Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 20.04.1995; Aktenzeichen 8 L 6642/93) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. April 1995 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 221.704 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Die Prüfung des Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
1. Die Beschwerde bezieht sich sinngemäß auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und macht in diesem Zusammenhang geltend, von verschiedenen Oberverwaltungsgerichten werde der Begriff der Berufsunfähigkeit in völlig verschiedener Weise ausgelegt; im Interesse einer einheitlichen Auslegung dieses Begriffes bedürfe es einer Entscheidung des Revisionsgerichts, um die Rechtsunsicherheit bei den sämtlich der Zwangsmitgliedschaft in berufsständischen Versorgungswerken unterliegenden deutschen Zahnärzten zu beseitigen. Der Begriff der Berufsunfähigkeit dürfe als „Generalausdruck für den Rechtsanspruch auf Berufsunfähigkeitsrente nicht den zufälligen Diktionen der Satzungsgeber oder der verschiedenen Obergerichte” unterliegen.
Mit diesen Ausführungen wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Eine Rechtssache hat eine solche Bedeutung nur dann, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche und revisibles Recht betreffende Frage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf.
Hieran fehlt es. Es gibt keinen dem Bundesrecht angehörenden und zugleich für die Auslegung des Landesrechts maßgebenden Begriff der zahnärztlichen Berufsunfähigkeit; nur er könnte gegebenenfalls in einem Revisionsverfahren geklärt werden. Insbesondere ist dieser Begriff nicht dem bundesrechtlich geregelten Sozialversicherungsrecht zu entnehmen. Was unter Berufsunfähigkeit zu verstehen ist, ist vielmehr – wie auch hier – allein nach dem jeweils geltenden Landesrecht zu beurteilen, das der Revision nicht unterliegt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; vgl. Beschluß vom 8. November 1991 – BVerwG 1 B 46.91 – Buchholz 430.04 Versorgungsrecht Nr. 22). Ein das Landesrecht bindender bundesrechtlicher Begriff der Berufsunfähigkeit ergibt sich auch nicht daraus, daß die berufsständischen Versorgungswerke in allen Bundesländern in weitgehend übereinstimmender Weise Vorsorge für den Fall der Berufsunfähigkeit der Ärzte und Zahnärzte treffen, unter welchen Voraussetzungen eine derartige Berufsunfähigkeit vorliegt, welchen Grad sie erreichen muß und ob und in welchem Umfang eine Verweisung auf andere Tätigkeiten zulässig ist, bestimmt allein das jeweilige Landesrecht. Bundesrechtliche Vorgaben, an die sich der Satzungsgeber dabei zu halten hätte und deren Verletzung gegebenenfalls revisionsgerichtlich nachgeprüft werden könnte (vgl. Urteil vom 30. Januar 1996 – BVerwG 1 C 9.93 –), gibt es in dieser Hinsicht nicht. Es kommt daher für die Frage der Zulassung der Revision auch nicht darauf an, ob die maßgebliche Satzung Wendungen gebraucht, die – wie der Kläger im Hinblick auf die Begriffe „nachhaltig”, „irgendeine Tätigkeit” und „eine Tätigkeit” meint – eine bestimmte Auslegung des Begriffes näherliegend erscheinen lassen als diejenige, die nach der Auffassung des Berufungsgerichts den Sinn der Vorschrift trifft. Ebenso wird nach dem Ausgeführten durch den Hinweis auf zivilgerichtliche und sozialgerichtliche Rechtsprechung zu versicherungsvertraglichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen der Berufsunfähigkeit keine entscheidungserhebliche Frage des Bundesrechts aufgezeigt.
Grundsätzliche Bedeutung kommt der Sache auch nicht insoweit zu, als der Kläger auf das Grundgesetz und auf Vorschriften solcher Rechtsgebiete verweist, die dem Bundesrecht angehören. Mit derartigen Angriffen gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz, die ihrer Entscheidung ausschließlich nichtrevisibles Landesrecht zugrunde gelegt hat, kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt werden, und zwar auch nicht dadurch, daß der Kläger zur Begründung seiner abweichenden Rechtsauffassung verfassungsrechtliche Erwägungen zu Art. 12 GG anführt (vgl. Beschlüsse vom 18. März 1980 – BVerwG 6 B 69.79 – Buchholz 238.95 SZG Nr. 14 und vom 17. August 1994 – BVerwG 1 B 146.94 –). Die Rüge, das maßgebliche Landesrecht verstoße gegen vorrangiges Bundesrecht, rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision, wenn sie wie hier nicht auf eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts führt, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (Beschluß vom 12. Mai 1993 – BVerwG 1 B 95.92 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 24). Der Hinweis darauf, daß Berufsunfähigkeit ein schicksalhaftes Phänomen sei, dem sich der einzelne nicht entziehen könne, weshalb der Begriff eine „rechtliche Aufsplitterung … infolge rechtlicher Zufälligkeiten der Gestaltung des Grundgesetzes” nicht erleiden dürfe, macht eine revisible Frage des Bundesrechts nicht ersichtlich.
