutsches Ärzteblatt vom 1. Oktober 1993, S A 2552) zu entnehmen ist, sind Ausgangsbasis der Berechnungen zur Höhe des in Punktzahlen bewerteten und nach Allgemeinversicherten und Rentnern differenzierenden Kontingents für Basislaborleistungen die bisherigen (dh im Jahr 1992 angefallenen) durchschnittlichen Fallwerte je Arztgruppe in Punktzahlen gewesen (aaO). Die Beigeladene hat – wie in der mündlichen Verhandlung im einzelnen erläutert worden ist – zunächst ermittelt, wieviele Punkte die Ärzte der einzelnen Fachgruppen für Basislaborleistungen durchschnittlich pro Behandlungsfall 1992 angefordert haben. In einem nächsten Schritt ist untersucht worden, wie sich die zum 1. April 1994 wirksam werdenden punktzahlmäßigen Abwertungen zahlreicher Laborleistungen der Abschn O I und O II des EBM rechnerisch auf die durchschnittliche Punktzahlanforderung bei konstantem Leistungsverhalten auswirken würden. Für die Gynäkologen ist der Bewertungsausschuß davon ausgegangen, daß eine Verminderung um ca 20 % der 1992 tatsächlich pro Quartal durchschnittlich angeforderten 53 Punkte für Basislaborleistungen pro Behandlungsfall den neuen Bewertungsrelationen angemessen Rechnung trägt. Schließlich ist ein weiterer Abschlag auf gerundet 40 Punkte vorgenommen worden, weil der Anreiz zur Erbringung medizinisch nicht indizierter und für unwirtschaftlich gehaltener Basislaborleistungen reduziert werden sollte. Dieses Vorgehen steht mit den gesetzlichen Vorgaben im Einklang.

Das Gesetz schreibt in § 87 Abs 2b Sätze 1 und 2 SGB V idF des GSG ausdrücklich vor, daß im EBM die Bewertungen der Laborleistungen bis zum 31. Dezember 1993 entsprechend der Vorgaben des § 87 Abs 2 Satz 2 SGB V anzupassen und neu zu ordnen sind. Zugleich sind hierbei strukturelle Veränderungen der Versorgung mit Laborleistungen einzubeziehen. Aus § 85 Abs 4a Satz 1 SGB V ergibt sich darüber hinaus, daß diese Neuordnung zu Einsparungen führen mußte, die zur Verbesserung der hausärztlichen Vergütung genutzt werden sollten. Das Gesetz hat den Umfang der Wirtschaftlichkeitsreserven als Folge auch von Rationalisierungen im Laborbereich (§ 87 Abs 2b Satz 2 iVm § 87 Abs 2 Satz 2 SGB V) nicht selbst bestimmt, sondern insoweit die Ermittlung und Festlegung dem Bewertungsausschuß übertragen. Dieser war im Hinblick auf die Einsparvorgabe des Gesetzes gehindert, die arztgruppenbezogene Fallpunktzahl ab dem Quartal I/94 in Höhe der tatsächlichen durchschnittlichen Punktanforderungen des Jahres 1992 festzusetzen, weil dann keine Honoraranteile vom Laborbereich zu Gunsten der hausärztlichen Vergütung hätten umgeschichtet werden können, vielmehr lediglich eine Umverteilung der Laborhonorare zwischen den einzelnen Praxen einer Arztgruppe eingetreten wäre.

Im Rahmen seiner Verpflichtung zur Steuerung des Leistungsgeschehens und zur Erschließung von Rationalisierungs- und Wirtschaftlichkeitsreserven (§ 87 Abs 2b Sätze 1 und 2 iVm Abs 2 Satz 2 und § 85 Abs 4a Satz 1 SGB V) hat der Bewertungsausschuß in konsequenter Orientierung am Einzelleistungsnachweis trotz Einführung eines Praxisbudgets (vgl Kölner Komm zum EBM, Stand 1996, S 24 f) zunächst Bewertungskorrekturen an den von der Budgetierung erfaßten einzelnen Basislaborleistungen vorgenommen. Daß er seinen gerichtlicher Nachprüfung nur begrenzt zugänglichen Regelungsspielraum hinsichtlich der Leistungsbewertung (vgl die Nachweise oben) überschritten haben könnte, ist nicht erkennbar. Als sachgerecht erweist sich auch die Festlegung der arztgruppenbezogenen Punktzahl für Basislaborleistungen. Es ist nicht zu beanstanden, daß der Bewertungsausschuß hierbei von den empirisch ermittelten Leistungsanforderungen der jeweiligen Arztgruppe ausgegangen ist und damit die je nach medizinischer Disziplin deutlich unterschiedliche Angewiesenheit auf Leistungen des Basislabors berücksichtigt hat; denn es spricht eine Vermutung dafür, daß die im Jahr 1992 – also noch ohne Beeinflussung durch die ab dem 1. Januar 1993 angeordnete Budgetierung der Gesamtvergütung gemäß § 85 Abs 3a SGB V – tatsächlich erbrachten Laborleistungen jedenfalls nicht hinter dem Maß des medizinisch Erforderlichen zurückgeblieben sind. Damit stellt sich die Festlegung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl in erster Linie als Umsetzung von Bewertungskorrekturen bei Einzelleistungen auf der Grundlage des tatsächlichen Abrechnungsverhaltens der einzelnen Arztgruppen in der Vergangenheit dar.

