Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz. Gesetzesfassung. Neufassung. Gesetzesänderung. Übergangsgebührnisse. Erwerbseinkommen. Ruhen der Versorgungsbezüge. tätigkeitsbezogene Zulagen. Normalmaß.
Leitsatz (amtlich)
Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO muss sich auf die Anwendung derselben Rechtsvorschrift beziehen. Es muss um dieselbe Fassung der Norm gehen, es sei denn deren Änderung ist nur redaktioneller Art.
Normenkette
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2; SVG §§ 11, 53 Abs. 5 S. 1, Abs. 9
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 23.09.2013; Aktenzeichen 2 LB 8/13) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 18.10.2012; Aktenzeichen 12 A 71/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. September 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Der Kläger erhielt nach Ablauf seiner Wehrdienstzeit Übergangsgebührnisse nach § 11 SVG. Da er gleichzeitig Verwendungseinkommen aus einer Tätigkeit als Angestellter im öffentlichen Dienst erzielte, kürzte die Beklagte die bewilligten Versorgungsbezüge. Den Antrag, bei der Ruhensberechnung tätigkeitsspezifische Zulagen und Zuschläge für besondere Arbeitserschwernisse und Gefahren sowie für Dienstleistung zu besonderen Zeiten (Überstunden, Wochenend- oder Nachtarbeit) außer Betracht zu lassen, lehnte die Beklagte ab. Widerspruchs- und Klageverfahren sind erfolglos geblieben.
2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.
a) Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 f. = NJW 1997, 3328 und vom 25. Mai 2012 – BVerwG 2 B 133.11 – NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55 und vom 28. Mai 2013 – BVerwG 7 B 39.12 – juris Rn. 8). Das Revisionszulassungsrecht kennt – anders als die Vorschriften zur Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) – den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel nicht.
Die Divergenzrevision dient dem Anliegen, die Einheitlichkeit der Verwaltungsrechtsprechung in der Auslegung einer bestimmten Gesetzesvorschrift zu sichern und damit Rechtssicherheit auch im Einzelfall zu gewährleisten. Bezugspunkt ist daher nicht allein der Wortlaut einer Bestimmung. „Abweichungen” beziehen sich vielmehr nur auf die Rechtsprechung zu demselben Gesetz (Beschluss vom 22. März 2012 – BVerwG 2 B 148.11 – juris Rn. 4). Andere Vorschriften können selbst bei Wortgleichheit in einem anderen systematischen Kontext stehen oder durch die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets geprägt sein und daher verschiedene Inhalte haben (stRspr; Beschlüsse vom 10. April 1963 – BVerwG 8 B 16.62 – BVerwGE 16, 53 ≪56 f.≫ und vom 27. Mai 2011 – BVerwG 9 B 29.11 – juris Rn. 2).
Die Entscheidungen müssen überdies dieselbe Fassung des Gesetzes zum Gegenstand haben. Hat sich das maßgebliche Gesetz nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geändert und ist die Neufassung nicht nur redaktioneller Natur, stellen sich bei der Auslegung Fragen, die bei der vorangegangenen Entscheidung (noch) nicht berücksichtigt werden konnten. Die ursprüngliche Entscheidung verliert daher ihre Leitfunktion und ist insoweit überholt (vgl. Urteil vom 11. April 2002 – BVerwG 4 C 4.01 – BVerwGE 116, 169 ≪173≫). Abweichende Auslegungen beruhen dann auf einem anderen Gesetzeswortlaut und nicht auf einem prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt der geänderten Vorgängernorm, so dass der Divergenzrüge die Grundlage entzogen ist (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 32).
b) Die mit der Beschwerde geltend gemachte Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 1981 (– BVerwG 6 C 69.79 – Buchholz 238.41 § 53 SVG Nr. 3 = ZBR 1981, 321) liegt nicht vor, weil die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht zu derselben Rechtsvorschrift ergangen ist. § 53 SVG ist in der Zwischenzeit maßgeblich geändert worden.
