Entscheidungsstichwort (Thema)
Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung von Jugendvertretern. Weiterbeschäftigungsverlangen, wiederholtes. Feststellungsantrag im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG. Zweiwochenfrist des § 9 Abs. 4 BPersVG. Ersatzmitglied. Wegfall des Arbeitsplatzes. personalwirtschaftliche Maßnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren nach § 9 BPersVG kann – jedenfalls in der Kombination von Haupt- und Hilfsanträgen – neben den in Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 genannten Entscheidungen auch die Feststellung begehrt werden, daß ein Weiterbeschäftigungsverhältnis wegen Nichtvorliegens der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 oder 3 BPersVG nicht zustande gekommen ist.
2. Ein solcher Feststellungsantrag wahrt das Fristerfordernis des § 9 Abs. 4 BPersVG für einen zunächst hilfsweise gestellten, später fallengelassenen und nach Fristablauf wieder weiterverfolgten Auflösungsantrag.
3. Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Sinne des § 9 Abs. 4 BPersVG kann sich bei der Deutschen Telekom daraus ergeben, daß der Arbeitsplatz aufgrund einer von der Generaldirektion nach unternehmerischen Gesichtspunkten vorgenommenen Überprüfung der Arbeitsmethoden und des Arbeitsbedarfs weggefallen ist.
Normenkette
BPersVG § 9 Abs. 1-4, § 83 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 22.09.1994; Aktenzeichen TK 2040/93) |
VG Kassel (Entscheidung vom 16.07.1993; Aktenzeichen K 4/92) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 22. September 1994 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Entscheidungsausspruch wie folgt lautet:
Das nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründete Arbeitsverhältnis zwischen dem Beteiligten zu 1 und der Antragstellerin wird aufgelöst.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 8.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1 nach Abschluß seiner Ausbildung.
Der Beteiligte zu 1 beendete am 26. Februar 1992 seine Ausbildung zum Elektromechaniker beim Fernmeldeamt Kassel nach zwei erfolglosen Prüfungsversuchen mit der Abschlußprüfung. Von insgesamt zehn Prüflingen legten sieben die Prüfung mit „befriedigend” ab, während der Beteiligte zu 1 sie mit „ausreichend” bestand. Im Mai 1991 war er auf Position 15 der Liste der Ersatzmitglieder für die Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt worden. In der vorangegangenen Wahlperiode nahm er – wie nach der Anhörung im Rechtsbeschwerdeverfahren zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig ist – insgesamt 19mal an Sitzungen der Jugend- und Auszubildendenvertretung teil. Mit Schreiben vom 13. November 1990 hatte er bei der Antragstellerin beantragt, ausbildungsgerecht weiterbeschäftigt zu werden. Durch Verfügung der Generaldirektion der Deutschen Bundespost Telekom vom 24. Februar 1992 an die regionalen Mittelbehörden wurde jedoch noch vor Ausbildungsende eine Überarbeitung von Arbeitsanweisungen und die dadurch bedingte Reduzierung der Inspektions- und Wartungsarbeiten umgesetzt. Auf dieser Grundlage ergab sich für das Fernmeldeamt Kassel in der Maschinentechnik ein Stellenminus von 1,84. Daraufhin hat die Antragstellerin dem Beteiligten zu 1 am 25. Februar 1992 einen nichtausbildungsgerechten Arbeitsplatz angeboten. Der Beteiligte zu 1 unterschrieb den Arbeitsvertrag, verwies aber in einem Schreiben vom gleichen Tage darauf, daß er die Beschäftigung nur unter Vorbehalt der Geltendmachung seiner Rechte aus dem Antrag auf ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung annehme. Das Schreiben ging der Antragstellerin ebenfalls am 25. Februar 1992 zu.
