Entscheidungsstichwort (Thema)
Baugenehmigung. Grundstückseigentümer. Beiladung. Rechtsverletzung. Rechtsmittel. Nichtzulassungsbeschwerde. Rechtskraftwirkung
Leitsatz (amtlich)
Durch Ablehnung einer – von einem Dritten beantragten – Baugenehmigung und durch die Abweisung einer auf die Erteilung einer Baugenehmigung gerichteten Klage des Dritten werden Rechte des beigeladenen Grundstückseigentümers grundsätzlich nicht verletzt.
Normenkette
VwGO § 63 Nr. 3, § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 1, §§ 121, 133 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 29.04.1997; Aktenzeichen 4 UE 1349/92) |
VG Darmstadt (Entscheidung vom 18.05.1992; Aktenzeichen II/3 E 2526/88) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt einen Bauvorbescheid für einen Lebensmittelmarkt auf einem Grundstück, das der beigeladenen Deutsche Bahn AG gehört.
Die Beigeladene hat dem Kläger ihr Grundstück zum Kauf angeboten. Bereits im Vorverfahren hat sie die Bauvoranfrage des Klägers unterstützt, weil die höherwertige Nutzung des Grundstücks auch in ihrem Interesse liege (vgl. Schreiben der DB vom 5. April 1988, GABl 6). Für den Fall des Scheiterns des Bauvorhabens hat sie sich vorbehalten, ihre Verkaufsabsicht aufzugeben und über eine weitere bahnbezogene Nutzung nachzudenken (Schreiben der DB vom 25. August 1989, GABl 22).
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht den Beschluß, mit dem das Verwaltungsgericht die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beigeladen hatte, geändert und die Deutsche Bahn AG als Eigentümerin des Baugrundstücks gemäß § 65 Abs. 1 VwGO (einfach) beigeladen. Sodann hat es das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich (nur) die Beigeladene mit der Beschwerde nach § 133 VwGO.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde muß schon deshalb erfolglos bleiben, weil die Beigeladene durch das Berufungsurteil nicht in eigenen Rechten verletzt sein kann.
Allerdings ist die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft. Denn die Beigeladene ist nach § 63 Nr. 3 VwGO Beteiligte des Verfahrens und kann gemäß § 66 Satz 1, § 133 Abs. 1 VwGO die Beschwerde selbständig einlegen.
Im Falle einer einfachen Beiladung im Sinne von § 65 Abs. 1 VwGO setzt der Erfolg eines Rechtsmittels (auch) des Beigeladenen aber außer der Rechtswidrigkeit des streitigen Verwaltungsaktes voraus, daß das angefochtene Urteil eigene subjektive Rechte des Beigeladenen verletzt (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1984 – BVerwG 4 C 58.81 – BVerwGE 69, 256 ≪258≫). Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO. Danach kann ein Verwaltungsakt nur aufgehoben oder die Verpflichtung zur Vornahme der beantragten Amtshandlung nur ausgesprochen werden, wenn der Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Dieser Grundsatz gilt allgemein; er gilt auch für das Rechtsmittelverfahren, und er gilt insbesondere auch für einen Beigeladenen, wenn er allein das Rechtsmittel eingelegt hat (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 12. März 1987 – BVerwG 3 C 2.86 – BVerwGE 77, 102 ≪105≫; BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – BVerwG 4 C 39.86 – Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 96, jeweils m.w.N.). Für den Fall der Abweisung einer Klage, die auf die Verpflichtung zur Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids gerichtet ist, bedeutet dies, daß das Rechtsmittel eines Beigeladenen nur erfolgreich sein kann, wenn auch er durch die gerichtliche Bestätigung der Genehmigungsversagung in seinen subjektiven Rechten verletzt wird.
Eine solche Rechtsverletzung ist hier ausgeschlossen. Subjektive Rechte der Beigeladenen könnten durch das Berufungsurteil selbst dann nicht verletzt sein, wenn die Ablehnung der Bauvoranfrage durch die Beklagte rechtswidrig wäre. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nämlich allein der Bescheid, mit dem die Beklagte die Bauvoranfrage des Klägers abgelehnt hat. Gestritten wird über die Frage, ob der Kläger einen Rechtsanspruch auf den beantragten Bauvorbescheid besitzt. Zwar mögen durch die Verneinung dieser Frage auch Interessen der Beigeladenen als Eigentümerin des Baugrundstücks berührt werden. Eine bloße Interessenbeeinträchtigung genügt jedoch nicht. Ein Recht der Beigeladenen wäre nur dann verletzt, wenn der Rechtsstreit über die Befugnis der Beigeladenen geführt würde, ihr Grundstück mit einem Lebensmittelmarkt zu bebauen, und wenn diese Frage im Widerspruch zum materiellen Baurecht fehlerhaft verneint worden wäre. Um Baurechte der Beigeladenen geht es aber hier nicht; denn nicht sie, sondern der Kläger hat die streitige Bauvoranfrage gestellt.
