Entscheidungsstichwort (Thema)
Soldatenbeteiligung. Personalrat oder Vertrauensperson. militärische Dienststellen und Einrichtungen. Marinemusikkorps
Leitsatz (amtlich)
Das Marinemusikkorps Ostsee ist eine militärische Dienststelle, in welcher die Soldaten Personalvertretungen wählen.
Normenkette
SBG §§ 2, 49
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 11.04.2005; Aktenzeichen 11 LB 3/04) |
VG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 25.08.2004; Aktenzeichen 18 A 4/04) |
Tenor
Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts – Fachsenat für Personalvertretungssachen/Bund – vom 11. April 2005 sowie der Beschluss der Fachkammer für Personalvertretungssachen – Bund – beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht vom 25. August 2004 werden aufgehoben.
Die Wahl zum Personalrat beim Marinestützpunktkommando Kiel vom 16. und 17. Juni 2004 wird in der Gruppe der Soldaten für ungültig erklärt.
Tatbestand
I.
Nach Teil III der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung (STAN) vom 19. August 2002 sind für das Marinemusikkorps Ostsee 66 Stellen für Soldaten sowie 2 Stellen für Angestellte ausgewiesen. Mit Schreiben vom 18. Februar 2004 teilte der Amtschef des Marineamtes das Marinemusikkorps Ostsee gemäß § 12 Abs. 2 BPersVG dem benachbarten Marinestützpunktkommando Kiel zu. Am 16. und 17. Juni 2004 fanden die Wahlen zum Personalrat beim Marinestützpunktkommando Kiel unter Ausschluss der Soldaten des Marinemusikkorps Ostsee statt. Das Wahlergebnis wurde am 17. Juni 2004 bekannt gegeben.
Der Antragsteller hat die Wahl am 2. Juli 2004 wegen fehlender Einbeziehung der Soldaten des Marinemusikkorps Ostsee angefochten. Den Antrag hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers aus folgenden Gründen zurückgewiesen: Die Soldaten des Marinemusikkorps Ostsee seien an der Personalratswahl zu Recht nicht beteiligt worden. Denn das Marinemusikkorps Ostsee bilde eine von Personalratswahlen ausgeschlossene Einheit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Soldatenbeteiligungsgesetzes (SBG). Es habe einen friedlichen, aber militärisch geprägten Unterstützungs- und Repräsentationsauftrag mit militärischen Mitteln zu bewältigen, nämlich mit uniformierten Soldaten und Musikinstrumenten. Militärmusik habe Tradition. Die Orchestermitglieder seien “Musiksoldaten”. Das Marinemusikkorps Ostsee sei mobil. Seine Aufgaben könnten vernünftigerweise nur von Soldaten wahrgenommen werden. Systematische Bedenken gegen diese Beurteilung mit Blick auf die Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 SBG bestünden nicht.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Die Militärmusikkorps würden bei Mobilmachung ersatzlos aufgelöst. Sie hätten einen musikalischen, keinen militärischen Auftrag zu erfüllen. Die für Einheiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG charakteristische Mobilität könne nicht darin erblickt werden, dass das Musikkorps zu seinen Auftritten per Fahrzeug anreise. Es sei nicht zutreffend, dass die Aufgaben des Musikkorps vernünftigerweise nur von Soldaten wahrgenommen werden könnten. Es sei nicht aus Gründen militärischer Einsatznotwendigkeit unmöglich, die musikalische Umrahmung öffentlicher Feiern von einem Musikkorps erledigen zu lassen, welches aus Angestellten bestehe und in festgelegter einheitlicher Dienstkleidung auftrete. Das Musikkorps erfülle fachliche Aufgaben. Sein administrativer Charakter folge daraus, dass die Aufführung von Musikstücken als Blasorchester, Spielmannszug, Tanzcombo, Showband und dergleichen keine militäreigentümliche Tätigkeit darstelle, sondern von zahlreichen zivilen Dienststellen des Kulturbereichs wahrgenommen werde. Es spreche eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die Soldaten in landgestützten Marinedienststellen Personalvertretungen zu wählen hätten.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Wahl zum Personalrat beim Marinestützpunktkommando Kiel vom 16. und 17. Juni 2004 hinsichtlich des Wahlgangs für Soldaten für ungültig zu erklären.
