Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 27.04.1995; Aktenzeichen L 2 Kn 6/95)

SG Dortmund (Urteil vom 07.10.1993)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. April 1995 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 7. Oktober 1993 zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für sämtliche Rechtszüge keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Geschiedenenwitwenrente an die Klägerin, obwohl diese im Scheidungsverfahren gegenüber dem Versicherten einen Unterhaltsverzicht erklärt hatte.

Die im Jahre 1929 geborene Klägerin war seit 1950 mit dem Versicherten W. K. … (K.) verheiratet; im selben Jahr wurde der Sohn Wilfried (W.) geboren. Seit etwa Sommer 1963 lebten die Eheleute getrennt. Die Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 6. November 1963 mit Rechtskraft vom selben Tage aus dem Verschulden des Versicherten geschieden. Im Scheidungsverfahren hatten die Eheleute zur Niederschrift des Landgerichts ua folgendes erklärt:

  1. „Für den Fall, daß die Ehe der Parteien aus alleinigem Verschulden des Beklagten (Versicherten) geschieden wird, verzichtet die Klägerin auf jeglichen Unterhaltsanspruch für die Zeit nach Rechtskraft des Scheidungsurteils, und zwar auch für den Fall des Notbedarfs.
  2. Die Parteien sind darüber einig, daß die elterliche Gewalt über das gemeinsame Kind Wilfried, geboren am 6.11.1950, der Klägerin übertragen wird.”

K., der ebensowenig wie die Klägerin wieder geheiratet hatte, verstarb am 3. September 1979; er war bei seinem Tode beschäftigungslos. Nach Zeugenbekundungen einer Schwester und einer Nichte vor dem Sozialgericht (SG) soll er kurz vor seinem Tode wegen „seines Alkoholismus” in einem Krankenhaus behandelt worden und auch dort gestorben sein.

K. war bis Juni 1963 im Übertagebetrieb einer Zeche beschäftigt und zuvor Gedingearbeiter gewesen; wegen eines Meniskusschadens bezog er ab Oktober 1962 eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vH mit einer laufenden Zahlung ab August 1963 in Höhe von DM 80,50/Monat; die Rente wurde mit Ablauf des Monats Februar 1964 entzogen. Ab Juli 1963 war K. bei der Firma H. … in Dortmund beschäftigt und erzielte dort bis Ende Dezember 1963 ein Bruttoentgelt von ca DM 3.640,–; in den Jahren 1964 und 1965 betrugen die Bruttoentgelte bei je zwölf Beschäftigungsmonaten ca DM 8.660,– bzw 10.530,–. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung hat er lediglich bis zum 17. Januar 1966 entrichtet. In der Folgezeit war er nach dem Vortrag der Klägerin zeitweilig als Vertreter tätig; zeitweise sei er ohne bekannten Wohnsitz gewesen.