Subjektive Rechte der Beigeladenen können auch nicht deshalb verletzt sein, weil das klagabweisende Berufungsurteil infolge der Beiladung die Wirkung des negativen Bauvorbescheids auf die Beigeladene erweitert hat. Zwar steht gemäß §§ 121, 63 Nr. 3 VwGO mit der Rechtskraft des Berufungsurteils auch zwischen dem Kläger und der Beigeladenen verbindlich fest, daß der Kläger keinen Anspruch auf den beantragten Bauvorbescheid besitzt. Dadurch kann ein nachfolgender Zivilprozeß zwischen diesen beiden Beteiligten präjudiziert werden. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, daß eine Verletzung von subjektiven Rechten auch in der Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten in einem nachfolgenden Zivilprozeß liegen kann (BVerwG, Urteil vom 16. September 1981 – BVerwG 8 C 1 und 2.81 – BVerwGE 64, 67 ≪70≫ = NJW 1982, 951 ≪953≫; Urteil vom 12. März 1987 – BVerwG 3 C 2.86 – BVerwGE 77, 102 ≪106≫). Eine solche Rechtsverletzung setzt aber ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen voraus, für das die verwaltungsgerichtliche Entscheidung präjudizierend wirken kann (BVerwG, Urteil vom 12. März 1987 – BVerwG 3 C 2.86 – a.a.O.). Daran fehlt es hier. Weder aus dem Vortrag der Beschwerde noch aus den vorliegenden Akten ergibt sich, daß zwischen der Beigeladenen und dem Kläger ein konkretes Rechtsverhältnis besteht, für das die Frage, ob der Kläger einen Rechtsanspruch auf einen Bauvorbescheid für einen Lebensmittelmarkt besitzt, von Bedeutung wäre. So trägt die Beigeladene beispielsweise nicht etwa vor, sie sei Schadensersatzforderungen des Klägers ausgesetzt, weil bereits ein Kaufvertrag über das Baugrundstück abgeschlossen und in diesem Vertrag zugesichert worden sei, daß das Grundstück mit einem Lebensmittelmarkt bebaut werden könne. Vielmehr hat der Kläger offenbar lediglich eine Bauvoranfrage gestellt, um die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks prüfen zu lassen. Dies ist zwar im Einverständnis mit der Beigeladenen geschehen; ob es zum Abschluß eines Kaufvertrags kommen werde, war jedoch noch offengeblieben und sollte vom Ergebnis der Bauvoranfrage abhängen. Damit fehlt ein konkretes Rechtsverhältnis, für das die Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren präjudizierend wirken könnte.
Eine mögliche Rechtsverletzung der Beigeladenen ergibt sich schließlich auch nicht daraus, daß sie die fehlende Bebaubarkeit ihres Grundstücks mit einem Lebensmittelmarkt gegen sich gelten lassen muß, wie die Beschwerde meint. Entgegen ihrer Rechtsauffassung erstreckt sich die Rechtskraftwirkung des Berufungsurteils nämlich nicht auf die Frage, ob das Grundstück der Beigeladenen objektiv „Bauland” ist. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein der geltend gemachte Anspruch des Klägers. Auf ihn ist die Rechtskraft des Urteils gemäß §§ 121, 63 Nr. 3 VwGO beschränkt. Der Beigeladenen ist es deshalb nicht verwehrt, durch eine eigene Bauvoranfrage die Bebaubarkeit des Grundstücks feststellen zu lassen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19. Februar 1976 – BVerwG 3 C 5.75 – Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 65 ≪S. 2, 4 f≫; Urteil vom 14. Juni 1977 – BVerwG 3 C 9.76 – ZLA 1978, 39 – HFR 1978, 388).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.
Unterschriften
Gaentzsch, Lemmel, Rojahn
Fundstellen
NJW 1999, 442 |
BauR 1998, 406 |
BauR 1998, 536 |
NVwZ 1998, 842 |
BRS 1999, 637 |
UPR 1998, 209 |