Entscheidungsstichwort (Thema)

Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung von Jugendvertretern. Vortragekompetenz der Verwaltungsgerichte. Eventualauflösung des Weiterbeschäftigungsverhältnisses. Zustandekommen eines Weiterbeschäftigungsverhältnisses. Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 BPersVG. Hinweispflicht des § 9 Abs. 1 BPersVG. Treu und Glauben. Weiterbeschäftigungsverlangen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Entscheidung über einen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 4 Nr. 2 BPersVG darf die Vortrage, ob das aufzulösende Weiterbeschäftigungsverhältnis überhaupt zustande gekommen ist, nicht unbeantwortet bleiben. Es genügt nicht, daß im Tenor der Entscheidung die Auflösung nur für den Fall des Zustandekommens des Weiterbeschäftigungsverhältnisses ausgesprochen wird. Ist ein solches Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen, muß der isolierte Auflösungsantrag abgelehnt werden.

2. Ein vor Beginn der Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 BPersVG gestelltes Weiterbeschäftigungsverlangen des Auszubildenden ist unwirksam. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nach § 9 Abs. 1 BPersVG nicht nachgekommen ist. Allerdings können die Grundsätze von Treu und Glauben ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände gebieten, daß das Weiterbeschäftigungsverlangen als fristgemäß gestellt gilt.

 

Normenkette

BPersVG § 9 Abs. 1-2, 4-5, § 83 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Beschluss vom 22.09.1994; Aktenzeichen TK 2039/93)

VG Kassel (Beschluss vom 16.07.1993; Aktenzeichen K 3/92)

 

Tenor

Der Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 22. September 1994 und der Beschluß des Verwaltungsgerichts Kassel – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 16. Juli 1993 werden aufgehoben.

Der Antrag der Antragstellerin auf Auflösung des mit dem Beteiligten zu 1 bestehenden Weiterbeschäftigungsverhältnisses nach § 9 Abs. 2 BPersVG wird abgelehnt.

Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 8.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1 nach Abschluß seiner Ausbildung.

Der Beteiligte zu 1 beendete am 27. Februar 1992 seine Ausbildung zum Elektromechaniker beim Fernmeldeamt Kassel erfolgreich mit der Abschlußprüfung. Als erstes Ersatzmitglied nahm er seit Mai 1991 ständig Aufgaben der Jugend- und Auszubildendenvertretung wahr. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1991 hatte er bei der Antragstellerin beantragt, ausbildungsgerecht weiterbeschäftigt zu werden. Da beide davon ausgegangen waren, daß eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1 möglich sein werde, weil 1,8 Stellen freigehalten wurden, unterließ die Antragstellerin eine Mitteilung nach § 9 Abs. 1 BPersVG. Durch Verfügung der Generaldirektion der Deutschen Bundespost Telekom vom 24. Februar 1992 an die regionalen Mittelbehörden, wurde jedoch noch vor Ausbildungsende eine Überarbeitung von Arbeitsanweisungen und hierdurch bedingte Reduzierungen der Inspektions- und Wartungsarbeiten umgesetzt. Auf dieser Grundlage ergab sich für das Fernmeldeamt Kassel in der Maschinentechnik ein Stellenminus von 1,84. Daraufhin hat die Antragstellerin dem Beteiligten zu 1 am 28. Februar 1992 einen nichtausbildungsgerechten Arbeitsplatz angeboten. Der Beteiligte zu 1 unterschrieb den Arbeitsvertrag, verwies aber in einem Schreiben vom gleichen Tage darauf, daß er die Beschäftigung nur unter Vorbehalt der Geltendmachung seiner Rechte aus dem Antrag auf ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung annehme.

Auf den Auflösungsantrag der Antragstellerin, mit dem sie geltend machte, eine ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung sei ihr mangels freier Dienstposten nicht zumutbar, stellte das Verwaltungsgericht Kassel fest, daß mit dem Beteiligten zu 1 gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei, weil der Beteiligte zu 1 die Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 BPersVG nicht gewahrt habe.