Daraufhin leitete die Antragstellerin am 6. März 1992 das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren ein, in dem sie die Feststellung begehrte, daß mit dem Beteiligten zu 1 ein Arbeitsverhältnis nach § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG nicht begründet worden sei. Den zunächst hilfsweise gestellten Auflösungsantrag ließ sie in der Anhörung fallen. Zur Begründung ihrer Anträge führte sie aus, die lediglich viermalige Teilnahme des Beteiligten zu 1 an Sitzungen der Jugend- und Auszubildendenvertretung begründe keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Der für ihn bis kurz vor der Abschlußprüfung freigehaltene Arbeitsplatz sei jedenfalls weggefallen, weil der durch die Verfügung vom 24. Februar 1992 entstandene Minderbedarf habe aufgefangen werden müssen. Im übrigen sei eine Vielzahl besserer Auszubildender vorhanden gewesen.
Das Verwaltungsgericht Kassel stellte fest, daß zwischen der Antragstellerin und dem Beteiligten zu 1 gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei, weil der Beteiligte zu 1 die Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 BPersVG nicht gewahrt habe.
Die Beschwerde der Beteiligten, deren Zurückweisung die Antragstellerin – zuletzt mit der Maßgabe der Auflösung eines nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründeten Arbeitsverhältnisses – beantragt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Entscheidungsausspruch wie folgt gefaßt werde: „Ein etwa nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründetes Arbeitsverhältnis zwischen dem Beteiligten zu 1 und der Deutschen Bundespost Telekom wird aufgelöst.”
Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt: Gegenstand des Antrags und des Verfahrens sei nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG nur die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses aus den in § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG genannten Tatsachen. Die Entscheidung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen als den in dieser Vorschrift genannten nicht entstanden oder aufzulösen ist, sei nicht Sache der Verwaltungsgerichte, sondern – entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – ausschließlich Sache der Arbeitsgerichte. Andernfalls bestehe die Gefahr abweichender Entscheidungen im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren einerseits und im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren andererseits. Die Entscheidung darüber, ob ein Arbeitsverhältnis entstanden ist, sei gegenüber der Auflösungsentscheidung nicht unbedingt vorgreiflich. Sie gehe ihr zwar nach den Gesetzen der Logik voraus. Das Interesse des Arbeitgebers an der baldigen Durchsetzung eines Auflösungsanspruchs rechtfertige jedoch eine rechtsgestaltende Eventualentscheidung, zumal dieser nur Wirkung für die Zukunft zukomme. Wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes könne es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, daß das Beschlußverfahren ausgesetzt werde, bis im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren rechtskräftig entschieden worden sei, ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt zustande gekommen sei. Der Arbeitgeber dürfe nicht länger als unvermeidlich an einem ihm unzumutbaren Arbeitsverhältnis festgehalten werden. Deswegen könne im Beschlußverfahren über die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ohne Rücksicht auf das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren entschieden werden. In der Sache selbst könne dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1 nicht zugemutet werden. Er sei nicht verpflichtet, einen Arbeitsplatz einzurichten, um die Weiterbeschäftigung möglich zu machen, oder einen Arbeitsplatz beizubehalten, für den kein Bedarf bestehe. Die Personalbemessungsentscheidungen der Generaldirektion seien unternehmerische Entscheidungen, die sich auf die Arbeitsabläufe bezögen und dadurch zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen geführt hätten. Ein Arbeitgeber könne schwerlich verpflichtet sein, unbesetzte Arbeitsplätze beizubehalten, für die kein Bedarf bestehe. Unternehmerische Entscheidungen dieser Art rechtfertigten sogar betriebsbedingte Kündigungen. Müßte der Beteiligte zu 1 dennoch allein deswegen weiterbeschäftigt werden, weil er Mitglied einer Jugendvertretung gewesen sei, würde dies dem Begünstigungsverbot des § 8 BPersVG zuwiderlaufen.
Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht wegen der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Auslegung des § 9 Abs. 4 BPersVG zugelassene Rechtsbeschwerde. Sie macht geltend, daß der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Beschlußtenor gegen § 9 Abs. 4 BPersVG verstoßen habe, weil er der Antragstellerin etwas zugesprochen habe, das nicht beantragt und nach dem Gesetz auch nicht möglich sei. Die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, es sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, ein Arbeitsgerichtsverfahren und ein Beschlußverfahren durchzuführen, übersehe die Möglichkeit des Arbeitgebers, das Arbeitsgerichtsverfahren mit der notwendigen Beschleunigung zu betreiben. Die Entscheidungskompetenzen der Verwaltungsgerichte seien in § 9 Abs. 4 BPersVG abschließend aufgezählt. Die Prüfung der Voraussetzungen für § 9 BPersVG sei dagegen rein arbeitsrechtlicher Natur. In der Sache selbst verkenne der Verwaltungsgerichtshof, daß dem Beteiligten zu 1 die ausbildungsgerechte Übernahme mehrfach zugesichert worden sei und seine Dienststelle dafür einen Arbeitsplatz freigehalten habe. Eine wirksame Einstellungssperre sei jedenfalls nicht ausgesprochen worden, weil es hierfür nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an einem Vorstandsbeschluß fehle.
Die Beteiligten beantragen,
den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 1994 – TK 2040/93 – und den Beschluß des Verwaltungsgerichts Kassel vom 16. Juli 1993 – K 4/92 – aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin abzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Verwaltungsgerichte seien zuständig, alle Fragen im Zusammenhang mit § 9 BPersVG zu entscheiden. Ein Weiterbeschäftigungsverhältnis sei nicht begründet worden, weil das Weiterbeschäftigungsverlangen des Beteiligten zu 1 nicht fristgerecht und deswegen unwirksam gewesen sei. Auf eine etwaige frühere Übereinstimmung des Beteiligten zu 1 und der Antragstellerin über eine ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung komme es deswegen nicht an. In der Sache selbst sei der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, daß der Antragstellerin eine Weiterbeschhäftigung nicht zugemutet werden könne. Aufgrund der Pesonalbemessungsentscheidung der Generaldirektion seien die vorgesehenen Stellen entfallen. Diese Entscheidung sei nach allgemeinen, eindeutig bestimmten und objektiv nachprüfbaren Maßstäben durch die Unternehmensleitung ergangen, so daß Benachteiligungen von Mandatsträgern der Jugend- oder Auszubildendenvertretung, die § 9 BPersVG verhindern wolle, ausgeschlossen seien.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Nach seiner Ansicht ist § 83 BPersVG zu entnehmen, daß eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Rechtsstreitigkeiten nach § 9 BPersVG ohne jede Einschränkung bestehe. Die von der Unternehmensleitung der Telekom verfügte Personalbemessungsentscheidung begründe eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausreichend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde der Beteiligten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
1. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung § 9 Abs. 4 BPersVG unrichtig angewendet. Wie der Senat mit seinem den Beteiligten bekannten Beschluß vom heutigen Tag (BVerwG 6 P 20.94) entschieden und dort näher ausgeführt hat, durfte der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Auflösung des Weiterbeschäftigungsverhältnisses die Vortrage, ob ein solches Rechtsverhältnis überhaupt wirksam zustande gekommen ist, nicht offenlassen. Er durfte das Offenlassen dieser Frage auch nicht in der Beschlußformel seiner Entscheidung durch eine bedingte Fassung des Auflösungsausspruches zum Ausdruck bringen. Das bedarf hier keiner weiteren Ausführungen.
2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs beruht jedoch nicht auf diesem Rechtsfehler. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen für eine Auflösung des Weiterbeschäftigungsverhältnisses zwischen dem Beteiligten zu 1 und der Antragstellerin bejaht.
a) Die Antragstellerin hat – wovon der Verwaltungsgerichtshof unausgesprochen ausgegangen ist – die Zweiwochenfrist des § 9 Abs. 4 BPersVG für ihr Auflösungsbegehren gewahrt. Zwar hat sie den Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG vor dem Verwaltungsgericht zunächst nur hilfsweise gestellt und später fallengelassen, so daß allein hierdurch eine fristwahrende Wirkung nicht eintreten konnte. Auch die spätere Rückkehr zum Auflösungsantrag in der Beschwerdeinstanz konnte das Fristerfordernis des § 9 Abs. 4 BPersVG nicht erfüllen, weil die Zweiwochenfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Dem ursprünglich vor dem Verwaltungsgericht innerhalb der Zweiwochenfrist gestellten Feststellungsantrag kommt jedoch fristwahrende Wirkung für das später verfolgte Auflösungsbegehren zu.
