Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 30.01.2014; Aktenzeichen 60 PV 20.12) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg – Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Berlin – vom 30. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 91 Abs. 2 BlnPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
1. Die Grundsatzrüge gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG greift nicht durch.
Der Beteiligte sieht der Sache nach als klärungsbedürftig an, ob der Einsatz erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (sog. „MAE-Kräfte”) in Arbeitsgelegenheiten gemäß § 16d Abs. 1 und 7 SGB II in einer Dienststelle auch dann wegen Erfüllung des Tatbestands der Einstellung der Mitbestimmung gemäß § 87 Nr. 1 BlnPersVG oder der Mitwirkung gemäß § 90 Nr. 10 BlnPersVG unterliegt, wenn die Dienststelle im sozialrechtlichen Sinne nicht selbst Maßnahmenträger ist, sondern die MAE-Kräfte von einem privaten Dritten vermittelt und angeleitet werden, der seinerseits durch die Agentur für Arbeit als Maßnahmenträger eingeschaltet worden ist und Förderleistungen für die Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten in Anspruch nimmt. Diese Frage hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, denn sie ist unter Berücksichtigung des Senatsurteils vom 21. März 2007 (BVerwG 6 P 4.06 – BVerwGE 128, 212 = Buchholz 251.8 § 78 RhPPersVG Nr. 1; für § 99 Abs. 1 BetrVG ebenso BAG, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 1 ABR 60/06 – BAGE 124, 182) eindeutig mit dem Oberverwaltungsgericht zu bejahen, so dass kein Bedarf für die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens besteht.
Der Senat hat in dem Urteil vom 21. März 2007, der die mit § 16d Abs. 1 und 7 SGB II im hier interessierenden Umfang deckungsgleichen Bestimmungen in § 16 Abs. 1 und 3 SGB II a.F. betraf, ausgesprochen, dass MAE-Kräfte, die im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten in der Dienststelle zum Einsatz kommen, dort im Sinne des personalvertretungsrechtlichen Einstellungsbegriffs eingegliedert werden (a.a.O. Rn. 15). Die Zwischenschaltung eines privaten Maßnahmenträgers, der die MAE-Kräfte vermittelt und anleitet, könnte allenfalls dann zu einer anderen rechtlichen Beurteilung als im Urteil vom 21. März 2007 – das den Einsatz bei einer Dienststelle betraf, die selbst als Maßnahmenträger fungierte – führen, wenn aufgrund dieser Zwischenschaltung die Rechtsbeziehung zwischen Dienststelle und den MAE-Kräften nicht die für die Annahme einer Eingliederung erforderlichen Merkmale aufwiese. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, die auch das Urteil vom 21. März 2007 zum Ausgangspunkt nimmt (a.a.O. Rn. 10), ist zur Annahme einer Eingliederung neben der – hier unstreitig gegebenen – tatsächlichen Arbeitsaufnahme im Rahmen der Arbeitsorganisation der Dienststelle ein rechtliches Band erforderlich, durch welches ein Weisungsrecht der Dienststelle, verbunden mit entsprechenden Schutzpflichten, und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Dienstleistenden, verbunden mit entsprechenden Schutzrechten, begründet werden. Ein solches rechtliches Band liegt – wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen hat – auch vor, wenn MAE-Kräfte, die bei einer Dienststelle zum Einsatz gelangen, durch einen privaten Maßnahmenträger vermittelt und angeleitet werden.
