Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 11.10.2006; Aktenzeichen 1 S 1742/04) |
Tenor
Das Beschwerdeverfahren der Antragstellerin zu 2 wird eingestellt.
Die Beschwerde des Antragstellers zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller zu 1 trägt 4/7, die Antragstellerin zu 2 3/7 der Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
1. Soweit das Beschwerdeverfahren die Antragstellerin zu 2 betrifft, ist es in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, nachdem diese die Beschwerde zurückgenommen hat.
2. Die Beschwerde des Antragstellers zu 1, die sich auf die Zulassungsgründe der Divergenz (a) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (b) stützt, hat keinen Erfolg.
a) Die Revision ist nicht wegen einer Abweichung des angefochtenen Urteils von den in der Beschwerde genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zuzulassen. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Auf eine fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung höchstrichterlicher Rechtssätze kann die Divergenzrüge dagegen nicht gestützt werden (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie zeigt zwar eine Vielzahl allgemeiner Rechtssätze auf, die sie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Rundfunkfreiheit, insbesondere dem Urteil vom 16. Juni 1981 – 1 BvL 89/78 – (BVerfGE 57, 295 ≪319 ff.≫) entnimmt. Sie stellt dem aber keinen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen Normenkontrollurteil gegenüber, den der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG aufgestellt hätte und der mit einem der vorerwähnten Rechtssätze des Bundesverfassungsgerichts kollidieren würde. Vielmehr legt die Beschwerde umfänglich dar, dass der Verwaltungsgerichtshof unter zutreffender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Ausweisung von Übertragungskapazitäten zugunsten privater nichtkommerzieller Rundfunkveranstalter hätte anders beurteilen müssen. Damit legt sie in Wahrheit lediglich die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Normenkontrollgericht dar, die aber, selbst wenn die Fehlerhaftigkeit unterstellt wird, eine Divergenz nicht begründen kann.
b) Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne kommt einer Rechtssache nur zu, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die grundsätzliche Bedeutung ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen; dies verlangt die Bezeichnung der konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – a.a.O.). Im vorliegenden Fall sind auch diese Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt.
In der Beschwerdebegründung fehlt bereits die Benennung einer konkreten Rechtsfrage, die nach Ansicht des Antragstellers zu 1 grundsätzliche Bedeutung haben soll; stattdessen behauptet die Beschwerde nur allgemein, “die vorliegenden Rechtsfragen” seien klärungsbedürftig, klärungsfähig und unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Rechtsstaatsprinzips anders als in dem angefochtenen Urteil zu beantworten. Dies entspricht schon nicht den formalen Anforderungen an eine Grundsatzbeschwerde.
Die Revision wäre aber auch dann nicht zuzulassen, wenn sich der Beschwerde sinngemäß die Frage entnehmen ließe, ob § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 21 Abs. 1 des Landesmediengesetzes Baden-Württemberg – LMedienG – in der Auslegung durch das Normenkontrollgericht mit den genannten Vorgaben des Bundesverfassungsrechts vereinbar ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (Beschlüsse vom 19. Juli 1995 – BVerwG 6 NB 1.95 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104 und vom 6. Oktober 2005 – BVerwG 6 BN 2.05 – Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 80). Daran fehlt es hier.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass es für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk einer positiven gesetzlichen Ordnung bedarf, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Das Grundgesetz gibt selbst kein Modell für diese Rundfunkordnung vor, sondern nur die Freiheitlichkeit des Rundfunkwesens als Ziel. Der Gesetzgeber verfügt deshalb über einen breiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen er sowohl verschiedene Rundfunkmodelle wählen und kombinieren als auch das gewählte Modell in unterschiedlicher Weise ausformen kann (s. nur Urteile vom 16. Juni 1981 – 1 BvL 89/78 – BVerfGE 57, 295 ≪320≫, vom 5. Februar 1991 – 1 BvF 1/85, 1/88 – BVerfGE 83, 238 ≪316, 322 ff.≫ und vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 – BVerfGE 90, 60 ≪89, 94≫). In diesem Rahmen, der Überlegungen des Gesetzgebers zu den wirtschaftlichen Folgen seiner Entscheidungen nicht ausschließt (vgl. BVerfG, Urteile vom 24. März 1987 – 1 BvR 147, 478/86 – BVerwGE 74, 297 ≪334 f.≫ und vom 5. Februar 1991 a.a.O. S. 328, 330), bedarf die Zuordnung technischer Übertragungskapazitäten an öffentlich-rechtliche und private Rundfunkveranstalter zwar nicht der unmittelbaren gesetzlichen Regelung im Einzelfall, wohl aber der allgemeinen Festlegung von Kriterien, nach denen die konkreten Zuordnungsentscheidungen durch die jeweilige Landesmedienanstalt zu treffen sind (Urteil vom 5. Februar 1991 a.a.O. S. 324).