Eine über die generelle Einführung des praxisindividuellen Laborbudgets und die Vornahme von Bewertungsänderungen bei Einzelleistungen hinausgehende steuernde Tätigkeit hat der Bewertungsausschuß nur insofern entfaltet, als er einen über die 20 %ige Reduzierung der Ist-Werte des Jahres 1992 hinausgehenden Abschlag von rechnerisch 2,4 Punkten vorgenommen hat. Die hierzu gegebene Begründung, damit habe der in den Jahren vor 1992 überdurchschnittlichen und als unwirtschaftlich zu bewertenden Steigerung der Anforderungen bei bestimmten Leistungen des Basislabors Rechnung getragen werden sollen, läßt auch im Hinblick auf den geringen Umfang der Reduzierung von unter 10 % der Fallpunktzahl eine Überschreitung des Regelungsspielraums nicht erkennen. Der Bewertungsausschuß durfte zudem berücksichtigen, daß bei der Festlegung des für die einzelne Fachgruppe maßgeblichen Punktzahlenwertes im Jahre 1993 noch nicht bekannt war, welcher Anteil der 1992 angeforderten Punktmenge für Basislaborleistungen nach Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V den Vertragsärzten tatsächlich zugestanden hat.

Die Rechtswidrigkeit der Ausgestaltung des Praxisbudgets für bestimmte Laborleistungen ergibt sich auch nicht daraus, daß in den Abschnitt O I EBM Leistungspositionen aufgenommen worden sind, die nach der Beurteilung des Klägers keiner Rationalisierung zugänglich sind, wie dies zB bei den mikroskopischen Untersuchungen von Körpermaterial nach Nrn 3600 und 3601 BMÄ/E-GO der Fall sein soll. Die Schlußfolgerung von möglicherweise fehlenden Rationalisierungsmöglichkeiten, zu denen im übrigen das SG keine Feststellungen getroffen hat, auf die Fehlerhaftigkeit der Zuordnung einer bestimmten Untersuchung zum Abschnitt O I EBM ist indessen nicht gerechtfertigt. Nach der Neustrukturierung des Kap O über die Laboratoriumsleistungen zum 1. April 1994 wird nur noch zwischen allgemeinen Laborleistungen (Abschnitte O I und O II) und speziellen Laborleistungen (O III) differenziert. Die zuvor geltende Unterscheidung von Basisuntersuchungen (O I) und allgemeinen Untersuchungen (O II) ist nicht fortgeführt worden. Differenzierungskriterium für die Zuordnung einer Untersuchung zu den neuen Abschnitten O I oder O II des EBM ist nicht die Wertigkeit der Leistung oder der Aufwand bei der Leistungserbringung, sondern allein die Frage, ob eine Untersuchungsleistung der praxisbezogenen Budgetierung unterworfen werden sollte (Abschnitt O I) oder nicht (Abschnitt O II). Deshalb ist es nicht widersprüchlich, daß im Abschnitt O I EBM in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung Leistungen verzeichnet waren (zB nach Nrn 3620, 3711), die erheblich höher bewertet waren als Leistungen aus dem Abschnitt O II (zB Nrn 3701, 3858). Diejenigen allgemeinen Laborleistungen, die aus medizinisch-fachlichen Gründen häufig in Zusammenhang mit speziellen Laboruntersuchungen nach Abschnitt O III erbracht werden, sollten nach Darstellung der Beigeladenen als typische Auftragsleistungen von der Punktzahlbegrenzung und von dem zum 1. April 1994 eingeführten, allerdings vom Senat für rechtswidrig gehaltenen Überweisungsverbot für Leistungen des Basislabors – siehe Urteil vom 20. März 1996, – 6 RKa 21/95 – (= BSGE 78, 91 = SozR 3-5540 § 25 Nr 2) – ausgenommen werden. Es ist weder vom Kläger dargetan noch für den Senat ersichtlich, daß der Bewertungsausschuß dieses Abgrenzungskriterium zwischen budgetierten und nicht budgetierten Laborleistungen nicht beachtet hätte. Im übrigen sind zum 1. Januar 1996 die Leistungsziffern 3600 und 3601 durch die neue Ziffer 3602 (mikroskopische Untersuchung) ersetzt worden, die dem Abschnitt O II des EBM zugeordnet worden ist.

Darüber hinaus besteht keine gesetzliche Vorgabe in dem Sinne, daß nur Laborleistungen, bei denen noch Rationalisierungsmöglichkeiten bestehen, einer arztgruppenbezogenen Punktzahlbegrenzung unterworfen werden dürfen. § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V schreibt generell und nicht nur für Laborleistungen vor, daß im EBM Einzelleistungen zu Leistungskomplexen zusammenzufassen sind. Der Senat hat deshalb in dem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 20. März 1996 – 6 RKa 51/95 – (BSGE 78, 98, 104 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12) erwogen, ob die Bildung eines fallzahlabhängigen Praxisbudgets für bestimmte Laborleistungen unabhängig von dem gesetzlichen Auftrag, die Vergütung der Laborleistungen neu zu ordnen, bereits durch § 87 Abs 2a Sätze 1 und 2 SGB V gedeckt ist. Auf der Grundlage dieser Vorschrift hätte der Bewertungsausschuß für jeden Behandlungsfall eine arztgruppenspezifische, behandlungsfallbezogene Laborgebühr schaffen können, die als Pauschale den durchschnittlichen Aufwand pro Fall an Basislaboruntersuchungen abgelten würde. Die Abgeltung hätte dann auch solche Einzelleistungen erfaßt, die nach dem derzeitigen Stand der Technik keine oder nur sehr geringe Rationalisierungsmöglichkeiten bieten. Letzteres mag für die punktzahlmäßige Bewertung der einzelnen Leistung von Bedeutung sein, hat aber auf die Einbeziehung dieser Leistung in eine Pauschale oder in einen Leistungskomplex ebensowenig Auswirkung wie auf ihre Zuordnung zu einem fallzahlabhängigen Budget.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 955661

AusR 1998, 25

SozSi 1998, 74

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