Die Klägerin war seit Mai 1960 – erneut – versicherungspflichtig beschäftigt; hierzu hat sie vor dem SG angegeben, sie habe eine Arbeit aufnehmen müssen, um Unterhalt für sich und ihren Sohn zu haben, K. habe schon vor der Scheidung von seinem Arbeitsverdienst hierfür kein Geld gegeben. Nach dem Versicherungsverlauf erhielt sie im Jahre 1963 vom 1. Januar bis 19. September ein versicherungspflichtiges Entgelt von ca DM 3.400,– und vom 20. September bis zum 31. Dezember ein solches von ca DM 1.690,–. Sie blieb in der Folgezeit bis Mai 1977 durchgehend versicherungspflichtig beschäftigt mit einer Lücke lediglich für die Zeit vom 1. September 1972 bis 2. Januar 1973. Seit Mai 1977 war sie arbeitslos und bezog bis März 1979 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, zuletzt Arbeitslosenhilfe (Alhi). Vom 19. März bis 4. April sowie 4. Mai bis 3. September 1979 war sie wiederum versicherungspflichtig beschäftigt (Bruttogesamtentgelt von ca DM 5.310,–). In der Folgezeit bezog sie erneut Arbeitslosengeld und Alhi; seit April 1994 bezieht sie eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Einen ersten Antrag auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des K. hatte die Beklagte durch bindend gewordenen Bescheid vom 17. März 1980 abgelehnt. Auf einen erneuten Antrag vom November 1988 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. August 1989 und Widerspruchsbescheid vom 27. November 1989 die Rücknahme des früheren Bescheides und die Gewährung von Rente ab.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. Oktober 1993); auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die Beklagte jedoch verurteilt, unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 21. August 1989 und vom 27. November 1989 Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des K. ab 1. April 1989 zu gewähren (Urteil vom 27. April 1995). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verzicht auf den Unterhaltsanspruch sei für den Rentenanspruch der Klägerin ausnahmsweise rechtsunbedeutend. Eine Unterhaltsverpflichtung des K. habe aus den Gründen des § 65 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) sowohl zur Zeit seines Todes als auch zur Zeit der Scheidung der Ehe nicht bestanden; die Klägerin habe bei Erklärung des Unterhaltsverzichts sowie bei (unterstellter) Kenntnis aller zu diesem Zeitpunkt vorliegenden objektiven Umstände vernünftigerweise auch in Zukunft nicht mit dem Entstehen von rentenrechtlich relevanten Unterhaltsansprüchen gegen ihren früheren Ehemann rechnen können und brauchen; durch den Verzicht habe sich das Risiko der Rentenversicherung bei der Gewährung von Renten aus § 65 RKG nicht erhöht. Im Zeitpunkt der Scheidung habe sich für K. ein Nettoeinkommen von rund DM 580,–/Monat, zuzüglich der Verletztenrente von monatlich ca DM 80,–, ergeben. Abzüglich des Unterhalts für W. in Höhe von DM 100,–/Monat habe K. damit DM 560,–/Monat zum Unterhalt der Eheleute beitragen können. Die Klägerin habe damals demgegenüber ein durchschnittliches Netto-Erwerbseinkommen von rund DM 385,–/Monat gehabt. Von dem Gesamt-Nettoeinkommen beider Eheleute zum Zeitpunkt der Scheidung in Höhe von DM 940,–hätten der Klägerin wegen Erwerbsarbeit „wenigstens” drei Siebtel hiervon, also DM 403,–/Monat zugestanden. Dies entspreche, mit einem Fehlbetrag von DM 18,–/Monat, ihrem eigenen Netto-Erwerbseinkommen. Der Fehlbetrag unterschreite 25 vH des damaligen Sozialhilfe-Regelsatzes (DM 27,–/Monat). Die Klägerin habe damit mit ihrem Unterhaltsverzicht auf einen Unterhaltsanspruch verzichtet, der im Zeitpunkt der Scheidung schon wegen Einkommens aus eigener Erwerbstätigkeit nicht bestanden habe. Die Klägerin sei damals auch keiner ihr wegen der Erziehung des damals 13jährigen W. (teilweise) unzumutbaren Erwerbstätigkeit nachgegangen. Denn sie sei bereits seit Mai 1960 regelmäßig erwerbstätig gewesen. Die Gründe hierfür könnten dahinstehen. Jedenfalls sei damit die Abwesenheit der Klägerin von ihrem Kind selbstverständliche Gewohnheit im täglichen Familienumgang geworden. Auch könne die Fortsetzung eigener Erwerbstätigkeit durchaus als erzieherisches Handeln der Mutter gegenüber W. angesehen werden, indem sie durch die materielle Sorge für die Existenzsicherung ein Vorbild geboten habe. Der Senat halte es insgesamt für nicht vertretbar, dem Anspruch auf Rente nach § 65 RKG nunmehr gleichsam mit erhobenem Finger entgegenzuhalten, tatsächlich für den Familienunterhalt verwandtes Einkommen sei durch unzumutbare Erwerbstätigkeit erzielt worden. Für den Zeitpunkt des Todes des K. im Jahre 1979 habe die Klägerin ihren Lebensbedarf von rund DM 760,–/Monat (hochgerechnet aus ihrem Unterhaltsbedarf im Zeitpunkt der Scheidung) aus eigenem Erwerbseinkommen erfüllen können, so daß ihr schon aus diesem Grunde damals kein Unterhaltsanspruch gegen K. zugestanden habe. Die Klägerin habe auch bei vernünftiger Betrachtungsweise aller im Zeitpunkt der Verzichtserklärung vorliegenden objektiven Umstände nicht damit rechnen können, daß ein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten damals und auch in der Folgezeit bis zu dessen Tod nicht mehr entstehen werde. Das LSG folge nicht der Betrachtungsweise des Bundessozialgerichts (≪BSG≫; Hinweis auf das Urteil vom 26. August 1994 – 13 RJ 15/94), wonach Wechselfälle des Lebens wie etwa Eintritt von Krankheit und Arbeitslosigkeit zum normalen Ablauf des Arbeitslebens gehörten, so daß, bestünden solche Risiken, ein Unterhaltsverzicht von vornherein nicht als „leere Hülse” gewertet werden könne. Vielmehr sei einer früheren Ehefrau zuzugestehen, bei Abgabe einer Verzichtserklärung grundsätzlich darauf zu vertrauen, aus eigener Erwerbstätigkeit zumindest die Grundbedürfnisse ihres Lebensunterhalts bestreiten zu können. Dies habe jedenfalls dann zu gelten, wenn die Arbeitskraft nicht wesentlich beeinträchtigt sei, seit längerer Zeit ununterbrochen für eine den körperlichen und sachlichen Fähigkeiten gemäße Erwerbstätigkeit genutzt werde und auch weiter genutzt werden solle. Die Auffassung des BSG führe demgegenüber zu einer nach dem Gleichheitssatz bedenklichen Bevorzugung nahezu gefahrlos „gesicherter” früherer Ehefrauen wie etwa Beamtinnen oder Richterinnen auf Lebenszeit. Der Zeitpunkt des Rentenbeginns folge daraus, daß die Klägerin im März 1989 ihr 60. Lebensjahr vollendet habe (§ 65 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 sowie § 82 Abs 1 und 4 RKG).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine fehlerhafte Anwendung des § 65 RKG. Die Klägerin sei im Zeitpunkt der Scheidung – auch wegen der notwendigen Betreuung des Kindes – nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet gewesen; daß die Klägerin bereits im Mai 1960 – als W. neun Jahre alt gewesen sei -eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe, sei nach ihren Angaben deshalb erfolgt, weil sie von K. weder für sich noch für das Kind Geld zum Unterhalt bekommen habe. Auch nach der Ehescheidung sei die ausgeübte Erwerbstätigkeit – zumindest im Umfang einer vollschichtigen Tätigkeit – weiterhin unzumutbar gewesen. Damit aber habe die Klägerin mit ihrem Unterhaltsverzicht auf einen nach § 65 RKG relevanten und durchsetzbaren Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt der Scheidung verzichtet. Ebenso habe im Zeitpunkt des Todes von K. – ohne Berücksichtigung des ausgesprochenen Verzichts – ein Unterhaltsanspruch der Klägerin bestanden. Insoweit sei auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand abzustellen. Von einem solchen könne ua dann nicht ausgegangen werden, wenn sich kurzfristige Beschäftigungen mit beschäftigungslosen Zeiten abwechselten (Hinweis auf BSG vom 10. Juli 1986, SozR 2200 § 1265 Nr 80). So aber sei es bei der Klägerin gewesen. Sie sei von Mai 1977 bis März 1979 arbeitslos gewesen; danach habe vom 19. März 1979 bis 3. April 1979 und 1. Mai 1979 bis zum 3. September 1979 (dem Todestag des K.) ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden; nach diesem Tage habe die Klägerin keine versicherungspflichtige Tätigkeit mehr aufgenommen. Hinsichtlich der Bewertung der sog Wechselfälle des Lebens wie Arbeitslosigkeit und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit schließt sich die Beklagte der vom LSG abgelehnten Bewertung des BSG an. Auf dieser Grundlage hätte die Klägerin im Zeitpunkt der Ehescheidung das Entstehen zukünftiger Unterhaltsansprüche nicht ausschließen können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. April 1995 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 7. Oktober 1993 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. April 1995 zurückzuweisen.

