Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Urteil vom 03.03.1998; Aktenzeichen 27 N 93.3748)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. März 1998 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Antragsteller beimessen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (nur) dann, wenn eine bestimmte – bisher ungeklärte – Rechtsfrage des revisiblen Rechts bezeichnet wird, die im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung in einem künftigen Revisionsverfahren mit Bedeutung über diesen Einzelfall hinaus geklärt werden könnte (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫). Auf diesen Zusammenhang hat die Beschwerdebegründung einzugehen. Sie muß also darlegen, daß und inwiefern eine bestimmte Frage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und daß und warum ihre Klärung in dem erstrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

Soweit die Beschwerde ausführt, grundsätzliche Bedeutung erhalte die Rechtssache durch die rechtliche Weiterentwicklung der “Vorrangigkeit” und der besonderen “Gewichtigkeit” der “Landwirtschaftsklausel” bzw. der “Umwidmungssperrklausel” im Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 4 BauGB, wird eine bestimmte grundsätzliche Frage des revisiblen Rechts nicht aufgeworfen. Wie sich aus dem weiteren Beschwerdevorbringen ergibt, sind die Antragsteller der Auffassung, das Normenkontrollgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß die “naturschutzrechtlichen” Festsetzungen der Antragsgegnerin im angegriffenen Bebauungsplan die “vollständige Vernichtung der landwirtschaftlichen Nutzung” bzw. die völlige Entwertung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke der Antragsteller zur Folge haben würde. Mit solchen einzelfallbezogenen Angriffen gegen das Normenkontrollurteil kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründet werden. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht der sachlichen Nachprüfung der angegriffenen Entscheidung.

Die mit der Beschwerde weiter aufgeworfene Rechtsfrage, ob und inwieweit mehrere planaufstellende Gemeinden – hier in Gestalt paralleler, aufeinander abgestimmter Bebauungspläne – ein ”überörtliches Erholungsgebiet” planerisch ausweisen dürfen, in dem “Naturschutzgebiete und naturschutzrechtliche Maßnahmen” festgesetzt werden, “die im Sinne von § 1 I und III BauGB nicht den Aufgaben einer Bauleitplanung zuzuordnen sind”, ist nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig, sondern in dieser Formulierung ohne weiteres zu verneinen: § 1 Abs. 3 BauGB ermächtigt die Gemeinden nur zur Aufstellung von Bauleitplänen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. Soweit die aufgeworfene Frage mit dem Vorwurf verbunden sein sollte, in dem angegriffenen Bebauungsplan seien Maßnahmen zum Schutz der Natur und der Pflege der Landschaft im Sinne des Bayerischen Naturschutzgesetzes getroffen worden, ginge sie von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen aus. Derartige Maßnahmen werden im Plan – soweit sie bereits festgesetzt oder geplant sind – nur nachrichtlich übernommen, nicht aber selbständig festgesetzt.