Von der Zulässigkeit von Feststellungsanträgen des Arbeitgebers im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren, die darauf gerichtet sind, daß ein Weiterbeschäftigungsverhältnis wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG nicht zustande gekommen ist, sowie von deren fristwahrender Wirkung im Hinblick auf § 9 Abs. 4 BPersVG ist das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgegangen (Urteil vom 22. April 1987 – BVerwG 6 P 15.83 – Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 4). Daran ist festzuhalten; das muß jedenfalls dann gelten, wenn – wie hier – die Feststellungsklage innerhalb der Zweiwochenfrist erhoben und mit einem – später zunächst fallengelassenen – hilfsweise gestellten Auflösungsantrag verbunden gewesen ist.
Die Zulässigkeit eines Feststellungsantrages zum Fehlen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG folgt nicht schon aus § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BPersVG. Der dort genannte Feststellungsantrag bezieht sich ebenso wie der Auflösungsantrag nach Nr. 2 auf die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung; beide Anträge unterscheiden sich lediglich in zeitlicher Hinsicht voneinander (Beschluß vom 30. Oktober 1987 – BVerwG 6 P 25.85 – Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 5). Dagegen betrifft der hier in Rede stehende Feststellungsantrag die Vortrage, ob das Weiterbeschäftigungsverhältnis überhaupt zustande gekommen ist, und bezeichnet somit einen anderen Streitgegenstand. Die Beantwortung dieser Vortrage fällt – wie in dem unter 1. erwähnten Beschluß vom heutigen Tag – BVerwG 6 P 20.94 – dargelegt worden ist – in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren und geht deswegen der Entscheidung über Feststellungs- bzw. Auflösungsanträge nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bzw. 2 BPersVG voraus. Darüber hinaus müssen aus der Vortragekompetenz aber auch prozessuale Konsequenzen im Sinne der Zulässigkeit allein die Vortrage betreffender Feststellungsanträge gezogen werden. Die Entscheidungsmöglichkeiten der Verwaltungsgerichte sind nicht auf die in § 9 Abs. 4 BPersVG vorgegebenen prozessualen Alternativen beschränkt. § 83 Abs. 1 BPersVG eröffnet die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nicht allein in den Fällen des § 9 Abs. 4 BPersVG, sondern verweist auf die gesamte Vorschrift des § 9 BPersVG. Deswegen müssen im Interesse der Justizgewährpflicht den Verwaltungsgerichten neben den besonderen Gestaltungsanträgen nach § 9 Abs. 4 BPersVG auch die allgemeinen Rechtsschutzformen des personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens zur Verfügung stehen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 29. November 1989 (BAGE 63, 319 = AP Nr. 20 zu § 78 a Betriebsverfassungsgesetz 1972; bestätigt durch Beschluß vom 24. Juli 1991, BAGE 68, 187 = AP Nr. 23 zu § 78 a Betriebsverfassungsgesetz 1972), auf die der Verwaltungsgerichtshof Bezug nimmt, zur gleichlautenden Vorschrift des § 78 a Betriebsverfassungsgesetz zwar den gegenteiligen Standpunkt vertreten. Im Hinblick auf die hieran in der Literatur geäußerte Kritik hat das Bundesarbeitsgericht jedoch inzwischen zu erkennen gegeben, daß es an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhalten wird (Urteil vom 11. Januar 1995, PersR 1995, 223).