Sie führt ua aus, das LSG sei nicht von dem Urteil des 13. Senats abgewichen, mit dem es sich auseinandergesetzt habe. In dem vom 13. Senat entschiedenen Fall sei zu erwarten gewesen, daß der Versicherte nach Wegfall der Unterhaltsleistung an seine Kinder auch Unterhalt an seine frühere Ehefrau hätte leisten können; hingegen habe das LSG ausdrücklich festgestellt, daß der Versicherte auch nach Wegfall der Unterhaltsleistung für seinen Sohn keinen rentenrechtlich bedeutsamen Unterhaltsbeitrag an die Klägerin hätte leisten können. Hinsichtlich der vom LSG getroffenen Feststellungen habe die Beklagte keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Der Klägerin steht keine Geschiedenenwitwenrente nach § 65 RKG zu. Denn der von ihr im Scheidungsverfahren ausgesprochene Unterhaltsverzicht stellt sich nach den hierfür in der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Voraussetzungen nicht als lediglich „leere Hülse” dar.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach § 65 Abs 1 RKG, denn ihre Ehe ist vor dem 1. Juli 1977 geschieden und der Rentenantrag vor dem 31. März 1992 gestellt worden; er bezieht sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung ≪SGB VI≫; vgl BSG vom 21. Januar 1993, BSGE 72, 39, 41 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 9).