Die Beschwerde der Beteiligten, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Entscheidungsausspruch wie folgt gefaßt werde: „Ein etwa nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründetes Arbeitsverhältnis zwischen dem Beteiligten zu 1 und der Deutschen Bundespost Telekom wird aufgelöst.” Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt: Gegenstand des Antrags und des Verfahrens sei nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG nur die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses aus den in § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG genannten Tatsachen. Die Entscheidung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen als den in dieser Vorschrift genannten nicht entstanden oder aufzulösen ist, sei nicht Sache der Verwaltungsgerichte, sondern – entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – ausschließlich Sache der Arbeitsgerichte. Andernfalls bestehe die Gefahr abweichender Entscheidungen im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren einerseits und im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren andererseits. Die Entscheidung darüber, ob ein Arbeitsverhältnis entstanden ist, sei gegenüber der Auflösungsentscheidung nicht unbedingt vorgreiflich. Sie gehe ihr zwar nach den Gesetzen der Logik voraus. Das Interesse des Arbeitgebers an der baldigen Durchsetzung eines Auflösungsanspruchs rechtfertige jedoch eine rechtsgestaltende Eventualentscheidung, zumal dieser nur Wirkung für die Zukunft zukomme. Wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes könne es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, daß das Beschlußverfahren ausgesetzt werde, bis im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren rechtskräftig entschieden worden sei, ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt zustande gekommen sei. Der Arbeitgeber dürfe nicht länger als unvermeidlich an einem ihm unzumutbaren Arbeitsverhältnis festgehalten werden. Deswegen könne im Beschlußverfahren über die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ohne Rücksicht auf das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren entschieden werden. In der Sache selbst könne dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1 nicht zugemutet werden. Er sei nicht verpflichtet, einen Arbeitsplatz einzurichten, um die Weiterbeschäftigung möglich zu machen, oder einen Arbeitsplatz beizubehalten, für den kein Bedarf bestehe. Die Personalbemessungsentscheidungen der Generaldirektion seien unternehmerische Entscheidungen, die sich auf die Arbeitsabläufe bezögen und dadurch zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen geführt hätten. Ein Arbeitgeber könne schwerlich verpflichtet sein, unbesetzte Arbeitsplätze beizubehalten, für die kein Bedarf bestehe. Unternehmerische Entscheidungen dieser Art rechtfertigten sogar betriebsbedingte Kündigungen. Müßte der Beteiligte zu 1 dennoch allein deswegen weiterbeschäftigt werden, weil er Mitglied einer Jugendvertretung gewesen sei, würde dies dem Begünstigungsverbot des § 8 BPersVG zuwiderlaufen.

Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht wegen der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Auslegung des § 9 Abs. 4 BPersVG zugelassene Rechtsbeschwerde. Sie macht geltend, daß der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Beschlußtenor gegen § 9 Abs. 4 BPersVG verstoßen habe, weil er der Antragstellerin etwas zugesprochen habe, das nicht beantragt und nach dem Gesetz auch nicht möglich sei. Die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, es sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, ein Arbeitsgerichtsverfahren und ein Beschlußverfahren durchzuführen, übersehe die Möglichkeit des Arbeitgebers, das Arbeitsgerichtsverfahren mit der notwendigen Beschleunigung zu betreiben. Die Entscheidungskompetenzen der Verwaltungsgerichte seien in § 9 Abs. 4 BPersVG abschließend aufgezählt. Die Prüfung der Voraussetzungen für § 9 BPersVG sei dagegen rein arbeitsrechtlicher Natur. In der Sache selbst verkenne der Verwaltungsgerichtshof, daß dem Beteiligten zu 1 die ausbildungsgerechte Übernahme mehrfach zugesichert worden sei und seine Dienststelle dafür einen Arbeitsplatz freigehalten habe. Eine wirksame Einstellungssperre sei jedenfalls nicht ausgesprochen worden, weil es hierfür nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an einem Vorstandsbeschluß fehle.

Die Beteiligten beantragen,

den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 1994 – TK 2039/93 – und den Beschluß des Verwaltungsgerichts Kassel vom 16. Juli 1993 – K 3/92 – aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Verwaltungsgerichte seien zuständig, alle Fragen im Zusammenhang mit § 9 BPersVG zu entscheiden. Ein Weiterbeschäftigungsverhältnis sei nicht begründet worden, weil das Weiterbeschäftigungsverlangen des Beteiligten zu 1 nicht fristgerecht und deswegen unwirksam gewesen sei. Auf eine etwaige frühere Übereinstimmung des Beteiligten zu 1 und der Antragstellerin über eine ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung komme es deswegen nicht an. In der Sache selbst sei der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, daß der Antragstellerin eine Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden könne. Aufgrund der Personalbemessungsentscheidung der Generaldirektion seien die vorgesehenen Stellen entfallen. Diese Entscheidung sei aufgrund von allgemeinen, eindeutig bestimmten und objektiv nachprüfbaren Maßstäben durch die Unternehmensleitung ergangen, so daß Benachteiligungen von Mandatsträgern der Jugend- oder Auszubildendenvertretung, die § 9 BPersVG verhindern wolle, ausgeschlossen seien.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Nach seiner Ansicht ist § 83 BPersVG zu entnehmen, daß eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Rechtsstreitigkeiten nach § 9 BPersVG ohne jede Einschränkung bestehe. Daß die Antragstellerin ihrer Pflicht aus § 9 Abs. 1 BPersVG nicht nachgekommen sei, sei unschädlich. Die von der Unternehmensleitung der Telekom verfügte Personalbemessungsentscheidung begründe im übrigen eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausreichend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Ablehnung des Auflösungsantrages der Antragstellerin.

1. Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, daß – ausschließlich – über den schon in erster Instanz gestellten Auflösungsantrag der Antragstellerin zu entscheiden ist. Das gilt auch für die Rechtsbeschwerdeinstanz.

Zwar hat das Verwaltungsgericht eine – nicht beantragte – Feststellungsentscheidung getroffen und die Antragstellerin in zweiter Instanz (lediglich) die Zurückweisung der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beteiligten beantragt. Damit war jedoch eine Antragsänderung nicht verbunden. Der Sache nach hat die Antragstellerin vielmehr unverändert ihr Auflösungsbegehren weiterverfolgt. Sie hat ihren Vortrag vor dem Verwaltungsgericht, mit dem sie insbesondere die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung geltend machte, ausdrücklich zum Gegenstand ihres Vertrages vor dem Verwaltungsgerichtshof gemacht. Daß die Weiterverfolgung ihres Auflösungsbegehrens auch bewußt und in Kenntnis der unterschiedlichen Antragsmöglichkeiten – auch in der Form von Haupt- und Hilfsanträgen – geschah, zeigt das Verhalten der Antragstellerin in dem Parallelverfahren BVerwG 6 P 21.94: Dort hatte sie in erster Instanz die zunächst gestellten Anträge (Feststellung, hilfsweise Auflösung) durch einen Feststellungsantrag ersetzt und in zweiter Instanz die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde gegen den Feststellungsausspruch des Verwaltungsgerichts mit der Maßgabe einer Auflösung beantragt. Aus dem Vortrag der Antragstellerin im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren ergeben sich keine abweichenden Gesichtspunkte. Eine Änderung des mithin fortbestehenden Auflösungsbegehrens wäre im Rechtsbeschwerdeverfahren ohnehin nicht mehr möglich (Beschlüsse vom 28. Dezember 1994 – BVerwG 6 P 35.93 – PersR 1995, 209, 210 und vom 24. September 1985 – BVerwG 6 P 21.83 – Buchholz 238.3 A § 92 BPersVG Nr. 4, Urteil vom 22. April 1987 – BVerwG 6 P 15.83 – Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 4).

2. Die Beschwerdeentscheidung beruht jedoch auf einer unrichtigen Anwendung des § 9 Abs. 4 BPersVG. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Unrecht seine rechtliche Prüfung des Auflösungsantrages der Antragstellerin auf die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung beschränkt und die Frage, ob ein solches Weiterbeschäftigungsverhältnis überhaupt zustande gekommen ist, ausdrücklich offengelassen. Diese Vortrage darf nicht unbeantwortet bleiben (Urteil vom 22. April 1987 – BVerwG 6 P 15.83 – a.a.O.). Sie ist erheblich, weil nur ein zustande gekommenes Rechtsverhältnis aufgelöst werden kann. Diesem Einwand läßt sich nicht – wie der Verwaltungsgerichtshof meint – durch eine bedingte Fassung des Beschlußausspruchs begegnen, die den rechtsgestaltenden Auflösungsausspruch unter den Vorbehalt stellt, daß das Arbeitsverhältnis überhaupt existiert. Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist es nicht hinzunehmen, einen gerichtlichen Gestaltungsausspruch an eine Bedingung zu knüpfen (Kraft/Raab, Anmerkung zu EzA, § 78 a BetrVerfG 1972 Nr. 20; Dannenberg, PersR 1996, 296, 270 Fn. 7 a; Müller, PersR 1995, 202).