Der Beteiligte zu 2 beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss ebenso wie die Vertreterin des Bundesinteresses.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Er ist daher – ebenso wie der durch ihn bestätigte erstinstanzliche Beschluss – aufzuheben. Da der Sachverhalt geklärt ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zum Erfolg des Wahlanfechtungsbegehrens. Die Wahl zum Personalrat beim Marinestützpunktkommando Kiel vom 16. und 17. Juni 2004 ist in der Gruppe der Soldaten für ungültig zu erklären.
1. Der Wahlanfechtungsantrag beurteilt sich nach § 25 BPersVG. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ergibt sich hier zwar nicht bereits aus § 1 BPersVG, weil es sich bei den militärischen Dienststellen der Bundeswehr nicht um Verwaltungen des Bundes handelt. Sie folgt jedoch aus § 48 Satz 1 des Soldatenbeteiligungsgesetzes (SBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. April 1997, BGBl I S. 766, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 26. Mai 2005, BGBl I S. 1418. Danach gilt für Soldaten das Bundespersonalvertretungsgesetz nach Maßgabe der §§ 48 bis 51 SBG (richtig wohl §§ 49 bis 52 SBG; vgl. Beschluss vom 7. Januar 2003 – BVerwG 6 P 7.02 – Buchholz 252 § 49 SBG Nr. 1 S. 2 m.w.N.).
Grundlegende Bestimmung, die für die Soldaten des Marinestützpunktkommandos Kiel den Anwendungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes eröffnet, ist § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG. Danach wählen Soldaten Personalvertretungen in denjenigen Dienststellen und Einrichtungen, die nicht zu den Wahlbereichen des § 2 Abs. 1 SBG zählen (vgl. Beschluss vom 7. Januar 2003 a.a.O. S. 3 m.w.N.). Die Marinestützpunktkommandos sind stationäre Dienststellen mit administrativ-technischer Aufgabenstellung. Als solche fallen sie nicht unter § 2 Abs. 1 SBG (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2002 – BVerwG 6 P 2.01 – Buchholz 252 § 2 SBG Nr. 3 S. 21). Folgerichtig finden sie sich in Nr. 5 des vom Bundesministerium der Verteidigung geführten Verzeichnisses der Dienststellen und Einrichtungen der Streitkräfte im Sinne von § 49 SBG in der Fassung vom 22. Dezember 2003 (ZDv 10/2 Anlage 4, abgedruckt bei: Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundeswehr, 5. Auflage 2005, Anhang zu § 49).
Ist somit für die Soldaten des Marinestützpunktkommandos Kiel der Anwendungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes eröffnet, so steht die Dienststelle – freilich eingeschränkt durch weitere in §§ 49 ff. SBG enthaltene Maßgaben – den Verwaltungen des Bundes gleich (§ 48 Satz 2 SBG). Für die Zivilbeschäftigten der Dienststelle folgte diese Gleichstellung zum Zeitpunkt der hier angefochtenen Personalratswahl aus § 70 Abs. 1 des Soldatengesetzes (SG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Februar 2001, BGBl I S. 232; dasselbe regelt nunmehr § 91 Abs. 1 SG in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005, BGBl I S. 1482. Spezielle, das Verfahren der Wahlanfechtung betreffende Maßgaben enthalten §§ 49 bis 52 SBG nicht. § 25 BPersVG ist daher ohne Einschränkungen anzuwenden.
2. Der Wahlanfechtungsantrag ist zulässig. Insbesondere durfte der Antragsteller seine Anfechtung auf die Gruppe der Soldaten beschränken (vgl. Beschluss vom 10. Mai 1982 – BVerwG 6 P 40.80 – BVerwGE 65, 297, 299 f.; Beschluss vom 6. Juni 1991 – BVerwGE 6 P 8.89 – Buchholz 251.2 § 12 BlnPersVG Nr. 1 S. 4 f.).