Nach § 65 Abs 1 Satz 1 RKG ist einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente zu gewähren, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte, oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Beide Alternativen sind hier nicht gegeben. Eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten bestand schon wegen des bei der Scheidung vereinbarten Unterhaltsverzichts nicht. An dessen Wirksamkeit bestehen keine Zweifel. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit nach § 72 Satz 3 EheG sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu erkennen, daß der Unterhaltsverzicht absichtlich zu Lasten der Sozialhilfe vereinbart worden wäre oder daß sich aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des Verzichts zwangsläufig eine Belastung der Sozialhilfe ergab (vgl dazu BGH vom 8. Dezember 1982, BGHZ 86, 82, 88 f). Zwar fehlen im Berufungsurteil entsprechende ausdrückliche Feststellungen. Die Klägerin hat aber soweit ersichtlich zu Lebzeiten des Versicherten keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen. Da sie bereits vor der Vereinbarung des Unterhaltsverzichts berufstätig war, spricht auch nichts für eine Sittenwidrigkeit wegen nachhaltiger Verschlechterung der Betreuungssituation des Kindes W. durch den Unterhaltsverzicht.

Dabei kann offenbleiben, wie der hier zu prüfende, im Jahre 1963 vereinbarte Unterhaltsverzicht nach dem neuen, ab 1. Juli 1977 geltenden Eherecht zu beurteilen wäre, insbesondere angesichts des zu diesem Zeitpunkt eingeführten besonders geschützten Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫; s hierzu BGH vom 24. April 1985 – IVb ZR 22/84, NJW 1985, 1833 = ZfSH/SGB 1985, 561). Denn im Jahre 1977 hatte die Klägerin jedenfalls kein Kind mehr zu betreuen, da W. damals bereits 27 Jahre alt wurde.

Ein umfassender endgültiger Verzicht wie der vorliegende schließt jegliche Unterhaltsverpflichtung nach dem EheG und damit die daran anknüpfende erste Alternative des § 65 Abs 1 Satz 1 RKG aus (vgl BSG vom 28. März 1979, SozR 2200 § 1265 Nr 40 mwN). Tatsächliche Unterhaltsleistungen (zweite Alternative) hat der Versicherte nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG, die für den erkennenden Senat bindend sind (§ 163 SGG), nicht erbracht.

Auch aus § 65 Abs 1 Satz 2 RKG kann die Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht herleiten. Ist eine Witwenrente nicht zu gewähren, so findet nach dieser Vorschrift Satz 1 des § 65 Abs 1 RKG auch dann Anwendung,

  1. wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat und
  2. wenn die frühere Ehefrau im Zeitpunkt der Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen oder für ein Kind, das wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen Waisenrente erhielt, zu sorgen oder das 45. Lebensjahr vollendet hatte und
  3. solange sie berufsunfähig (§ 46 Abs 2 RKG) oder erwerbsunfähig (§ 47 Abs 2 RKG) ist oder mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht oder für ein Kind, das wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen Waisenrente erhält, sorgt oder wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hat.