Insofern ist zum einen auf die sozialrechtliche Bestimmung des § 16d Abs. 7 Satz 2 HS 2 SGB II zu verweisen, nach der die Vorschriften über den Arbeitsschutz entsprechend anzuwenden sind. Aufgrund dieser Bestimmung ergeben sich unmittelbar im Verhältnis zwischen der Dienststelle und den bei ihr eingesetzten MAE-Kräften einerseits Schutzpflichten und andererseits hiermit korrespondierende Schutzansprüche im Hinblick auf die einschlägigen gesetzlichen Regelungen zum Arbeitsschutz in einer Weise, wie sie sonst für das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern typisch ist (vgl. näher bezogen auf § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II a.F.: Urteil vom 21. März 2007 a.a.O. Rn. 18). Diese Rechtslage verändert sich nicht dadurch, dass eine Vermittlung und Anleitung betroffener MAE-Kräfte durch einen privaten Maßnahmenträger erfolgt und die Dienststelle nicht selbst als Maßnahmenträger fungiert. Dies gilt auch dann, wenn – wie im Ausgangsfall des vorliegenden Streits – die Dienststelle mit dem privaten Maßnahmenträger im Rahmen eines Kooperationsvertrags vereinbart, dass dieser die MAE-Kräfte über Unfallverhütungsvorschriften belehrt, ihnen Anweisungen zur Arbeitssicherheit erteilt und die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzes „erfüllt”. Vereinbarungen dieser Art begründen Verpflichtungen des privaten Maßnahmenträgers im Innenverhältnis zur Dienststelle, bei entsprechend zu Tage tretendem Regelungswillen darüber hinaus auch vertragliche Ansprüche zugunsten betroffener Dritter wie hier der MAE-Kräfte. Sie bringen aber weder die gesetzesunmittelbar in § 16a Abs. 7 Satz 2 SGB II normierten Pflichten der Dienststelle zum Erlöschen, noch das in dieser Bestimmung zugleich angelegte Recht von MAE-Kräften, sich gegenüber der Dienststelle, bei der sie eingesetzt sind, auf die Einhaltung dieser Pflichten zu berufen und ggfs. Ansprüche geltend zu machen, sofern sie verletzt werden. Die normativen Vorgaben aus § 16a Abs. 7 Satz 2 SGB II stehen mit anderen Worten nicht dergestalt zur Disposition der Dienststelle, dass diese sich ihrer im Wege der Delegation auf einen privaten Maßnahmenträger, der die MAE-Kräfte vermittelt und anleitet, entledigen könnte. Ein hiervon abweichendes Gesetzesverständnis, nach dem die genannten Vorgaben allein den von der Agentur für Arbeit eingeschalteten Maßnahmenträger und nicht zumindest auch die Dienststelle träfen, bei der die MAE-Kräfte tatsächlich zum Einsatz gelangen, würde die Gefahr erheblicher Schutzlücken zu Lasten der eingesetzten MAE-Kräfte begründen. Denn der außenstehende Maßnahmenträger wird in aller Regel nicht einen derart weitreichenden Zugriff auf die Arbeitsstätte der Dienststelle und ihre arbeitstechnischen Vorrichtungen besitzen, dass er allein aus eigenem Vermögen in der Lage wäre, die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitsschutzregelungen auch tatsächlich hinreichend zu gewährleisten.
Zum anderen entfällt durch die Einschaltung eines privaten Maßnahmenträgers zur Vermittlung und Anleitung von MAE-Kräften auch nicht die erforderliche Weisungsbefugnis der Dienststelle. Der Senat hat in dem genannten Urteil vom 21. März 2007 ausgesprochen, dass der Normgeber des § 16 Abs. 3 SGB II a.F. unausgesprochen davon ausgegangen ist, erwerbsfähige Hilfsbedürftige würden in Arbeitsgelegenheiten weisungsabhängige Tätigkeiten verrichten (a.a.O. Rn. 18). Es bedarf keiner Entscheidung, ob deshalb – oder womöglich auch aus Gründen, die außerhalb des Sozialrechts liegen – die Ausgestaltung einer Rechtsbeziehung zwischen einer Dienststelle und einem privaten Maßnahmenträger hinsichtlich des Einsatzes von MAE-Kräften in der Dienststelle ausgeschlossen ist, kraft derer das Weisungsrecht gegenüber den MAE-Kräften auf den Maßnahmenträger konzentriert wird und der Dienststelle keine eigenen Weisungsmöglichkeiten gegenüber diesen verbleiben. Soweit – wie mit dem Feststellungsbegehren des Antragstellers und wie beim Ausgangsfall des vorliegenden Streits – ein Maßnahmenträger in Rede steht, dem kraft Vereinbarung mit der Dienststelle dieser gegenüber lediglich die Vermittlung und Anleitung von MAE-Kräften obliegt, ist jedenfalls die Weisungsbefugnis der Dienststelle, von der § 16d Abs. 7 SGB II gleichermaßen wie zuvor § 16 Abs. 3 SGB II a.F. gesetzesunmittelbar ausgeht, sowie die hiermit korrespondierende Weisungsgebundenheit der in der Dienststelle eingesetzten MAE-Kräfte nicht in Frage gestellt. Dies berücksichtigt im Übrigen auch der Kooperationsvertrag, der im Ausgangsfall des vorliegenden Streits abgeschlossen worden ist. Nach ihm ist zwar der vom privaten Maßnahmenträger gestellte Vorarbeiter mit der unmittelbaren Leitung der Arbeitseinsätze vor Ort betraut, hat aber den Arbeitseinsatz und -ablauf der MAE-Kräfte täglich mit einem Beauftragten der Dienststelle abzustimmen. Die Dienststelle soll demnach die wesentlichen Direktionsentscheidungen im Hinblick auf die Erbringung der Arbeitsleistung in der Hand behalten. Ferner ist nach dem Kooperationsvertrag die Arbeitszeitgestaltung mit ihr abzustimmen. Aus den der Dienststelle nach der Kooperationsvereinbarung vorbehaltenen Rechten, Ersatzpersonal für nichtgeeignete Arbeitskräfte anzufordern und die sofortige Beendigung des Arbeitseinsatzes eines Teilnehmers bei personenbezogenem Fehlverhalten zu verlangen, kann zudem indirekt geschlossen werden, dass der Dienststelle nach dem Willen der Kooperationspartner vorgelagert zu den genannten Rechten ein Recht zur Kontrolle der Arbeitserbringung durch die MAE-Kräfte belassen bleiben soll.