3. Die Wahlanfechtung ist gemäß § 25 BPersVG begründet. Wegen der Nichteinbeziehung der Soldaten des Marinemusikkorps Ostsee leidet die Personalratswahl beim Marinestützpunktkommando Kiel vom 16. und 17. Juni 2004 unter einem wesentlichen Wahlrechtsverstoß, welcher das Wahlergebnis in der Gruppe der Soldaten beeinflusst haben kann.
Zwar ist das Marinemusikkorps Ostsee eine eigenständige militärische Dienststelle. Da dort aber weniger als fünf Zivilbeschäftigte tätig und somit die Mindestvoraussetzungen für die Bildung eines Personalrats nach § 12 Abs. 1 BPersVG nicht erfüllt sind, hat der Amtschef des Marineamtes als der übergeordneten Dienststelle unter dem 18. Februar 2004 gemäß § 12 Abs. 2 BPersVG das Marinemusikkorps Ostsee dem benachbarten Marinestützpunktkommando Kiel zugeteilt. In einem solchen Fall ergibt sich aus § 50 SBG, dass die Soldaten den Zivilbeschäftigten zur Nachbardienststelle zum Zwecke der Bildung oder Aufstockung eines um Soldatenvertreter erweiterten Personalrats folgen (vgl. dazu im Einzelnen: Beschluss vom 7. Januar 2003 a.a.O. S. 4 ff.). Voraussetzung dafür ist freilich, dass es sich bei der betreffenden Dienststelle um eine solche handelt, in der die Soldaten eine Personalvertretung wählen. So liegt es hier.
Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG wählen Soldaten Personalvertretungen in anderen als den in § 2 Abs. 1 SBG genannten Dienststellen und Einrichtungen. Wenn sie dagegen einem der in § 2 Abs. 1 SBG aufgeführten Wahlbereiche angehören, wählen sie Vertrauenspersonen (vgl. Beschluss vom 23. September 2004 – BVerwG 6 P 2.04 – Buchholz 252 § 49 SBG Nr. 2 S. 9 m.w.N.). Das Marinemusikkorps Ostsee ist kein Wahlbereich nach § 2 Abs. 1 SBG. Insbesondere ist es keine Einheit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG.
a) Dies folgt allerdings nicht bereits aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 SBG, wonach die Soldaten auf Schiffen und Booten der Marine Vertrauenspersonen wählen. Hiermit sind zwar spezielle Wahlbereiche der Marine gekennzeichnet. § 2 Abs. 1 Nr. 2 SBG regelt aber nicht abschließend diejenigen Wahlbereiche, in welchen Soldaten der Marine Vertrauenspersonen wählen.
aa) Für eine derartige Sichtweise finden sich im Wortlaut der Vorschrift sowie in ihrer systematischen Stellung im Rahmen des Kataloges der Wahlbereiche nach § 2 Abs. 1 SBG keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil ergibt sich daraus, dass grundsätzlich jede militärische Dienststelle der Marine daraufhin zu überprüfen ist, ob sie dem Anwendungsbereich einer der in § 2 Abs. 1 SBG genannten Tatbestände unterfällt. Denn anders als der Wahlbereich nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SBG sind die übrigen Wahlbereiche nicht auf eine bestimmte Teilstreitkraft beschränkt. Angesichts dessen ist auch für eine Vermutung, Soldaten der Marine würden außerhalb von Booten und Schiffen keine Vertrauenspersonen wählen, kein Raum (a.A. VG Schleswig, Beschluss vom 28. November 2000 – PB 8/00 –, PersR 2001, 89, 91; Gronimus a.a.O. § 2 Rn. 15).
