Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.08.2008; Aktenzeichen 1 C 10101/08.OVG) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. August 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
1.1 Die Beschwerde rügt als Verletzung der Aufklärungspflicht, das Normenkontrollgericht hätte zu den Fragen, ob ein Bebauungszusammenhang besteht, ob dieser Bereich eine prägende Wirkung auf die durch die Satzung einbezogenen Flächen ausübt und ob die Abwägung der Antragsgegnerin zu beanstanden ist, einen Augenschein einnehmen müssen. Damit wird ein Verfahrensfehler nicht aufgezeigt. Das Oberverwaltungsgericht hat die vor Ort bestehende Situation anhand zahlreicher von der Antragsgegnerin und vom Antragsteller vorgelegter und zu den Akten genommener (vgl. OVG-AS. 66 – 90) Karten, Fotos und Luftbildaufnahmen in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten eingehend erörtert. Derartige Lichtbilder und Lagepläne sind im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar, wenn sie die Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall, so bedarf es unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes keiner Durchführung einer Ortsbesichtigung. Das gilt nur dann nicht, wenn ein Beteiligter geltend macht, dass die Karten oder Lichtbilder in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen, und dies zutreffen kann (stRspr; vgl. Urteil vom 14. November 1991 – BVerwG 4 C 1.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236 sowie Beschluss vom 4. Juni 2008 – BVerwG 4 B 35.08 – juris). Der Antragsteller legt jedoch in keiner Weise dar, dass er in der mündlichen Verhandlung Bedenken gegen die Verwertung der Unterlagen erhoben und auf einen Augenschein hingewirkt sowie einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hätte. Daher kann dahingestellt bleiben, ob seine Ausführungen den Anforderungen an die Darlegung genügen, dass das Gericht auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Rechtsauffassung nach Einholen eines Augenscheins in den angesprochenen Fragen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Soweit sich die Aufklärungsrüge auf den Hinweis des Oberverwaltungsgerichts bezieht, der im Januar 2004 erteilte Bauvorbescheid “dürfte inzwischen erloschen sein” (UA S. 13), betrifft sie eine das Urteil nicht tragende Ausführung des Gerichts.
1.2 Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Antragstellers ist nicht erkennbar. Der Antragsteller konnte durch die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts, wonach es in seinem Verantwortungsbereich liegt, dafür Sorge zu tragen, dass sein Grundstück befahrbar (und erreichbar) ist bzw. bleibt, nicht überrascht sein. Denn die Antragsgegnerin hatte bereits vorgetragen, dass es Sache des jeweiligen Eigentümers sei, die in seiner Sphäre liegende Problematik der Zufahrtsprobleme durch entsprechende bauliche Lösungen zu entschärfen (UA S. 6).
1.3 Soweit die Beschwerde eine Aktenwidrigkeit behauptet, genügt sie nicht den Darlegungserfordernissen. Diese Verfahrensrüge bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt bestehe ein Widerspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es keiner weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts bedarf; der Widerspruch muss also “zweifelsfrei” sein (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. November 1997 – BVerwG 4 B 182.97 – Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1). Die Verfahrensrüge der “Aktenwidrigkeit” verlangt eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus den vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde schon im Ansatz nicht gerecht.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).
Die Beschwerde wirft die Fragen auf,
1. ob von einer Prägung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB bereits auszugehen ist, wenn die nähere Umgebung dem Gebietscharakter eines Baugebiets der Baunutzungsverordnung entspricht, ohne dass es auf Bauweise und überbaute Grundstücksfläche ankommt und
2. ob bei einem Baugebiet deshalb keine höheren Anforderungen an die prägende Wirkung zu stellen sind, weil anderenfalls keine Ergänzungssatzungen möglich wären, was dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB widersprechen würde.
Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
Nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB kann die Gemeinde durch Satzung einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind. Diese Regelung setzt voraus, dass der baulichen Nutzung des angrenzenden Bereichs ein Maßstab zu entnehmen ist, der als Grundlage für die Prägung der einbezogenen Flächen herangezogen werden kann. Dies hat das Normenkontrollgericht vorliegend bejaht. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der angrenzende Bereich die Merkmale eines Dorfgebiets i.S.v. § 5 BauNVO aufweist. In diesem Zusammenhang wendet sich das Gericht gegen die Ansicht des Antragstellers, die Bebauung “müsse noch homogener sein” und führt zur Begründung aus, in einem solchen Falle wäre eine Ergänzungssatzung weder bei Mischgebieten noch bei Dorfgebieten zulässig. Diese Ausführungen beziehen sich erkennbar lediglich auf die Art der baulichen Nutzung. Anders als es die Beschwerde mit ihrer Frage unter 1. offenbar annimmt, stellt das Oberverwaltungsgericht keinen Rechtssatz dahingehend auf, dass es auf die Bauweise oder die überbaubare Grundstücksfläche überhaupt nicht ankommen könne. Vielmehr hat das Gericht insoweit offensichtlich keine Bedenken, einen für die Anwendung von § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB ausreichenden Maßstab zu erkennen, denn es geht davon aus, dass das Gebiet “keinesfalls so diffus sei, dass es auf den angrenzenden Bereich nicht prägend wirken” könne. Für dieses Ergebnis sprechen übrigens auch die beigezogenen Fotos und Pläne, die eine dörfliche Struktur erkennen lassen, der ohne Weiteres die Zulässigkeitsmerkmale für eine Bebauung im Innenbereich entnommen werden kann. Daher käme es in einem Revisionsverfahren auf die Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage nicht an.
Soweit die Beschwerde sich mit ihrer Fragestellung unter 2. der Sache nach dagegen wehren möchte, dass das Oberverwaltungsgericht auch ein Dorfgebiet nach § 5 BauNVO als geeigneten Maßstab ansieht, kann ihr nicht gefolgt werden, ohne dass es hierfür eines Revisionsverfahrens bedürfte. Wenn ein angrenzender Bereich einem der in der BauNVO angeführten Baugebiete entspricht, verdeutlicht bereits § 34 Abs. 2 BauGB, dass hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung keine Zweifel an der nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB erforderlichen Prägung bestehen. Dem steht nicht entgegen, dass Dorfgebiete (ebenso wie Mischgebiete) eine größere Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten eröffnen als andere Gebietsarten nach der BauNVO. Die Regelung in § 34 Abs. 1 BauGB macht überdies deutlich, dass das für die Prägung heranzuziehende Gebiet nicht einmal einem der in der BauNVO aufgeführten Baugebiete entsprechen muss, wie dies beispielsweise bei historisch entstandenen Gemengelagen der Fall sein kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Gatz, Dr. Jannasch
Fundstellen
Haufe-Index 2090749 |
BauR 2009, 617 |
ZfBR 2009, 277 |
BBB 2009, 43 |
FuBW 2009, 719 |