Gesetzliche oder verfassungsrechtliche Vorgaben, die hier ausnahmsweise etwas anderes verlangen könnten, bestehen im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht. Der Wortlaut des § 9 Abs. 4 BPersVG beschränkt die Verwaltungsgerichte nicht auf die isolierte Prüfung der Zumutbarkeitsfrage. Er erwähnt sie nur wegen der individualrechtlichen Sonderstellung der Zumutbarkeitsstreitigkeiten. Vor allem aber ist zu beachten, daß die Vorschrift des § 83 Abs. 1 BPersVG, die die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte eröffnet, auf § 9 BPersVG insgesamt und nicht lediglich auf dessen Abs. 4 verweist. Auch das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt keine Ausblendung der Vortrage, ob ein Weiterbeschäftigungsverhältnis zustande gekommen ist, denn es hängt – worauf Kraft/Raab (a.a.O.) zutreffend hingewiesen haben – von der konkreten Fallsituation ab, ob die Beschränkung auf die Zumutbarkeitsfrage tatsächlich eine schnellere Klärung des Rechtsstreits zwischen Ausgebildetem und Arbeitgeber über das Weiterbeschäftigungsverhältnis bewirken kann. Dem erhöhten Prozeßrisiko kann der öffentliche Arbeitgeber durch die Stellung von Haupt- und Hilfsanträgen begegnen. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 29. November 1989 (BAGE 63, 319 = AP Nr. 20 zu § 78 a BetrVerfG 1972; bestätigt durch Beschluß vom 24. Juli 1991, BAGE 68, 187 = AP Nr. 23 zu § 78 a BetrVerfG 1972), auf die der Verwaltungsgerichtshof Bezug nimmt, zur gleichlautenden Vorschrift des § 78 a BetrVerfG im Ergebnis den gegenteiligen Standpunkt vertreten. Im Hinblick auf die hieran in der Literatur geäußerte Kritik hat das Bundesarbeitsgericht jedoch inzwischen zu erkennen gegeben, daß es an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhalten wird (Urteil vom 11. Januar 1995, PersR 1995, 223).

Die demgegenüber vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Beschränkung auf die Zumutbarkeitsfrage müßte im übrigen zu unangemessenen Konsequenzen führen. Gerade der personalvertretungsrechtliche Kern des § 9 BPersVG, der in der Herbeiführung eines gesetzlichen Weiterbeschäftigungsverhältnisses durch den Ausgebildeten und mithin in den kollektivrechtlichen Schutzbestimmungen der Abs. 1 bis 3 zu sehen ist, würde dadurch aus dem personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren ausgeblendet. Er würde systemwidrig dem individualarbeitsrechtlichen Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten überantwortet. Dies hätte zudem noch eine Spaltung des Rechtsweges zur Folge, obwohl – wie in den Zumutbarkeitsstreitigkeiten nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BPersVG – es um den Bestand ein und desselben Rechtsverhältnisses geht. Damit aber würden Sinn und Zweck der ausdrücklichen Verweisung der auch individualrechtlich bedeutsamen Fälle des Absatzes 4 in das Beschlußverfahren verfehlt. Denn diese Verweisung ist ersichtlich auf eine Vereinheitlichung des Verfahrensganges und des Rechtsweges angelegt.

3. Der Auflösungsantrag der Antragstellerin ist aber unbegründet, weil ein Weiterbeschäftigungsverhältnis nach § 9 Abs. 2 BPersVG zwischen der Antragstellerin und dem Beteiligten zu 1 mangels Einhaltung der Dreimonatsfrist für das Weiterbeschäftigungsverlangen nicht zustande gekommen ist.

a) Seine Weiterbeschäftigung hat der Beteiligte zu 1 nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bei der Antragstellerin am 25. Oktober 1991 und mithin mehr als drei Monate vor dem für das Fristende maßgeblichen Zeitpunkt des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung am 27. Februar 1992 verlangt. Ein solcher Antrag ist unwirksam (Urteil vom 22. April 1987 – BVerwG 6 P 15.83 – a.a.O.). Er kann ein Weiterbeschäftigungsverhältnis nach § 9 Abs. 2 BPersVG nicht begründen.

Das muß auch dann gelten, wenn – wie hier – der Arbeitgeber seine Mitteilungspflicht gegenüber dem Auszubildenden aus § 9 Abs. 1 BPersVG nicht erfüllt hat (BAG, Urteil vom 31. Oktober 1985, BAGE 50, 79 ≪83 f.≫). Diesem Umstand kommt gemäß § 9 Abs. 5 BPersVG keine Bedeutung für die Frage zu, ob ein Weiterbeschäftigungsverhältnis zustande gekommen ist (Urteil vom 22. April 1987 – BVerwG 6 P 15.83 – a.a.O.).