bb) Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 2 Abs. 1 SBG vom 16. Januar 1991, BGBl I S. 47, bestimmte, dass in Einheiten, in schwimmenden Einheiten der Marine, in Stäben der Verbände, in Schulen und in den Studentenbereichen der Bundeswehruniversitäten Vertrauenspersonen gewählt werden. Nach dieser Regelung war es keineswegs ausgeschlossen, dass in Bereichen der Marine außerhalb der schwimmenden Einheiten Vertrauenspersonen zu wählen waren. Wenn der Gesetzgeber bei der Neuregelung im Katalogtatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SBG den Begriff “schwimmende Einheiten” durch die Wendung “Schiffe und Boote” ersetzt hat, so geschah dies lediglich “aus Klarstellungsgründen” (BTDrucks 13/5740 S. 16).
cc) Schließlich gebietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass für die Dienststellen der Marine außerhalb von Schiffen und Booten beteiligungsrechtlich dieselben materiellen Abgrenzungskriterien zum Zuge kommen wie für Dienststellen der übrigen Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche. So kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Marinefliegergeschwader Verbände im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SBG und die Staffeln, aus denen sie zusammengesetzt sind, Einheiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG sind (ebenso VG Schleswig, a.a.O.; Gronimus a.a.O. § 2 Rn. 15); dies muss schon aus Gründen der Gleichbehandlung mit den fliegenden Einheiten und Verbänden der Luftwaffe gelten.
b) Die gegenwärtigen und künftigen Unterstellungsverhältnisse des Marinemusikkorps Ostsee spielen für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenfalls keine Rolle. Zwar sind im Rahmen der dualen Führungsstruktur der Marine dem Flottenkommando ganz überwiegend die schwimmenden, fliegenden und unterstützenden Einheiten und Verbände im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SBG unterstellt, während dem Marineamt ganz überwiegend stationäre Dienststellen und Einrichtungen im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG, insbesondere die Schulen der Marine und die Marinestützpunktkommandos, untergeordnet sind (vgl. Bundeshaushaltsplan 2005, Einzelplan 14, Kapitel 1403, Vorbemerkung Abschnitt 3.3 S. 23). Dem Bundesministerium der Verteidigung steht es jedoch kraft seiner Organisationsgewalt frei, von dem genannten Grundschema aus Zweckmäßigkeitsgründen abzuweichen. So hat es z.B. das Schifffahrtsmedizinische Institut, eine für Soldaten personalratsfähige Dienststelle, dem Flottenkommando unterstellt. Es ist daher für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, dass das Marinemusikkorps Ostsee bis zum 31. März 2006 dem Marineamt untersteht und danach dem Flottenkommando unterstehen wird.
c) Ob das Marinemusikkorps Ostsee eine Einheit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG ist, beantwortet sich daher nach den dafür maßgeblichen materiellen Maßstäben.
aa) Nach Nr. 109 der ZDv1/50 ist die Einheit die unterste militärische Gliederungsform, deren Führer grundsätzlich Disziplinargewalt hat; die Kompanie wird als die Grundform der Einheit bezeichnet. Das Marinemusikkorps Ostsee gehört wie eine Kompanie der Strukturebene 7 gemäß Anlage 2 der ZDv1/50 an. Sein Chef hat die Disziplinarbefugnis eines Kompaniechefs (vgl. die Organisationsänderungsweisung Nr. 1/02 (M) des Bundesministeriums der Verteidigung vom 10. September 2002). Nr. 109 der ZDv1/50 trifft freilich eine Aussage nur zur Stellung der Dienststelle innerhalb der militärischen Hierarchie. Materielle Eigenschaften, die Einheiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG gegenüber Dienststellen und Einrichtungen nach § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG auszeichnen, benennt sie nicht (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2002 – BVerwG 6 P 5.02 – Buchholz 252 § 2 SBG Nr. 4 S. 29).
bb) Militärische Dienststellen sind insbesondere dann Einheiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG, wenn es sich um bewegliche Einheiten handelt. Ist Mobilität gegeben, so ist unerheblich, ob der Kampfauftrag unmittelbar erfüllt oder nur unterstützt wird (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 19 f.; Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 29).
