Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 24.06.1998; Aktenzeichen 9 L 2722/96) |
Tenor
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1998 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 175 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten ist begründet. Zwar kommt der Sache nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu (1). Das angefochtene Urteil beruht jedoch auf Verfahrensfehlern (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), die zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung gemäß § 133 Abs. 6 VwGO führen (2).
1. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Die zunächst aufgeworfene Frage,
welche privatrechtlichen Entgelte als erforderliche Kosten bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden können,
ist in dem beabsichtigten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Ihre Beantwortung hängt maßgeblich von dem jeweiligen Kosten- und Vorteilsbegriff ab. Dieser wird entscheidend durch das irrevisible Landesabgabenrecht geprägt (stRspr, vgl. Urteil vom 1. September 1995 – BVerwG 8 C 16.94 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 35 S. 1 ≪2≫; Beschlüsse vom 20. Januar 1998 – BVerwG 8 B 1.98 – Buchholz, a.a.O., Nr. 39 und vom 9. September 1997 – BVerwG 8 B 185.97 – ZKF 1998, 62 f.). Deshalb vermag auch der Hinweis der Beschwerde auf unterschiedliche Urteile mehrerer Oberverwaltungsgerichte die grundsätzliche Bedeutung mit Blick auf das Bundesrecht nicht zu begründen.
b) Mangels Entscheidungserheblichkeit fehlt auch die Klärungserwartung für die zweite Frage,
ob die unterbliebene Ausschreibung bei einer Privatisierung kommunaler Entsorgungsleistungen zur Rechtswidrigkeit der Gebührenkalkulation führt.
Die mit der Frage unterstellte Rechtsauffassung liegt dem angefochtenen Urteil nämlich nicht zugrunde. Auch das Oberverwaltungsgericht sieht die Rechtswidrigkeit der Gebührenkalkulation nicht als zwangsläufige Folge einer unterbliebenen Ausschreibung an. Vielmehr geht es davon aus, daß trotz unterbliebener Ausschreibung die Gebührenkalkulation dann nicht zu beanstanden ist, wenn die Kommune auf geeignete Weise – etwa durch die belegte Einhaltung der preisprüfungsrechtlichen Vorschriften – nachweist, daß das in die Kalkulation eingestellte Entgelt für die Beauftragung Dritter markt- und wettbewerbsgerecht ist und auch bei einer Ausschreibung voraussichtlich nicht unterboten worden wäre (UA S. 19).
c) Nicht grundsätzlich bedeutsam ist ferner,
welche Anforderungen sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip für die Einstellung von auf vertraglichen Pflichten beruhenden Kosten in die Gebührenkalkulation ergeben.
Die Beantwortung richtet sich insofern – wie bereits dargelegt – zum einen wesentlich nach dem jeweiligen irrevisiblen Kostenbegriff, zum anderen maßgeblich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls.
2. Das Berufungsurteil leidet jedoch unter Verfahrensmängeln, auf denen es beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Die Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 und 2 VwGO) ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hätte den hilfsweise gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, die aufgrund verschiedener Indizien angenommene Unangemessenheit der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Firma Fehr/Edelhoff – insbesondere in der Preisgestaltung – könne durch ein Sachverständigengutachten nicht entkräftet werden (UA S. 22). Das Berufungsurteil beruht auf der Rechtsauffassung (UA S. 19), daß die Gemeinde bei unterbliebener Ausschreibung nachweisen müsse, daß das vereinbarte und in die Gebührenkalkulation eingestellte Entgelt für die Beauftragung eines Dritten sich im Rahmen eines kostenbezogenen Erforderlichkeitsprinzips bewege, also „marktgerecht” sei. Seine Annahme, ein Sachverständigengutachten sei zur Beweisführung nicht geeignet, ist in dem angefochtenen Urteil nicht näher begründet worden. Sollte das Oberverwaltungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, daß ein Sachverständigengutachten – gleich welchen Inhalts – seine aufgrund verschiedener Indizien gewonnene Überzeugung nicht mehr erschüttern könne, so läge darin eine verfahrensfehlerhafte unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung; die möglicherweise naheliegende Erwartung, bei der beantragten Beweiserhebung „komme nichts heraus”, genügt nicht (vgl. Jacob VBlBW 1997, 41 ≪46≫ m.w.N.). Sollte das Oberverwaltungsgericht gemeint haben, ein Sachverständigengutachten könne wegen der Besonderheiten des Beweisgegenstandes kein taugliches Beweismittel sein, so träfe dies in dieser Allgemeinheit sachlich nicht zu. Es ist nicht ersichtlich, weshalb insbesondere die Preisgestaltung einer Begutachtung durch Sachverständige entzogen sein sollte, wenn – was das Oberverwaltungsgericht nicht abschließend beantwortet hat – ein „Markt” für die streitigen Leistungen vorhanden war. Im übrigen hat die Beschwerde zutreffend darauf hingewiesen, daß die Indizienauswertung durch das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21) jedenfalls nicht so zwingend ist, daß der Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage der Angemessenheit des vereinbarten Preises als unsubstantiiert – weil mangels jeglicher tatsächlicher Grundlage „ins Blaue hinein” formuliert – erschiene. Der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes steht – jedenfalls soweit sich das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung auf ihn bezieht (UA S. 21) – der unter Beweis gestellten gegenteiligen Behauptung des Beklagten nicht notwendigerweise entgegen; das gleiche gilt für den Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dr. J. GmbH, auf den sich die Beschwerdeerwiderung des Klägers beruft, zumal das angefochtene Urteil sich in dem erörterten Zusammenhang selbst nicht auf diesen Bericht stützt.
Auf der nach alledem unter Verstoß gegen Verfahrensrecht begründeten Annahme, das Entgelt für die Beauftragung der Firma F./E. sei überhöht und damit nicht erforderlich im Sinne des einschlägigen Abgabenrechts, kann die angefochtene Entscheidung beruhen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat zwar noch eine weitere Kostenposition als überhöht bezeichnet, jedoch nicht deutlich herausgestellt, daß bereits jedes einzelne überhöhte Entgelt für sich genommen von hinreichendem Gewicht wäre, um die Gebührenkalkulation rechtswidrig erscheinen zu lassen.
b) Im übrigen dürfte das Berufungsurteil auch insoweit verfahrensfehlerhaft sein, als es von einem überhöhten Entgelt für die Beauftragung der Firma DAW ausgeht. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) erscheint begründet; einer abschließenden Beantwortung bedarf es nach den Darlegungen zu 2. a) nicht mehr.
Das Oberverwaltungsgerich hat die Kosten für die Beauftragung der Firma DAW als nicht erforderlich angesehen, weil mangels Ausschreibung nicht erwiesen sei, daß sie wettbewerbs- und marktgerecht seien (UA S. 22 f.). Dabei hat es eine Ausschreibung mit der Begründung für möglich und erforderlich gehalten, ein „Markt” sei jedenfalls insoweit vorhanden gewesen, als es um den Müllumschlag und den Transport des Abfalls nach S./I. gegangen sei. Die Beschwerde rügt nach Aktenlage zu Recht, die Frage der isolierten Vergabe des Müllumschlags und des Abfalltransports sei weder von den Parteien vorgetragen noch im Verhandlungstermin erörtert worden. Da der Beklagte die Möglichkeit der isolierten Auftragsvergabe im Beschwerdeverfahren substantiiert bestritten hat, erscheint es möglich, daß bei Beachtung des rechtlichen Gehörs auch die Kosten der Firma DAW nicht als überhöht angesehen worden wären.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Sailer, Krauß
Fundstellen