Soweit die Antragsteller geklärt wissen möchten, ob die von der Antragsgegnerin getroffenen “naturschutzrechtlichen”, auf § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB gestützten Festsetzungen “noch zu den Aufgaben der Bauleitplanung i.S. von § 1 I und III BauGB gehören”, besteht ebenfalls kein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung konnten in einem Bebauungsplan Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung der Landschaft (soweit sie nicht nach anderen Vorschriften getroffen werden können) sowie die Flächen für solche Maßnahmen festgesetzt werden. Nach § 1 Abs. 3 BauGB durften diese Festsetzungen die zulässige Bodennutzung nur aus städtebaulichen Gründen steuern (so jetzt ausdrücklich § 9 Abs. 1 BauGB 1998). § 1 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB 1998 schreibt ferner vor, daß die Bauleitplanung eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten soll. Als städtebauliche Vorschrift ermöglichte § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB a.F. nicht nur – in Verbindung mit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung – die Festsetzung von Flächen zum Ausgleich für bauliche Eingriffe an anderer Stelle. Die Vorschrift ermächtigte auch dazu, eine bisher zulässige (landwirtschaftliche oder sonstige) Bodennutzung aus städtebaulichen Gründen durch Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen mit dem Ziel zu beschränken, die Erholungseignung eines Gebiets zu erhalten und zu entwickeln und auf diese Weise ein Erholungsgebiet mit örtlicher oder überörtlicher Anziehungskraft zu schaffen. Bei der Steuerung der zulässigen Bodennutzung muß sich die Gemeinde nicht auf die Festsetzung baulicher Nutzungen beschränken; sie kann auch die mit der Bebauung in Verbindung stehenden nicht-baulichen Formen der Bodennutzung regeln. Ein Bebauungsplan kann sich sogar in Festsetzungen für Zwecke der Landschaftspflege und Erholung im Vorfeld städtischer Verdichtungsräume erschöpfen, ohne die vom Bundesgesetzgeber vorgegebene städtebauliche Ausrichtung der gemeindlichen Bauleitplanung zu überschreiten (vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 27. Juli 1990 – BVerwG 4 B 156.89 – Buchholz 406.11 § 17 BauGB Nr. 4 = NVwZ 1991, 62 ≪63≫). Die von der Antragsgegnerin zu diesem Zweck getroffenen, auf § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB a.F. gestützten Festsetzungen – Schutz der Weide-/Hutungsflächen, Schutz der bestehenden und Anpflanzung neuer Gehölze auf bestimmten Flächen, Ausweisung von Flächen für gelenkte Sukzession (Sukzessionsziel Wald, Magerrasen, Feuchtgebiet) sowie Grünstreifen entlang von Straßen und Wegen mit Gehölzpflanzungen – verlassen den vorgegebenen städtebaulichen Rahmen nicht. Klärungsbedürftige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zeigt die Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht auf.

2. Mit ihrer Rüge, das Normenkontrollurteil weiche von den näher bezeichneten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ab, genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur vor, wenn das Normenkontrollgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt. Dieser Zulassungsgrund muß in der Beschwerdebegründung durch Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze bezeichnet werden. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde legt keinen abstrakten Rechtssatz des Normenkontrollurteils dar, der den in der Beschwerde genannten Entscheidungen widerspricht. Der Sache nach greift die Beschwerde mit der Divergenzrüge die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zur Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bebauungsplans an. Diese Kritik an der normenkontrollgerichtlichen Tatsachenwürdigung und Rechtsanwendung ist nicht geeignet, eine Divergenzrüge zu begründen.

3. Die erhobenen Aufklärungsrügen (§ 86 Abs. 1 VwGO) greifen ebenfalls nicht durch.

Die Rüge fehlender Aufklärung hinsichtlich der Ausweisung eines Naturschutzgebietes betrifft eine die Auslegung des Bebauungsplans betreffende Rechtsfrage, die einer Sachverhaltsaufklärung im Wege der Tatsachenermittlung und Beweisaufnahme nicht zugänglich ist. Die gerügten Aufklärungsmängel hinsichtlich der Möglichkeit, die Grundstücke der Antragsteller noch landwirtschaftlich zu nutzen, ferner hinsichtlich der Berücksichtigung von Entschädigungsansprüchen wegen eines planerischen Nutzungsentzugs sowie hinsichtlich des Bestehens eines gesetzlichen Biotopschutzes auf den Grundstücken der Antragsteller genügen nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO; denn die Beschwerde enthält keinerlei Ausführungen dazu, aus welchem Grund sich dem Normenkontrollgericht von seinem in den Entscheidungsgründen dargelegten Rechtsstandpunkt aus weitere Ermittlungen in dieser Hinsicht hätten aufdrängen müssen. Ein Aufklärungsmangel im Sinne von § 86 Abs. 1 VwGO liegt nur vor, wenn ein Tatsachengericht die von ihm als entscheidungserheblich angesehenen tatsächlichen Umstände nicht hinreichend aufgeklärt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Halama, Rojahn

 

Fundstellen

NVwZ-RR 1999, 423

ZfBR 1999, 230

BRS 1999, 78

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