Witwenrente ist hier zwar nicht zu gewähren. Darüber hinaus müssen aber auch die Voraussetzungen der Nrn 1 bis 3 kumulativ vorliegen (vgl BSG vom 19. August 1976, BSGE 42, 156, 157 = SozR 2200 § 1265 Nr 22). Hier sind bereits die Tatbestandsmerkmale der Nr 1 nicht gegeben. Fehlte die Unterhaltspflicht des Versicherten aus anderen als den dort genannten Gründen, kann § 65 Abs 1 Satz 2 RKG keinen Rentenanspruch begründen (vgl BSG vom 22. August 1975, BSGE 40, 155, 156 = SozR 2200 § 1265 Nr 6; BSG vom 22. Juli 1992, SozR 3-2200 § 1265 Nr 8 S 34). Folglich schließt ein Unterhaltsverzicht der früheren Ehefrau auch im Rahmen des § 65 Abs 1 Satz 2 RKG grundsätzlich die Gewährung von Geschiedenenwitwenrente aus (vgl BSG vom 21. Januar 1993, BSGE 72, 39, 45 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 9). Ein derartiger Unterhaltsverzicht ist jedoch aus Billigkeitsgründen dann als unschädlich für den Rentenanspruch nach § 65 Abs 1 Satz 2 RKG anzusehen, wenn er im Hinblick auf die in Nr 1 dieser Vorschrift genannten wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten nur deklaratorischen Charakter hatte, mithin einer „leeren Hülse” gleichkam (vgl BSG aa0).

Diesen Tatbestand sieht der erkennende Senat – in Übereinstimmung mit den übrigen für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zuständigen Senaten des BSG (dem 4., 5. und 13. Senat) – dann als erfüllt an, wenn ohne die Verzichtserklärung der Ehefrau schon im Zeitpunkt der Scheidung sowie im Zeitpunkt des Todes des Versicherten aus den in § 65 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RKG genannten wirtschaftlichen Gründen kein Unterhaltsanspruch bestand und auch nach den bei Abschluß der Vereinbarung über den Unterhaltsverzicht gegebenen objektiven Umständen vernünftigerweise für die Zukunft nicht mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau gerechnet werden konnte (vgl BSG vom 21. Januar 1993, BSGE 72, 39, 45 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 und vom 16. Dezember 1993, BSGE 74, 9, 15 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 12, jeweils mwN). Dabei kommt es jeweils nur auf rentenrechtlich relevante Unterhaltsansprüche an, die also zumindest 25 % des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe erreichen oder übersteigen (vgl BSG vom 12. Mai 1982, BSGE 53, 256 = SozR 2200 § 1265 Nr 63 und BSG vom 7. September 1982, SozR 2200 § 1265 Nr 65; BSG vom 16. Dezember 1993, BSGE 74, 9, 15 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 12 mwN). Die subjektiven Überlegungen der früheren Ehepartner und damit auch die Frage, welche dieser Erwägungen ausschlaggebend für die Erklärung des Unterhaltsverzichts waren, sind in diesem Zusammenhang ebenso unerheblich (vgl BSG vom 16. Dezember 1993, BSGE 74, 9, 18 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 12; BSG vom 21. Januar 1993, BSGE 72, 39, 46 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 S 52) wie Billigkeitserwägungen, etwa, ob der Verzicht aus der Situation der Klägerin „verständlich” war oder nicht (zur „Konventionalscheidung” s BSG vom 12. Oktober 1993, SozR 3-2200 § 1265 Nr 11 S 64 mwN).

Im vorliegenden Fall kann – entgegen den Annahmen des LSG – die erste der genannten Voraussetzungen, nämlich das Nichtbestehen eines rentenrechtlich relevanten Unterhaltsanspruchs im Zeitpunkt der Scheidung, jedenfalls bisher nicht festgestellt werden (1); selbst wenn man insoweit jedoch dem LSG folgt, liegt jedenfalls die Voraussetzung nicht vor, daß bei Vereinbarung des Unterhaltsverzichts vernünftigerweise nicht mit dem Entstehen eines solchen Unterhaltsanspruchs in der Zukunft gerechnet werden konnte (2).

(1) Entgegen der Meinung des LSG waren – legt man seine Feststellungen zugrunde – im Zeitpunkt der Scheidung auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin ihre eigenen Erwerbseinkünfte jedenfalls nicht in voller Höhe anzurechnen; damit aber hätte ihr ein Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann in rentenrechtlich relevantem Umfang zugestanden.