Wollte man demgegenüber dem Arbeitgeber die Möglichkeit verwehren, die Feststellung der Nichtbegründung des Arbeitsverhältnisses und die Auflösung dieses Arbeitsverhältnisses wegen Unzumutbarkeit gemeinsam – zumindest in der Kombination von Haupt- und Hilfsantrag – in einem einheitlichen Beschlußverfahren zu betreiben, ergäbe sich die systemwidrige Konsequenz, daß die Verwaltungsgerichte gerade die in den Absätzen 2 und 3 geregelten personalvertretungsrechtlichen Kernfragen der Weiterbeschäftigungsfiktion des § 9 BPersVG nicht selbst einer verbindlichen, im Beschlußtenor zum Ausdruck kommenden Entscheidung zuführen könnten, sondern trotz ihrer kollektivrechtlichen Eigenart dem individualarbeitsrechtlichen Verfahren vor den Arbeitsgerichten überlassen müßten. Darüber hinaus hätte der Arbeitgeber im verwaltunsgerichtlichen Verfahren ein unangemessenes prozessuales Risiko zu tragen: Stellt sich heraus, daß ein Weiterbeschäftigungsverhältnis schon nicht wirksam begründet worden ist, wäre der Auflösungsantrag des Arbeitgebers als unbegründet abzuweisen, ohne daß dieser – in Form eines hilfsweise gestellten Feststellungsantrages – die Prozeßniederlage abwenden könnte. Allein aus der Begründung der Ablehnung des Auflösungsantrages ergäbe sich, daß der Arbeitgeber der Sache nach mit seiner Ansicht, der Ausgebildete müsse nicht weiterbeschäftigt werden, durchgedrungen ist. Ob hieraus gar die weitergehende Folgerung zu ziehen ist, nicht nur mit Auflösungsanträgen in Form von Haupt- und Hilfsanträgen verbundene Feststellungsanträge, sondern auch – hier nicht in Rede stehende – isolierte Feststellungsanträge des Arbeitgebers oder gar Feststellungsanträge des Ausgebildeten zum Fehlen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren vor den Verwaltungsgerichten als zulässig anzusehen, bedarf keiner Entscheidung.
Dem mithin zulässigen Feststellungsantrag der Antragstellerin kam auch fristwahrende Wirkung für ihr später wieder aufgegriffenes Auflösungsbegehren zu. Das muß jedenfalls dann gelten, wenn der Feststellungsantrag – wie hier – mit einem Auflösungsantrag verbunden wird, selbst wenn dieser Antrag später vorübergehend nicht mehr verfolgt wird. Das Erfordernis der Zweiwochenfrist bezweckt, daß der Arbeitgeber sich über eine Anrufung des Gerichts mit dem Ziel, den Schutz des § 9 BPersVG entfallen zu lassen, in kurzer Zeit schlüssig wird und sie in die Tat umsetzt. Hierdurch soll für den Ausgebildeten ebenso wie für die Jugend- und Auszubildendenvertretung alsbald erkennbar sein, daß dieser Schutz später – aufgrund der gerichtlichen Entscheidung – möglicherweise entfallen wird bzw. erst gar nicht eintreten kann. Vor allem soll dem Ausgebildeten hierdurch die Möglichkeit gegeben werden, frühzeitig einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Dieser Signalfunktion des Fristerfordernisses des § 9 Abs. 4 BPersVG wird auch im Falle einer Kombination von Feststellungsantrag und später vorübergehend entfallendem, hilfsweise gestellten Auflösungsantrag hinreichend Rechnung getragen. Dem Ausgebildeten wie auch der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird deutlich, daß sich der Arbeitgeber nicht nur gegen die Fortsetzung des Weiterbeschäftigungsverhältnisses wendet, sondern sogar sein Zustandekommen bestreitet und damit die Rechtsposition des Ausgebildeten grundlegend anzugreifen sucht. Hierdurch wird sich der Ausgebildete in besonderem Maß zu Dispositionen im Hinblick auf eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit veranlaßt sehen. An dieser berechtigten Einschätzung des Ausgebildeten wird sich nichts ändern, wenn der Arbeitgeber später den – weniger weitgehenden, weil nur für die Zukunft wirkenden – Auflösungsantrag (vorübergehend) nicht weiterverfolgt. Es mag naheliegen, hieraus den Schluß zu ziehen, daß auch Feststellungsanträge zum Fehlen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG dem Fristerfordernis des § 9 Abs. 4 BPersVG unterliegen, das insoweit – verfassungsrechtlich allerdings nicht unbedenklich – analoge Anwendung finden müßte. Davon ist der Senat bisher nicht ausgegangen (Urteil vom 22. April 1987 – BVerwG 6 P 15.83 – Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 4). Diese Frage bedarf hier jedoch keiner Entscheidung.