In der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung (STAN) für das Marinemusikkorps Ostsee vom 19. August 2002 heißt es in Teil I unter Nr. 2: “Grad der Beweglichkeit = teilbeweglich.” Zur Erläuterung wird angemerkt: “Fahrzeuge zur Durchführung des allgemeinen Dienstbetriebes, des Wirtschaftsbetriebes und des taktischen Auftrages. Die Verlegung mit eigenen Fahrzeugen ist bei mehrfachem Umlauf möglich”. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Auftritte des Marinemusikkorps je nach Bedarf an wechselnden Orten erfolgen und die Mobilität durch Einsatzfahrzeuge gewährleistet ist. Es ist daher davon auszugehen, dass das Marinemusikkorps – jedenfalls in erheblichem Umfang – die Orte seiner musikalischen Aufführungen mit Fahrzeugen erreicht. Dies ist jedoch nicht die Art von Mobilität, welche den Regelungen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SBG ihrem Sinngehalt nach zu Grunde liegt.
Leitbild dieser Regelungen sind die mobilen Einheiten des Heeres, die fliegenden Einheiten der Luftwaffe und die schwimmenden Einheiten der Marine (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 32). Die Beweglichkeit ist dabei nicht als solche, sondern als Funktion des militärischen Einsatzes erheblich. Weil der Einsatzort außerhalb des gewöhnlichen Standorts liegt, muss die Einheit auf die für sie jeweils typische Weise dorthin transportiert werden. Auch der Einsatz selbst verlangt häufig Beweglichkeit. In Anlehnung an Nr. 203 der ZDv1/50 liegt ein Einsatz vor, wenn die Streitkräfte ihren Auftrag nach Art. 24 Abs. 2, Art. 35 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 oder Art. 87a GG erfüllen (vgl. Beschluss vom 23. September 2004 a.a.O. S. 12). Aufgaben der Streitkräfte sind daher: militärische Landesverteidigung, Schutz ziviler Objekte sowie Verkehrsregelung im Verteidigungs- und Spannungsfall, Schutz ziviler Objekte und Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, Auslandseinsätze im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit, Hilfe bei Naturkatastrophen oder bei besonders schweren Unglücksfällen. Den genannten Einsatzbereichen gemein ist jeweils die Vorstellung von einer zugespitzten Lage, die durch den Einsatz ziviler, insbesondere polizeilicher Kräfte allein nicht mehr gemeistert werden kann. Diese Einsatzfälle prägen das Bild von den Streitkräften, und von ihnen hat sich ersichtlich auch der Gesetzgeber bei der Beantwortung der Frage leiten lassen, ob die Interessen von Soldaten durch Personalräte oder Vertrauenspersonen vertreten werden sollen. Gerade wegen der Eigenarten militärischer Einsätze durfte der Gesetzgeber die Beteiligung von Personalräten in den Einheiten für weniger sachgerecht halten. Dasselbe gilt in Bezug auf die Einsatzübungen, in welchen der Ernstfall simuliert wird. Einsätze und die ihrer Vorbereitung dienenden Übungen bilden den Kernbereich militärischer Handlungsformen in den Einheiten. Ihre Ausstrahlungen prägen auch den Dienstbetrieb im Übrigen. Sähe man hiervon ab, ließe sich das Vertrauenspersonenmodell, welches hinter dem Personalratsmodell inhaltlich und personell spürbar zurückbleibt, schwerlich rechtfertigen (ähnlich bereits: Beschluss vom 3. Juli 1991 – BVerwG 6 P 3.89 – BVerwGE 88, 354, 366; zu den Unterschieden von Personalrats- und Vertrauenspersonenmodell: Beschluss vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 25; Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 33 ff.).