a) Das LSG hat im Berufungsurteil ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob die Klägerin bereits im Mai 1960 (als also ihr Sohn 9 1/2 Jahre alt war) ihre eigene Erwerbstätigkeit aus dem Grunde aufgenommen hatte, weil der Versicherte nicht bereit gewesen sei, für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Auch der Senat kann dies offen lassen. Der Grundsatz, daß bei der Annahme einer Erwerbsverpflichtung auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist (so das Berufungsurteil, Bl 19 unten, unter Hinweis auf ein BGH-Urteil, in dem jedenfalls als Grundsatz herausgestellt wird, daß bei Betreuung eines Kindes von 11 bis 15 Jahren im allgemeinen eine Teilzeitbeschäftigung, uU auch unterhalb einer Halbtagstätigkeit, in Betracht kommt: BGH vom 18. April 1984 – IVb ZR 80/82, NJW 1984, 2355, 2356) kann jedoch nicht zu einer Billigkeitsargumentation im Hinblick auf den Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente führen, bei der die Gründe für die Erwerbstätigkeit der Frau außer acht gelassen werden. Auch der BGH differenziert für den Unterhaltsanspruch danach, ob eine Tätigkeit aus Not wegen unzureichender Versorgung durch den Ehegatten aufgenommen wurde oder aus freien Stücken (BGH vom 23. September 1981 – IVb ZR 600/80, NJW 1981, 2804, 2805).

b) Jedenfalls im Zeitpunkt der Scheidung waren auf der Grundlage des vom LSG festgestellten Sachverhalts die eigenen Erwerbseinkünfte der Klägerin nicht voll auf ihren Unterhaltsanspruch anzurechnen, weil ihr die tatsächlich ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit wegen der Betreuung ihres 13-jährigen Sohnes nicht in diesem Umfang unterhaltsrechtlich zumutbar war.

Zum Unterhaltsanspruch nach § 58 EheG gilt allgemein, daß die geschiedene Frau auch trotz Einkünften aus eigener Erwerbstätigkeit unterhaltsbedürftig ist, wenn der auf Unterhalt in Anspruch genommene frühere Ehemann sie billigerweise auf diese Einkünfte nicht verweisen könnte (BSG vom 22. März 1968,

SozR Nr 42 zu § 1265 RVO; BSG vom 25. September 1969, SozR Nr 52 zu § 1265 RVO; die frühere Rechtsprechung – BSG vom 21. Januar 1959, BSGE 9, 86 und BSG vom 5. Mai 1961 – 1 RA 49/59, MittRuhrKn 1962, 65 – ist hiernach überholt). Die geschiedene Frau hat in der Regel das Recht, Kinder selbst zu erziehen, während der für schuldig erklärte Mann durch Unterhaltsleistungen die Sorge für ihre Kinder durch Beaufsichtigung und Erziehung zu ermöglichen hat. In Anwendung dieser Grundsätze hat das BSG bereits (im Jahre der Ehescheidung der Klägerin) entschieden (Urteil vom 28. November 1963, SozR Nr 16 zu § 1265 RVO), daß der Annahme der Zumutbarkeit einer Halbtagsbeschäftigung nicht entgegenstehe, wenn die geschiedene Ehefrau ein etwa 13- bis 14-jähriges schulpflichtiges Kind zu betreuen habe (damals allerdings mit der Besonderheit, daß die geschiedenen Eheleute wieder zusammen lebten, so daß die Mutter nicht alleinerziehend war; vgl ferner BSG vom 27. Februar 1970 – 12 RJ 244/69, FamRZ 1970, 646: Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit bei Versorgung eines 18-jährigen Sohnes; BSG vom 25. November 1970 – 12 RJ 524/68, FamRZ 1971, 90: Unzumutbarkeit bei zwei Kindern im Alter von neun und zwölf Jahren). Dem entspricht, daß die Rechtsprechung der Zivilgerichte damals wie heute bei Betreuung eines 14-jährigen Kindes regelmäßig von der Zumutbarkeit höchstens einer Halbtagsbeschäftigung der Mutter ausgeht (s außer dem bereits zitierten Urteil BGH NJW 1984, 2355 zB Brühl, Unterhaltsrecht, 2. Aufl 1963, S 130 ff; zur Gerichtspraxis des Jahres 1974 Kalthoener/Haase-Becker/Büttner, Die Rechtsprechung der Landgerichte zur Höhe des Unterhalts, 1975, RdNr 127 f; zum Stand der Rechtsprechung im Jahre 1993: Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 5. Aufl 1993, RdNr 403; jeweils mwN).