b) Die Dreimonatsfrist, die § 9 Abs. 2 BPersVG für das Weiterbeschäftigungsverlangen des Ausgebildeten setzt, hat der Beteiligte zu 1 gewahrt. Zwar beantragte er unstreitig schon am 13. November 1990 – das im Tatbestand des VGH-Beschlusses angegebene Datum des 25. Oktober 1991 ist unrichtig und bezieht sich offensichtlich auf das Parallelverfahren BVerwG 6 P 20.94 – und mithin deutlich mehr als drei Monate vor dem für das Fristende maßgeblichen Zeitpunkt des erfolgreichen Abschlusses seiner Ausbildung am 26. Februar 1992 seine Weiterbeschäftigung; ein solcher verfrühter Antrag ist unwirksam und kann ein Weiterbeschäftigungsverlangen nicht begründen (Urteil vom 22. April 1987 – BVerwG 6 P 15.83 – a.a.O.). Der Beteiligte zu 1 hat sein Weiterbeschäftigungsverlangen jedoch innerhalb der Monatsfrist wirksam wiederholt. Er hat in seinem Schreiben vom 25. Februar 1992, also einen Tag vor Ende seines Ausbildungsverhältnisses und somit fristgerecht, das Angebot eines nichtausbildungsgerechten Arbeitsplatzes unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Geltendmachung seiner Rechte aus dem Antrag auf ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung vom 13. November 1990 angenommen. Von diesem Schreiben hat die Antragstellerin – wie sie und der Beteiligte zu 1 in der Anhörung im Rechtsbeschwerdeverfahren übereinstimmend und deswegen für den Senat verwertbar bekundet haben – am selben Tag Kenntnis erlangt. Daraus war für sie innerhalb der Dreimonatsfrist klar erkennbar, daß der Beteiligte zu 1 seine Weiterbeschäftigung gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG verlangt. Die von § 9 Abs. 2 BPersVG gebotene Schriftform ist jedenfalls gewahrt.
c) Der Beteiligte zu 1 erfüllt auch die personellen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BPersVG. Zwar war er kein „Mitglied der Personalvertretung” im Sinne dieser Vorschrift, sondern lediglich als Ersatzmitglied vertretungsweise für ein gewähltes Mitglied tätig. Wie der Senat aber in Fortentwicklung seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat, findet § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG entsprechende Anwendung, wenn Ersatzmitglieder zeitlich getrennte Vertretungstätigkeiten in einer so großen Zahl von Einzelfällen ausgeübt haben, daß diese in ihrer Gesamtheit einer über einen längeren, in sich abgeschlossenen Zeitraum bestehenden Ersatzmitgliedschaft gleichkommen, und wenn sich eine mißbräuchliche Begünstigung ausschließen läßt (BVerwG, Beschluß vom 28. Februar 1990 – BVerwG 6 P 21.87 – Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 7). Beides ist hier der Fall. Der Beteiligte zu 1 hat nach dem übereinstimmenden und deswegen für den Senat verwertbaren Vortrag der Antragstellerin und des Beteiligten zu 1 in der Anhörung im Rechtsbeschwerdeverfahren während der zweijährigen Wahlperiode von 1989 bis 1991 an insgesamt 19 Sitzungen der Jugend- und Auszubildendenvertretung teilgenommen. Das entspricht selbst bei wöchentlichem Sitzungsrhythmus einem Zeitraum von annährend fünf Monaten, mithin einem Anteil von mehr als 20 % der Wahlperiode. Die Größenordnung entspricht derjenigen, die der erwähnten Entscheidung des Senats zugrunde gelegen hat, und reicht auf jeden Fall. Anhaltspunkte für rechtsmißbräuchliches Handeln sind nicht erkennbar. Die Antragstellerin hat ausdrücklich erklärt, daß sie keinen Anlaß habe, von einer rechtsmißbräuchlichen Begünstigung des Beteiligten zu 1 auszugehen.