Der Beteiligte zu 1 hat sein Weiterbeschäftigungsverlangen auch nicht innerhalb der Dreimonatsfrist wiederholt. Zwar hat er mit Schreiben vom 28. Februar 1992 auf seinen Antrag vom 25. Oktober 1991 hingewiesen, die von der Antragstellerin angebotene ausbildungsfremde Beschäftigung nur unter Vorbehalt der Geltendmachung seiner Rechte angenommen und mithin sein Weiterbeschäftigungsverlangen – auch in der von § 9 Abs. 2 BPersVG gebotenen Schriftform – erneuert. Die Dreimonatsfrist war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits abgelaufen.

b) Das Fristversäumnis ist auch nicht im Hinblick auf ein etwaiges treuwidriges Verhalten der Antragstellerin unbeachtlich. Zwar ist die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Rahmen von § 9 Abs. 2 bis 4 PersVG durchaus in Betracht zu ziehen. Der öffentlich-rechtliche Charakter eines Anspruchs oder einer sonstigen Regelung steht dem, wie der Senat bereits in vergleichbaren Zusammenhängen entschieden hat, nicht entgegen (Beschluß vom 9. Dezember 1992 – BVerwG 6 P 16.91 – Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 23 zur Frist des § 69 Abs. 2 Satz 3 BPersVG; Beschlüsse vom 14. Juli 1986 – BVerwG 6 P 12.84 – Buchholz 238.36 § 40 Nr. 2 zum Formerfordernis des § 40 Abs. 6 NdsPersVG und vom 21. April 1992 – BVerwG 6 P 8.90 – Buchholz 250 § 32 BPersVG Nr. 6 zum Formerfordernis des § 32 Abs. 3 Satz 2 BPersVG).

Allerdings ist ein Verstoß des Arbeitgebers gegen Treu und Glauben nur nach Maßgabe besonderer außergewöhnlicher Umstände zu bejahen. Wie § 9 Abs. 5 BPersVG zeigt, erfüllt selbst ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Hinweispflicht aus § 9 Abs. 1 BPersVG diese Anforderungen nicht. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß es nicht Aufgabe des Arbeitgebers sein kann, die Einhaltung der Frist des § 9 Abs. 2 BPersVG zugunsten des Auszubildenden zu kontrollieren oder gar den Auszubildenden zur Wahrnehmung seiner Rechte anzuhalten (BAG, Urteil vom 31. Oktober 1985, BAGE 50, 79 ≪83 f.≫). Deswegen kann ein Verhalten des Arbeitgebers nur dann als treuwidrig bezeichnet werden, wenn es darauf abzielt, den Auszubildenden von einer fristgerechten Wiederholung seines verfrühten Weiterbeschäftigungsverlangens abzuhalten, obwohl die hieraus dem Auszubildenden entstehenden Nachteile für den Arbeitgeber vorhersehbar waren und deren Abwendung dem Arbeitgeber möglich und zumutbar gewesen wäre.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bestand Einvernehmen zwischen den Beteiligten zu 1 und der Antragstellerin, daß eine Weiterbeschäftigung möglich sein werde. Sieht man hierin – was naheliegt – eine Einigkeit über eine bloße Wissenserklärung der Antragstellerin, daß ein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden ist, so steht diese Erklärung zukünftigen tatsächlichen Veränderungen, wie sie hier durch die Überarbeitung der Arbeitsanweisung und den hierdurch bedingten Wegfall des Arbeitsplatzes eingetreten sind, nicht entgegen. Diese Wissenserklärung der Antragstellerin entsprach den Tatsachen und kann schon deshalb nicht treuwidrig sein. Daß die Antragstellerin diese Erklärung in Kenntnis der Auswirkungen der späteren Organisationsänderungen abgegeben hat, hat auch der Beteiligte zu 1 nicht behauptet. Mißt man dem Einvernehmen dagegen eine eigenständige rechtliche Bedeutung im Sinne einer arbeitsvertraglichen Zusicherung eines Weiterbeschäftigungsverhältnisses bei, so führt das Verhalten der Antragstellerin jedenfalls nicht zu einem Nachteil des Auszubildenden, so daß auch insoweit die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen Treu und Glauben nicht erfüllt sind. Ein daraus etwa erwachsender Anspruch des Beteiligten zu 1 gegen die Antragstellerin wäre im Rahmen von § 9 BPersVG ohne Belang. In dem gesetzlichen Weiterbeschäftigungsverhältnis hätte er keine Wurzel. Vielmehr wäre er allein von individualarbeitsrechtlicher Bedeutung und deswegen im Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten geltend zu machen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.

 

Unterschriften

Albers, Vogelgesang, Eckertz-Höfer, Rubel, Schmutzler

 

Fundstellen

BVerwGE, 100

DÖV 1997, 598

PersR 1997, 163

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