Die im Urteil vom 21. März 2007 angestellten Erwägungen zu Sinn und Zweck der Personalratsbeteiligung beim Einsatz von MAE-Kräften in der Dienststelle (a.a.O. Rn. 31 ff.) kommen im hier betroffenen Fall des Einsatzes auf Vermittlung eines zwischengeschalteten privaten Maßnahmenträgers gleichermaßen zum Tragen.
Der Mitbestimmungs- bzw. Mitwirkungspflichtigkeit des Einsatzes von MAE-Kräften in der vorliegenden Konstellation steht nicht entgegen, wenn die Auswahl der Kräfte durch den privaten Maßnahmenträger erfolgt. Mangels entgegenstehender gesetzlicher Bestimmungen bleibt das Recht der Dienststelle, die von einer Agentur für Arbeit ausgewählten Kräfte wegen fehlender fachlicher oder persönlicher Eignung abzulehnen, unberührt (vgl. Urteil vom 21. März 2007 a.a.O. Rn. 24). Es ist kein Grund ersichtlich, warum kein solches Recht bestehen sollte, wenn die Auswahl durch einen zwischengeschalteten privaten Maßnahmenträger erfolgt. Etwaige entgegenstehende Vereinbarungen mit diesem wären unbeachtlich. Eine Dienststelle kann Beteiligungsrechte des Personalrats nicht dadurch unterlaufen, dass sie auf Einflussnahme bei der Arbeitsaufnahme bei ihr einzusetzender Personen verzichtet (vgl. BAG, Beschluss vom 22. April 1997 – 1 ABR 74/96 – AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG 1972 Bl. 1627 = juris Rn. 51).
2. Die Divergenzrüge gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG greift nicht durch. Der angefochtene Beschluss weicht nicht dadurch vom Urteil des Senats vom 21. März 2007 (a.a.O.) ab, dass in ihm der Dienststelle ein Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitstätigkeit von MAE-Kräften zugesprochen wird. Die vom Antragsteller in Bezug genommene Passage in Rn. 18 des Urteils vom 21. März 2007, wo vom Weisungsrecht des Maßnahmenträgers und nicht der Dienststelle die Rede ist, erklärt sich daraus, dass in dem entschiedenen Fall – anders als im vorliegenden Fall – die Dienststelle selbst als Maßnahmenträger fungierte.
3. Die Gehörsrüge gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG greift nicht durch.
Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht kann nicht als unzulässige Überraschungsentscheidung gerügt werden. § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG beschränken den Beschwerdeführer auf die Rüge von Gehörsverletzungen durch die Sachentscheidung.
Soweit der Beteiligte vorträgt, die Zurückweisung der Beschwerde durch das Oberverwaltungsgericht stelle eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, muss seiner Gehörsrüge gleichfalls der Erfolg versagt bleiben. Mit dem Misserfolg ihres Rechtsmittels müssen Verfahrensbeteiligte stets rechnen. Aus dem Vortrag des Beteiligten ergibt sich kein Verhalten des Oberverwaltungsgerichts, das ein schützenswertes Vertrauen des Beteiligten auf einen Erfolg seiner Beschwerde hätte begründen können.
Unterschriften
Neumann, Hahn, Prof. Dr. Hecker
Fundstellen
Gemeindehaushalt 2014, 238 |
LKV 2014, 267 |
NZS 2014, 595 |
PersV 2014, 337 |
öAT 2014, 149 |