d) Die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des mithin wirksam entstandenen Weiterbeschäftigungsverhältnisses hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint. Er ist dabei im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, daß auf die Antragstellerin wegen ihrer besonderen Aufgabenstellung und Unternehmensstruktur insoweit besondere Maßstäbe Anwendung finden müssen, die es – anders als im Bereich der sonstigen Verwaltung – rechtfertigen, bei der Entscheidung nach § 9 Abs. 4 BPersVG von der Antragstellerin eigenverantwortlich getroffene personalwirtschaftliche Maßnahmen, die nicht unmittelbar durch gesetzliche oder tarifliche Regelungen veranlaßt werden, sondern auf unternehmerische Überlegungen zurückgehen, einzubeziehen (BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1994 – BVerwG 6 P 48.93 – Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 11 und vom 20. Dezember 1994 – BVerwG 6 P 13.94 –). Zu diesen Maßnahmen sind nicht nur Einstellungssperren zu zählen, wie sie Gegenstand der genannten Entscheidungen gewesen sind, sondern auch die hier in Rede stehende, zum Wegfall von Arbeitsplätzen führende Personalbemessung (nach Maßgabe einer Überarbeitung) von Arbeitsanweisungen.
Der Einwand der Beteiligten, auf einen hierdurch bedingten Wegfall von Arbeitsplätzen könne sich die Antragstellerin jedenfalls nicht berufen, weil die zugrundeliegende Überarbeitung der Arbeitsanweisungen nicht vom Vorstand, sondern lediglich von der Generaldirektion der Antragstellerin beschlossen worden sei, greift nicht durch. Richtig ist allerdings, daß auch im Bereich der Antragstellerin eindeutig sichergestellt sein muß, daß mit derartigen Maßnahmen keine Benachteiligung des in § 9 Abs. 1 BPersVG genannten Personenkreises verbunden ist. Deswegen hat der Senat in den erwähnten Entscheidungen einschränkende Kriterien formuliert, die erfüllt sein müssen, damit unternehmerisch-personalwirtschaftliche Maßnahmen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung begründen können. Zu ihnen zählt jedoch nicht zwingend das formale Erfordernis eines Vorstandsbeschlusses. Maßgeblich ist allein, daß die Maßnahmen abstrakt und ohne subjektive Einwirkungsmöglichkeit zum Nachteil einzelner Beschäftigter getroffen werden. Sie müssen daher auf der Ebene der Unternehmensleitung und nicht von nachgeordneten Stellen beschlossen werden, bei denen die Gefahr besteht, daß die Entscheidung durch den Blick auf konkrete Personen aus ihrem Verantwortungsbereich beeinflußt wird. Eine solche Gefahr ist bei einer Entscheidung der Generaldirektion, der gesamtunternehmerische Tragweite zukommt, nicht erkennbar und wird von den Beteiligten auch nicht behauptet. Ein Beschluß der Generaldirektion muß jedenfalls dann ausreichen, wenn es sich – wie hier – um Überprüfungen der Arbeitsmethode und des Arbeitsbedarfs handelt, also um Tätigkeiten, die nicht der Vorstand, sondern nur die Generaldirektion selbst vornehmen kann und die personenbezogene Differenzierungen wegen ihres objektiven Maßstabs ausschließen.
3. Die mithin erfolglose Rechtsbeschwerde war im Hinblick auf das unter 1. zur Unzulässigkeit einer das Bestehen eines Weiterbeschäftigungsverhältnisses offenlassenden Beschlußformel Gesagte mit der Maßgabe einer unbedingten Fassung des Auflösungsausspruchs zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Albers, Vogelgesang, Eckertz-Höfer, Rubel, Schmutzler
Fundstellen
BVerwGE, 106 |
PersR 1997, 165 |