Durch Art. 7 Nr. 22 des Gesetzes zur Umsetzung des Versorgungsberichts vom 29. Juni 1998 (Versorgungsreformgesetz 1998, BGBl I S. 1666 ≪1680 f.≫) ist § 53 SVG neu gefasst worden. Dabei ist eine Legaldefinition der Begriffe Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen erfolgt (Absatz 5), darüber hinaus haben die für Empfänger von Übergangsgebührnissen geltenden Einschränkungen eine eigenständige Regelung erfahren (Absatz 9). Beide Fragen sind damit vom Gesetzgeber ausdrücklich und ohne Anknüpfung an die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 1981 entwickelten Grundsätze beantwortet worden. Die Rechtssätze der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts waren für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts daher nicht mehr richtungweisend.
3. Die Beschwerde hat auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 24. Januar 2011 – BVerwG 2 B 2.11 – NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 5). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die vom Kläger bezeichnete Frage, ob der Begriff des Erwerbseinkommens im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 SVG auch Einkommensteile erfasst, die zwar Arbeitsentgelt sind, aber auf einer über das Normalmaß hinausgehenden Arbeitsleistung beruhen, bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der Begriff des Erwerbseinkommens aus § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG (ebenso wie in § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG) demjenigen des Einkommenssteuerrechts entspricht, sofern Strukturprinzipien des Versorgungsrechts dem nicht entgegenstehen. Damit sind grundsätzlich alle vermögenswerten Leistungen des Arbeitgebers erfasst, die Arbeitnehmer aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses als Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung erhalten (Urteil vom 31. Mai 2012 – BVerwG 2 C 18.10 – Buchholz 449.4 § 53 SVG Nr. 1 = ZBR 2013, 38 jeweils Rn. 13). Ausgenommen hiervon sind nur Aufwandsentschädigungen (vgl. hierzu Beschluss vom 27. September 2012 – BVerwG 2 B 92.11 – NVwZ-RR 2013, 58).
Der in älteren – vor Erlass des § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG ergangenen – Entscheidungen angenommenen Privilegierung von Einkommensanteilen, die auf einer über das Normalmaß hinausgehenden freiwillig übernommenen Arbeitsleistung beruhen (Urteil vom 8. Juli 1970 – BVerwG 6 C 37.66 – BVerwGE 36, 29 ≪30≫), ist damit die Grundlage entzogen.
Dies gilt auch für die Empfänger von Übergangsgebührnissen. In § 53 Abs. 9 SVG hat der Versorgungsgesetzgeber ausdrückliche Sondervorschriften für diese Personengruppe statuiert. Um die Eingliederungsbemühungen in einen Zivilberuf und den Aufbau einer Altersversorgung nicht zu erschweren, unterbleibt hier eine Anrechnung des außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielten Einkommens; überdies gelten angehobene Höchstgrenzen für den Zuverdienst (vgl. BTDrucks 13/9527, S. 45). Eine weitere Privilegierung nach der Art und Natur der im öffentlichen Dienst erzielten Einkommensbestandteile ist dagegen nicht vorgesehen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass einem ehemaligen Soldaten, der eine Anstellung im öffentlichen Dienst gefunden hat, der Übergang in einen Zivilberuf gelungen ist, so dass dem Anliegen, eine Doppelalimentierung aus öffentlichen Kassen zu vermeiden, hier der Vorrang eingeräumt werden kann.
Soweit und solange die Summe aus dem Verwendungseinkommen und den Übergangsgebührnissen die nach § 53 Abs. 9 Nr. 2 SVG zu ermittelnde Höchstgrenze übersteigt, ruht der Anspruch auf Zahlung der Übergangsgebührnisse kraft Gesetzes. Nur wenn das Einkommen den Differenzbetrag nicht übersteigt, werden die Versorgungsbezüge in der festgesetzten Höhe ausgezahlt (stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 26. November 2013 – BVerwG 2 C 17.12 –IÖD 2014, 66, Rn. 19).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Kenntner, Dollinger
Fundstellen
DÖV 2014, 764 |
JZ 2014, 395 |
BayVBl. 2015, 281 |