Klassische, ins Auge springende Anwendungsfälle für § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SBG sind z.B. Soldaten der Infanterie und Artillerie sowie die Besatzungen von Panzern, Kampfflugzeugen und Kriegsschiffen. Erfasst werden aber nicht nur Soldaten, die unmittelbar ins Kampfgeschehen eingreifen, sondern auch solche, die den Kampfauftrag unterstützen. Die Arbeitsteilung im Rahmen prinzipiell gleichartiger militärischer Handlungsformen gebietet diese Gleichbehandlung (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 19). Deswegen sind in den Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG einzubeziehen z.B. die Soldaten der Nachschubtruppe, die alle Truppen des Heeres bei der Versorgung unterstützen, die Soldaten der Instandsetzungstruppe, die alle Truppen des Heeres im Rahmen der Materialerhaltung durch Prüfung und Instandhaltung von ausgefallenem Gerät unterstützen, sowie die Soldaten der Pioniertruppe, deren Aufgabe darin besteht, die Funktionsfähigkeit von Verkehrsanlagen herzustellen und zu erhalten, Geländehindernisse und -sperren zu überwinden, Kampfmittel zu räumen, Feldbefestigungen zu bauen, die Wasserbehelfsversorgung sicherzustellen und militärische Pipelinesysteme zu bauen und zu betreiben (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2002 a.a.O. S. 19 f. und 24).
Von solchen und vergleichbaren militärischen Tätigkeitsfeldern sind die dem Marinemusikkorps Ostsee gestellten Aufgaben weit entfernt. Nach STAN Teil I Nr. 1.1.1 und 1.1.2 wird das Musikkorps im Frieden eingesetzt zur militärischen Tätigkeit bei truppendienstlichen Anlässen, zur musikalischen Betreuung der Truppe und bei repräsentativen Veranstaltungen in der Öffentlichkeit. Darunter fallen nach der Darstellung in der Rechtsbeschwerdeerwiderung des Beteiligten zu 2 z.B.: das militärische Empfangszeremoniell, die musikalische Umrahmung von Truppenzeremoniellen, Aufführung feierlicher Musik anlässlich von Staatsbegräbnissen.
Ungeachtet der verschiedenartigen Anlässe besteht die Aufgabe des Musikkorps, wie schon sein Name besagt, in der Aufführung musikalischer Darbietungen. Deren Adressaten sind die Bevölkerung, in- und ausländische Würdenträger sowie die Truppe. Mit seinen Auftritten in der Öffentlichkeit festigt das Musikkorps die Bindung zwischen den Streitkräften und der Bevölkerung. Beim militärischen Empfangszeremoniell und ähnlichen Anlässen stellt sich die Bundesrepublik Deutschland durch den Einsatz von Militärmusikern als souveräner Staat dar. Durch die musikalische Truppenbetreuung fördert das Musikkorps das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Streitkräfte. Keine dieser Aufgaben, die im Kern stets musikalisch-künstlerischer Natur sind, ist denjenigen auch nur annähernd ähnlich, die von kämpfenden und unterstützenden Einheiten der Streitkräfte wahrgenommen werden und die für die Einbeziehung dieser Einheiten in das Vertrauenspersonenmodell nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SBG maßgeblich sind. Die “Einsätze” der Militärmusiker sind ihre musikalischen Aufführungen, die “Einsatzübungen” ihre Proben. Damit schwindet der Unterschied zu zivilen professionellen Orchestern, welche – mit den durch die Eigenart künstlerischer Tätigkeit gebotenen Einschränkungen – der personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmung grundsätzlich zugänglich sind (vgl. Beschluss vom 12. August 2002 – BVerwG 6 P 17.01 – Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 29 S. 36 ff.; Beschluss vom 7. Oktober 2003 – BVerwG 6 P 4.03 – Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 31 S. 58 f.).
