Verfahrensgang

VG Weimar (Aktenzeichen 6 K 934/97.We)

 

Tenor

Die Beschwerden der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 20. September 2000 werden zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 93 900 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Die grundsätzliche Bedeutung, die der Sache revisionseröffnend zukommen soll (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), liegt in dem dargelegten Umfange nicht vor, und der Verfahrensmangel, den die Klägerinnen zu 2 und 3 zusätzlich geltend machen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), ist nicht gegeben.

1. Die Klägerin zu 1 will mit ihrer Beschwerde geklärt wissen,

ob § 1 Abs. 2 VermG zwingend so auszulegen sei, dass bei jedem Grundstück und jeder Teilfläche die Überschuldung aufgrund nicht kostendeckender Mieten eingetreten sei oder unmittelbar bevorstehen müsse oder ob bei einem gleichzeitigen Verzicht auf mehrere Grundstücke, die für den Eigentümer eine wirtschaftliche Einheit darstellten, darauf abgestellt werden könne, dass insgesamt der Tatbestand der Vorschrift erfüllt sei, ohne dass bereits jedes einzelne Grundstück überschuldet sei oder die Überschuldung unmittelbar bevorstehe.

Die Rechtslage lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts sowie der dazu vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung im verneinenden Sinne beantworten und bedarf deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.

Nach § 1 Abs. 2 VermG sollen Eigentumsschäden wieder gutgemacht werden, die infolge der Niedrigmietenpolitik der DDR und der dadurch bewirkten ökonomischen Zwangslage eingetreten sind (stRspr; vgl. Urteil vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 25.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 7 S. 14 ≪15≫ m.w.Nachw.). Die Vorschrift ist objektbezogen, sie begrenzt den Schädigungstatbestand unmissverständlich auf solche Grundstücke, die wegen der Überschuldung Grund für die Eigentumsaufgabe waren (Beschluss vom 29. Juni 1999 – BVerwG 7 B 102.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 2 S. 8). Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch Buchgrundstücke von diesem Schädigungstatbestand erfasst werden, die nicht überschuldet waren. Sind sie für die bestimmungsgemäße Nutzung des bebauten (überschuldeten) Nachbargrundstücks notwendig, erstreckt sich der Rückgewähranspruch auch auf sie (vgl. Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 13.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 141 S. 428 ≪429 f.≫). Eine solche Abhängigkeit hat das Verwaltungsgericht nur hier nicht festgestellt.

Die Klägerinnen zu 2 und 3 möchten über das Vorstehende hinaus geklärt wissen,

ob eine auf Dauer angelegte, bereits seit Jahrzehnten bestehende negative Ertragsrealität, d.h. die seit Jahrzehnten bestehende, erhebliche Unterdeckung zwischen den sich aus der Annuität, den Bewirtschaftungs- und Instandsetzungskosten auf der einen und den Mieterträgen auf der anderen Seite entweder bei der Berechnung einer bereits eingetretenen Überschuldung, zumindest aber bei unstreitig bestehender negativer Fortsetzungsprognose bei der Berechnung einer unmittelbar drohenden Überschuldung anzusetzen seien.

Die Feststellung der dauerhaften Überschuldung hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Geklärt ist, dass bei der Gegenüberstellung von Zeitwert und Verbindlichkeit im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts die Aufwendungen zu berücksichtigen sind, die für Instandsetzungsmaßnahmen notwendig gewesen wären, aber vom Eigentümer aufgrund der ökonomischen Zwangslage unterlassen wurden (vgl. Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39 S. 86 ≪89≫ = BVerwGE 98, 87 ≪90≫). Geklärt ist ferner, dass zu den Verbindlichkeiten auch Aufwendungen gehören können, die der Eigentümer in der Vergangenheit für notwendige Instandsetzungsarbeiten erbracht, jedoch weder aus den Mieterträgen noch mit Fremdmitteln, sondern aus seinem sonstigen Vermögen finanziert hat (Urteil vom 16. März 1995 a.a.O. S. 92 bzw. 93 f.). Aufgelaufene Verluste sind danach zu berücksichtigen, auch wenn die Finanzierung der Unterdeckungsbeträge nicht aus dem Grundstück möglich war. Angesichts dieser Rechtsprechung wird nicht deutlich, was in einem Revisionsverfahren noch geklärt werden soll.

2. Die Verfahrensrügen, welche die Klägerinnen zu 2 und 3 erheben, greifen nicht durch. Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe die Überschuldungsüberhänge aus den beiden angrenzenden Grundstücken nicht ermittelt, verfängt nicht, weil dazu auf der Grundlage der oben wiedergegebenen materiellen Rechtslage kein Anlass bestand. Soweit die Beschwerde bemängelt, dass das Verwaltungsgericht bei der Anerkennung des Überschuldungssaldos Tilgungsbeiträge unberücksichtigt gelassen habe, zielen die Angriffe auf die Anwendung des sachlichen Rechts und nicht auf die Tatsachenfeststellung, die das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung vorgenommen hat. Solche Wertungswidersprüche sind nicht mit der Verfahrensrüge geltend zu machen. Gleiches gilt für den Vorwurf, das Verwaltungsgericht sei bei der Ermittlung der Beleihungsgrenze von falschen Bezugsgrößen ausgegangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes aus §§ 13, 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Postier

 

Fundstellen

Dokument-Index HI600614

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