Entscheidungsstichwort (Thema)
Normenkontrollverfahren. Bebauungsplan. Bestimmtheitsgebot. Unwirksamkeit. Nichtigkeit. Kostenentscheidung. Nichtzulassungsbeschwerde gegen Kostenentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Verstöße gegen die Erfordernisse der Bestimmtheit oder Normenklarheit bauplanerischer Festsetzungen führen regelmäßig nur zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans.
2. Eine gegen die Kostenentscheidung der Vorinstanz gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde (§ 133 VwGO) ist gemäß § 158 Abs. 1 VwGO unzulässig, wenn die gegen die Entscheidung in der Hauptsache geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durchgreifen.
3. Wird ein Bebauungsplan im Normenkontrollverfahren wegen behebbarer Mängel nur für unwirksam erklärt, obwohl der Antragsteller beantragt hatte, ihn für nichtig zu erklären, so werden die Verfahrenskosten gleichwohl im Regelfall dem Antragsgegner in vollem Umfang aufzuerlegen sein.
Normenkette
BauGB § 215a; VwGO §§ 133, 154 Abs. 1-2, § 155 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 158 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.10.2001; Aktenzeichen 8 C 10269/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten seines Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 500 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Mit Urteil vom 24. Oktober 2001 hat das Normenkontrollgericht den Bebauungsplan „Wittlich W-25-01 Industriegebiet II Teil B” der Antragsgegnerin für unwirksam erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Textfestsetzungen in Ziffer II 3 und 3.1, die eine Beschränkung des Einzelhandels im Plangebiet zum Gegenstand hätten, seien inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und der in Ziffer II 1 Satz 2 und 3 der Textfestsetzungen normierte Ausschluss (lediglich) gewerblicher Anlagen für sportliche/gesundheitliche Zwecke sei nicht vom Willen des Satzungsgebers gedeckt. Die Rechtsverstöße seien in einem ergänzenden Verfahren heilbar und führten deshalb gemäß § 215 a Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht zur Nichtigkeit, sondern gemäß Satz 2 der Vorschrift nur zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Das Normenkontrollgericht hat den auf die Feststellung der Nichtigkeit gerichteten Antrag im Übrigen abgelehnt und die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Antragsteller mit seiner auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützten Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision zuzulassen ist.
1. Soweit die Beschwerde die Feststellung der Nichtigkeit des Bebauungsplans weiter verfolgt, kann offen bleiben, ob für den Antrag auf Zulassung der Revision ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Zweifel bestehen deshalb, weil der Antragsteller beklagt, das Normenkontrollgericht habe in der mündlichen Verhandlung nicht erkennen lassen, ob es den Bebauungsplan für unwirksam oder nichtig halte, und ihn dadurch davon abgehalten, einen Antrag zu stellen, dessen Bescheidung keine für ihn nachteilige Kostenfolge hätte auslösen können. Dies deutet darauf hin, dass er sich auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis nach § 86 Abs. 3 VwGO mit einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans begnügt hätte. Die Weiterverfolgung seines Antrags auf Nichtigkeitsfeststellung in dem angestrebten Revisionsverfahren dient möglicherweise nur dem Zweck, unter Umgehung des § 158 Abs. 1 VwGO – hiernach ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird – eine Korrektur der vorinstanzlichen Kostenentscheidung zu erreichen. Als missbräuchlich und damit unzulässig dürfte die Beschwerde indessen nur verworfen werden, wenn der Wille, das vorinstanzliche Urteil nur wegen des Kostenpunktes zu bekämpfen, „gleichsam mit den Händen zu greifen” wäre (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1975 – VI ZR 202/74 – MDR 1976, 482). Ob das der Fall ist, mag zweifelhaft sein.
Dahinstehen kann ferner, ob dem Antragsteller entgegenzuhalten ist, dass er nur eine der beiden für die Unwirksamkeit des Bebauungsplans angeführten Gründe mit einem Zulassungsgrund angreift. Zwar entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass die Revision gegen ein auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestütztes Urteil nur zugelassen werden kann, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (vgl. Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 und vom 1. Februar 1990 – BVerwG 7 B 19.90 – Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 22). Ob dies jedoch auch gilt, wenn es um einen aus mehreren Gründen nicht für nichtig, sondern für unwirksam erklärten Bebauungsplan geht, ist offen. Der Senat wird diese Frage voraussichtlich im Verfahren BVerwG 4 CN 14.01 rechtsgrundsätzlich klären können.
Die Zulassung der Revision scheidet vorliegend jedenfalls deshalb aus, weil hinsichtlich der von der Beschwerde angegriffenen Begründung des Normenkontrollurteils, die Textfestsetzungen in Ziffer II 3 und 3.1 seien inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, kein Zulassungsgrund gegeben ist.
Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob der Verstoß einer textlichen Festsetzung in einem Bebauungsplan gegen das Bestimmtheitsgebot einer Fehlerbehebung in einem ergänzenden Verfahren zugänglich ist, wenn der Verstoß ein wesentliches Element des Plans betrifft, ließe sich in einem Revisionsverfahren nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise klären. Ein Mangel des Bebauungsplans, der im Sinne von § 215 a Abs. 1 BauGB in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann, liegt nicht vor, wenn der festgestellte Fehler so schwer wiegt, dass er die Grundzüge der Planung berührt bzw. den Kern der Abwägungsentscheidung betrifft (BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – BVerwG 4 BN 59.00 – NVwZ 2001, 431; Urteil vom 8. Oktober 1998 – BVerwG 4 CN 7.97 – Buchholz 406.11 § 215 a BauGB Nr. 1 = DVBl 1999, 243; Beschluss vom 10. November 1998 – BVerwG 4 BN 45.98 – Buchholz 406.11 § 215 a BauGB Nr. 2 = NVwZ 1999, 420). Das bedeutet aber umgekehrt, dass nur Mängel, die die Gesamtkonzeption der Planung betreffen, die Nichtigkeit des Bebauungsplans bewirken können, nicht jedoch Fehler, die durch eine punktuelle Nachbesserung behoben werden können (vgl. Dolde/Menke, NJW 1999, 1070 ≪1081≫). Verstöße gegen die Erfordernisse der Bestimmtheit oder der Normenklarheit werden deshalb regelmäßig nur zur Unwirksamkeit der Planung führen (so auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Januar 1998 – 8 S 1337/97 – VBlBW 1998, 307; Urteil vom 24. November 2000 – 5 S 2779/98 – DVBl 2001, 1289). Ob ein ergänzendes Verfahren ausscheidet, beurteilt sich aber letztlich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Die Beschwerde greift in der Sache die Auffassung des Normenkontrollgerichts an, die Missachtung des Bestimmtheitsgebots bei der Beschränkung des Einzelhandels im Plangebiet stelle trotz deren Relevanz nicht den Grundzug der Planung in Frage, sondern betreffe lediglich die sprachliche Umsetzung. Einzelfallbezogene Kritik an der Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung des Normenkontrollgerichts kann die grundsätzliche Bedeutung einer Sache jedoch nicht begründen.
Die Beschwerde macht ferner geltend, dass das angefochtene Urteil von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2000 (a.a.O.) abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur vor, wenn das Normenkontrollgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Widerspruch tritt. Der Tatbestand der Divergenz muss in der Beschwerdebegründung nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt werden. Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie arbeitet keinen Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil heraus, der von dem in der Beschwerdebegründung zitierten Rechtssatz aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2000 (a.a.O.) zu § 215 a Abs. 1 BauGB abweicht. Sie kritisiert vielmehr, dass das Normenkontrollgericht den Rechtssatz fehlerhaft angewandt habe. Ihre gegenteilige Behauptung kann darüber nicht hinwegtäuschen.
2. Die Revision ist auch nicht zuzulassen, um dem Senat Gelegenheit zu geben, sich zu der Kostenverteilung in Fallkonstellationen wie der vorliegenden zu äußern. Soweit die Beschwerde auf dieses Ziel gerichtet ist, ist sie wegen § 158 Abs. 1 VwGO unzulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. November 1996 – BVerwG 9 B 553.96 – juris). Zwar umfasst die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers auch das Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit des umstrittenen Bebauungsplans, sie ist jedoch kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache im Sinne des § 158 Abs. 1 VwGO. Die Vorschrift bezweckt, die oberen Gerichte davon freizustellen, ohne Entscheidung zur Hauptsache isoliert die Kostenentscheidung überprüfen zu müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 1969 – BVerwG 8 B 22.67 – Buchholz 310 § 158 Nr. 3). Deshalb steht sie einer Anfechtung (auch) der Kostenentscheidung nur dann nicht entgegen, wenn das Rechtsmittel zur Hauptsache zu einer Sachentscheidung führen kann. Bei Rechtsmitteln, die der Zulassung bedürfen, ist dies erst nach der – hier nicht in Betracht kommenden – Zulassung möglich (so zutreffend Rennert in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 158 Rn. 4).
Der Senat hat erwogen, ob die Kostenentscheidung des Normenkontrollgerichts wegen „greifbarer Gesetzwidrigkeit” trotz § 158 Abs. 1 VwGO rechtsmittelfähig sein könnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 1999 – BVerwG 4 B 18.99 – NVwZ-RR 1999, 692 ≪693≫). Das ist zu verneinen. Der Senat nimmt ein teilweises Unterliegen als Voraussetzung für eine Kostenquotelung nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwar nur an, wenn ein Antragsteller ausdrücklich darauf bestanden hat, einen Bebauungsplan nicht nur für nicht wirksam, sondern für nichtig zu erklären (Urteil vom 8. Oktober 1998 – BVerwG 4 CN 7.97 – Buchholz 406.11 § 215 a BauGB Nr. 1); ansonsten hält er die Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 oder 2 VwGO für gegeben. Es ist aber nicht unvertretbar, stets von einem teilweisen Unterliegen auszugehen, wenn ein Gericht mit der Feststellung der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans hinter dem Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit zurückgeblieben ist. Allerdings ist neben § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO in den Blick zu nehmen, wonach einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden können, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Die Entscheidung, ob von der Möglichkeit des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO Gebrauch gemacht wird, steht im gerichtlichen Ermessen. Der Senat ist bisher davon ausgegangen, dass im Regelfall auch ein Antragsteller kostenmäßig in vollem Umfang zu entlasten ist, dessen Antrag, den Bebauungsplan für nichtig zu erklären, nur zur Unwirksamkeitserklärung geführt hat, weil er sein eigentliches Antragsziel auch hiermit erreicht hat oder zumindest nur zu einem nicht ins Gewicht fallenden Teil unterlegen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paetow, Lemmel, Gatz
Fundstellen
BauR 2002, 1066 |
IBR 2002, 516 |
DÖV 2002, 620 |
NuR 2004, 139 |
ZfBR 2002, 492 |
UPR 2002, 231 |
FSt 2002, 785 |
FSt 2002, 786 |