Selbst unter Anrechnung der vollen Einkünfte der Klägerin aus ihrer Erwerbstätigkeit bestand auf der Grundlage des vom LSG aufgestellten Rechenwerks im Zeitpunkt der Scheidung noch ein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten, der lediglich die rentenrechtlich relevante Größenordnung nicht erreichte (DM 18,– statt der erforderlichen DM 27,–/Monat). Hieraus ergibt sich aber folgerichtig, daß, rechnet man das Arbeitsentgelt der Klägerin nicht (bei Unzumutbarkeit jeder Erwerbstätigkeit) oder nur teilweise (bei Zumutbarkeit nur einer Teilzeitbeschäftigung) auf ihren Unterhaltsanspruch an, dieser im Zeitpunkt der Scheidung in jedem Falle rentenrechtlich erheblich war. Hieran würde auch nichts ändern, wenn man dem Einkommen der geschiedenen Ehegatten die Unfallrente des K. nicht (oder nur teilweise) hinzurechnet – sei es wegen unterstellten Mehrbedarfs aufgrund des Meniskusschadens, sei es wegen der möglicherweise schon bei der Scheidung vorhersehbaren Entziehung der Rente mit Ablauf des Monats Februar 1964.

Von der Zumutbarkeit (nur) einer Halbtagstätigkeit ist auch das erstinstanzliche Urteil ausgegangen. Hinweise auf besondere Umstände des Einzelfalles, wonach abweichend von der Regel die ausgeübte Erwerbstätigkeit im Zeitpunkt der Scheidung in der Tat unterhaltsrechtlich in vollem Umfang zumutbar war, bestehen nach den Feststellungen des LSG nicht. Dieses gibt im Gegenteil im Tatbestand seines Urteils den erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin wieder, sie sei im Jahre 1960 wegen mangelnder Unterhaltszahlungen von K. zur Arbeitsaufnahme gezwungen gewesen. Allein aus der Erklärung des Unterhaltsverzichts im Scheidungsverfahren kann nichts Gegenteiliges geschlossen werden.

Demgegenüber enthält die Begründung, aus der das LSG die Anrechenbarkeit des vollen Arbeitsentgelts der Klägerin ableitet, bei näherer Betrachtung nur Billigkeitserwägungen. Die auf Bl 19 bis 21 des Berufungsurteils angestellten Überlegungen (Gewohnheit im täglichen Familienumgang, erzieherisches Beispiel) hätten der Klägerin bei einer Unterhaltsklage gegen den Versicherten im Zeitpunkt der Scheidung jedenfalls nicht entgegengehalten werden können. Die Zielrichtung seiner Argumentation wird durch die abschließende Überlegung des LSG zu diesem Thema deutlich: „Der Senat hält es deswegen insgesamt für nicht vertretbar, dem Anspruch auf Rente nach § 65 RKG nunmehr gleichsam mit erhobenen Finger entgegenzuhalten, tatsächlich für den Familienunterhalt verwendetes Einkommen sei durch unzumutbare Erwerbstätigkeit erzielt worden und müsse deswegen so behandelt werden, wie wenn es den aus § 58 EheG herleitbaren Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten nicht beeinflußt hätte.”

Auf dieser tatsächlichen Grundlage jedoch können die Grundsätze über die Unbeachtlichkeit eines Unterhaltsverzichts als „leere Hülse” im vorliegenden Fall schon deshalb keine Anwendung finden, weil der Klägerin hiernach im Zeitpunkt der Scheidung in der Tat ein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten zustand, auf den sie – konstitutiv und nicht nur deklaratorisch – verzichtet hat.

(2) Der Senat läßt dahingestellt, ob bei dieser Sachlage eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts angebracht wäre. Denn der Anspruch der Klägerin auf Rente nach § 65 RKG scheitert jedenfalls daran, daß – entgegen der Ansicht des LSG – nach den bei Abschluß der Vereinbarung über den Unterhaltsverzicht gegebenen objektiven Umständen vernünftigerweise nicht auszuschließen war, daß in Zukunft Unterhaltsansprüche entstehen konnten. Auch dann ist ein Unterhaltsverzicht keine „leere Hülse”. Ein solcher kann nur unbeachtet bleiben, wenn er keine Auswirkung auf das Konzept des § 65 RKG hatte, also nur die Konsequenzen aus der ohnehin vorhandenen Situation gezogen hat. Wer jedoch einen Unterhaltsanspruch hat oder auch nur zu erwarten hat und darauf verzichtet, schafft willentlich einen neuen Tatbestand. Er kann nicht erwarten, zu Lasten der Rentenversicherung so behandelt zu werden, als hätte er den Unterhaltsanspruch immer noch; nur wer keinen Unterhaltsanspruch hatte oder zu erwarten hatte, verändert durch einen erklärten Verzicht nichts. Er zerstört nicht eine bisher vorhandene Basis eines Rentenanspruchs, sondern bestätigt lediglich eine Situation, welches der Gesetzgeber gerade durch § 65 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RKG Rechnung tragen wollte.