Aus der Beschwerde ergibt sich nicht, inwieweit das erstrebte Revisionsverfahren Veranlassung geben könnte, diese Rechtsgrundsätze im Interesse der Rechtseinheit fortzuentwickeln. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des baden-württembergischen Landesmediengesetzes u.a. das Ziel verfolgt, die wirtschaftliche Situation der privaten Rundfunkveranstalter zu verbessern, um so die Existenz des in erster Linie werbefinanzierten privaten Rundfunks insgesamt nachhaltig zu sichern (s. auch LTDrucks 12/4026 vom 6. Mai 1999, S. 46, 57). Unter Hinweis auf diesen Normzweck hat der Verwaltungsgerichtshof den vorgenannten landesrechtlichen Vorschriften die Regelung entnommen, dass § 20 Abs. 1 Satz 1 LMedienG die in der Nutzungsplanverordnung der Antragsgegnerin zwingend zu berücksichtigenden Rundfunkangebote abschließend umschreibt, während Übertragungskapazitäten für die in § 20 Abs. 1 Satz 2 LMedienG genannten Nutzungszwecke lediglich fakultativ “daneben” ausgewiesen werden können. Aus der ausdrücklichen Erwähnung nichtkommerzieller Programmveranstaltungen in § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LMedienG hat er im Gegenschluss gefolgert, dass § 21 Abs. 1 Nr. 7 LMedienG unter dem Oberbegriff privater Hörfunkangebote nur kommerzielle Veranstaltungen erfasst. Unbeschadet des sich daraus ergebenden Vorrangs der kommerziellen Hörfunkbetreiber vor den nichtkommerziellen ist der Antragsgegnerin dem angefochtenen Normenkontrollurteil zufolge bei der planerischen Abwägung im Rahmen der Nutzungsplanverordnung die Befugnis eingeräumt, unter Hinnahme gewisser Lücken im Vorrangbereich auch nichtkommerzielle Hörfunkveranstalter im Interesse der Meinungsvielfalt zum Zuge kommen zu lassen.
Die Beschwerde hält das so ausgestaltete Rangverhältnis zwischen kommerziellen und nichtkommerziellen privaten Hörfunkveranstaltern für unvereinbar mit den Grundrechten gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie den rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vorbehalts des Gesetzes, des Bestimmtheits- und des Abwägungsgebotes. Sie zeigt aber nicht im Einzelnen auf, hinsichtlich welcher dieser bundesverfassungsrechtlichen Maßgaben in welchem Umfang ein weiterer grundsätzlicher Klärungsbedarf bestehen soll. Ob die vom Normenkontrollgericht vorgenommene Auslegung des irrevisiblen Landesrechts mit den genannten Verfassungssätzen in Einklang steht oder ob, wie die Beschwerde meint, eine verfassungskonforme Auslegung zu einem anderen Ergebnis hätte führen müssen, ist nach dem Gesagten für den Erfolg der erhobenen Grundsatzrüge ohne Belang.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 2 und § 159 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Dr. Bier
Fundstellen