Schließlich kommt der Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu, „ob ein unter dem Landesgesetzgeber stehender Satzungsgeber eine rechtliche Autorität von Regelungen erhalten darf, die im Ergebnis einem Berechtigten und Angehörigen des Versorgungswerks bei Eintritt der Berufsunfähigkeit im objektiven Sinne den sozialrechtlichen Schutz entzieht”. Die Frage beruht zum einen auf der vom Berufungsgericht nicht festgestellten und damit lediglich unterstellten Tatsache, daß dem Kläger der sozialrechtliche Schutz entzogen worden sei, zum anderen auf der Annahme, daß beim Kläger der „Eintritt der Berufsunfähigkeit im objektiven Sinne” gegeben sei. Gerade dies ist nach der der Revision nicht zugänglichen Auslegung der maßgeblichen Satzung durch das Berufungsgericht nicht der Fall.
Auch alles weitere Beschwerdevorbringen zeigt die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage des Bundesrechts nicht auf.
2. Schließlich kann auch der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel nicht zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen. Der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe keinen Beweis darüber erhoben, aus welchen Gründen die hier maßgebliche Bestimmung der Alterssicherungsordnung 1984 geändert worden sei. Damit wird ein dem Verfahrensrecht zuzuordnender Mangel nicht dargelegt. Vielmehr wird der Sache nach die Methode kritisiert, die das Berufungsgericht bei der Auslegung der streitigen Norm angewandt hat. Ob das Gericht bei der Auslegung einer Norm auf deren Entstehungsgeschichte und die Absichten des Normgebers zurückgreift, ist eine Frage der Anwendung des materiellen Rechts, nicht des Verfahrensrechts. Zudem sind die allgemeinen Grundsätze über die Auslegung von Rechtsvorschriften revisionsrechtlich dem Landesrecht zuzuordnen, wenn und soweit es wie hier um die Auslegung von Landesrecht geht (Beschluß vom 14. Oktober 1994 – BVerwG 1 B 153.94 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 27). Im übrigen hat der Kläger mit der Beschwerdebegründung die offenbar für maßgebend erachtete Auffassung des Leitenden Ausschusses der Beklagten durch Vorlage eines Protokollauszuges dargelegt, ohne aber deutlich zu machen, daß diese zu einer anderen Auslegung der Norm führen muß. Es fehlt damit auch der Nachweis, daß die angegriffene Entscheidung des Berufungsgerichts auf dessen gerügtem Verhalten beruht.
Hiervon abgesehen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, daß es bei der richterlichen Kontrolle untergesetzlicher Normen auf das Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, nicht aber auf die Motive dessen ankommt, der an ihrem Erlaß mitwirkt (BVerwGE 70, 318 ≪335≫). Sofern sich nicht aus dem Gesetz im Einzelfall etwas anderes ergibt, ist der Normgeber deshalb auch nicht verpflichtet, seine Abwägungen zu begründen (Beschluß vom 29. Juni 1988 – BVerwG 7 CB 64.87 – Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 38 ≪S. 60≫). Daraus folgt zugleich, daß die Verwaltungsgerichte nicht verpflichtet sind, dem Abwägungsprozeß nachzugehen und zu prüfen, von welchen Motiven der Normgeber sich hat leiten lassen. Eine Überprüfung des Abwägungsvorgangs setzt bei untergesetzlichen Normen die besonders ausgestaltete Bindung des Normgebers an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven voraus, wie sie etwa im Bauplanungsrecht vorgegeben sind. Sind solche wie hier nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit der Auslegung einer Norm durch ein Gericht nicht damit begründet werden, das Gericht sei den Motiven des Satzungsgebers nicht nachgegangen. Dies alles ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. Beschluß vom 3. Mai 1995 – BVerwG 1 B 222.93 – Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr. 2 = GewArch 1995, 425 m.w.N.).
Es kann offenbleiben, ob der Kläger mit seiner Beanstandung, der Sachverhalt sei bezüglich der vom Berufungsgericht angeführten Verweisungsberufe nicht hinreichend erforscht worden, eine Aufklärungsrüge erheben will (§ 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine solche Rüge wäre jedenfalls nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO entsprechend erhoben. Mit der Aufklärungsrüge muß dargetan werden, welche Beweise angetreten worden sind oder sich dem Berufungsgericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches Ergebnis eine weitere Sachverhaltsaufklärung mutmaßlich gehabt hätte und inwiefern das Beweisergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ersichtlich nicht (vgl. II des Schriftsatzes vom 5. September 1995).
3. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO sowie aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Meyer, Hahn, Groepper
Fundstellen