Bei der Prüfung von einer evtl zu erwartenden Bedürftigkeit muß nach Auffassung des 13. Senats des BSG einkommensmindernden Wechselfällen wie dem Eintritt von Krankheit oder Arbeitslosigkeit im Rahmen der Prognose grundsätzlich Rechnung getragen werden. Sie gehören zum normalen Ablauf eines Arbeitslebens und können nur unter besonderen Umständen ausgeschlossen werden. Das Vorliegen von in dieser Hinsicht abgesicherten Lebensverhältnissen bildet die Ausnahme. Mögliche Ansprüche auf Krankengeld oder Arbeitslosengeld vermögen wegen ihrer zeitlichen Begrenztheit eine Sicherung, die spätere Unterhaltsansprüche ausschließt, nicht zu gewährleisten. Hiermit kommt die Annahme einer „leeren Hülse” nur dann in Betracht, wenn die Ehefrau, aus welchen Gründen auch immer, keinen Unterhaltsanspruch zu erwarten hat, also entweder der geschiedene Ehemann zB bereits im Zeitpunkt der Scheidung (etwa wegen Alkoholsucht) über kein nennenswertes eigenes Einkommen verfügt oder aber die Ehefrau selbst zB eine unkündbare Stellung (etwa als Beamtin) innehat (vgl BSG 13. Senat vom 16. Dezember 1993, SozR 3-2200 § 1265 Nr 12 S 84 f sowie deutlich BSG vom 26. August 1994 – 13 RJ 15/94 –, HV-INFO 1994, 3148 = BAGUV RdSchr 26/95).

Hiermit nicht ganz im Einklang scheint das Urteil des 5. Senats des BSG vom 8. September 1993 (- 5 RJ 8/93 –, HV-INFO 1994, 327 = BAGUV RdSchr 49/94) zu stehen. Der 5. Senat legte ebenfalls zugrunde, daß eine „leere Hülse” nur dann vorliegen kann, wenn nach den bei Abschluß des Unterhaltsverzichts gegebenen objektiven Umständen vernünftigerweise in Zukunft nicht mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Frau gerechnet werden konnte. Er sah diese Voraussetzung jedoch in dem von ihm entschiedenen Fall als gegeben an; der Ehemann war vor der Scheidung straffällig geworden und deswegen inhaftiert gewesen, zur Zeit der Scheidung konnte er keinen Unterhalt leisten.

Im vorliegenden Fall jedoch hätte das LSG auf der Grundlage beider Auffassungen zum selben Ergebnis gelangen müssen. Geht man – mit ihm – davon aus, daß im Zeitpunkt der Scheidung ein Unterhaltsanspruch der Klägerin – bei voller Anrechnung ihrer Erwerbseinkünfte – in der Tat gegeben war, jedoch knapp unterhalb des rentenrechtlich relevanten Ausmaßes blieb, so konnte in keinem Fall davon ausgegangen werden, daß ein solcher auch in Zukunft nicht entstehen würde. Denn dann hätte schon ein – vorhersehbares – leichtes Absinken der Einkünfte der Klägerin oder ein entsprechendes Ansteigen derjenigen des Versicherten – zB auch durch den Wegfall von dessen Unterhaltsverpflichtung gegenüber W. –, ausgereicht, um einen Unterhaltsanspruch in rentenrechtlich erheblichem Ausmaß zu begründen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob sich die Klägerin durch ihre sozialrechtlichen Lohnersatzansprüche (Krankengeld/Arbeitslosengeld/evtl Rente) persönlich genügend abgesichert fühlen durfte, sondern allein darauf, ob vernünftigerweise mit dem künftigen Entstehen von Unterhaltsansprüchen gerechnet werden konnte. Leichte Verschiebungen der Einkommenslage aber können nach diesen Maßstäben nie ausgeschlossen werden, auch ohne daß auf „Wechselfälle des Lebens” im og Sinne abgestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174630

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