Dass das Musikkorps vielfach die Strecke zu den Orten seiner Aufführungen mit Fahrzeugen zurücklegt, ist demgegenüber ein eher belangloser Vorgang. Zum Einen ist solches auch für zivile Kulturorchester keineswegs atypisch. Zum Anderen sind die Fahrten von Militärmusikern zur Aufführung einerseits und der Transport von Infanteristen mit Armeefahrzeugen zum Einsatzort sowie die Einsätze der Besatzungen von Kampfflugzeugen und Kriegsschiffen andererseits wesensverschiedene Sachverhalte. Die Gleichstellung dieser Sachverhalte unter abstraktem Rückgriff auf einen vom Einsatzgeschehen isolierten Transportvorgang trägt dieser grundlegenden Verschiedenartigkeit nicht Rechnung. Die Einheiten führen den militärischen Auftrag unmittelbar aus. Mobilität ist dabei die Voraussetzung für die Teilnahme am Einsatz. An das Einsatzgeschehen und die dadurch bedingten straffen Entscheidungsstrukturen durfte der Gesetzgeber mit seinem vom Personalvertretungsrecht abweichenden Sondermodell anknüpfen. Die Aufführung von musikalischen Darbietungen liefert eine derartige Rechtfertigung nicht. Die Transportfrage ändert daran nichts.
cc) Einheiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG stehen im Gegensatz zu stationären Einrichtungen mit administrativer, technischer oder sonstiger fachlicher Aufgabenstellung, die unter § 49 Abs. 1 Satz 1 SBG fallen. Derartige Einrichtungen sind demnach nicht nur dann für Soldaten personalratsfähig, wenn sie administrative Aufgaben in Gestalt einer verwaltungsförmigen, büromäßigen Art der Tätigkeit erfüllen. Vielmehr sind stationäre technische oder sonstige fachliche Einrichtungen ebenso zu beurteilen (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 30).
Im Verzeichnis gemäß ZDv10/2 Anlage 4 sind zutreffend folgende Arten von Einrichtungen der Streitkräfte aufgeführt, in welchen die Soldaten Personalräte wählen: Akademien, Museen, Schulen, Institute, Universitäten. Diese Einrichtungen lassen sich in fachlicher Hinsicht mit den Begriffen “Wissenschaft, Forschung, Lehre, Bildung und Kultur” zusammenfassen. Die Aufgaben der Musikkorps der Streitkräfte liegen im Kern im musikalisch-künstlerischen Bereich. Das Marinemusikkorps lässt sich demnach ebenfalls als Einrichtung mit fachlicher Aufgabenstellung begreifen. Den genannten Einrichtungen steht es nach Art und Inhalt seiner Tätigkeit näher als den erwähnten Einheiten der Teilstreitkräfte, für welche die Regelungen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SBG gedacht sind. Dass die Soldaten des Marinemusikkorps in erheblichem Umfang zu Auftritten außerhalb ihres Standortes fahren müssen, ändert daran nichts.
dd) Der Senat hat erwogen, dass auch ortsfeste militärische Dienststellen als Einheiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG angesehen werden müssen, wenn die sie prägenden Aufgaben – ähnlich denjenigen eines kämpfenden Truppenteils – vernünftigerweise nur von Soldaten wahrgenommen werden können (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 32). Auch auf diesen Gesichtspunkt kann sich der Beteiligte zu 2 nicht berufen.
Freilich können die beschriebenen Aufgaben eines Musikkorps definitionsgemäß nur von Soldaten in Uniform wahrgenommen werden. Konzerte in der Öffentlichkeit als Mittel zur Kommunikation zwischen Bundeswehr und Bevölkerung verlangen ein Auftreten von als solchen erkennbaren Militärmusikern. Ausländische Staatsgäste können erwarten, mit militärischen Ehren empfangen zu werden. Dem Zusammengehörigkeitsgefühl in der Truppe dient es am besten, wenn die auftretenden Musiker Soldaten sind. Zivile Orchester können die beschriebenen Ziele entweder gar nicht oder nicht in gleicher Weise erreichen.
Der Senat hatte jedoch mit der zitierten Erwägung gänzlich andere Fälle im Auge. Gedacht war, an militärtechnische Einrichtungen, die auf den Einsatz von Soldaten ebenso angewiesen sind wie die kämpfende Truppe. Auch diese Überlegung war demnach auf ein typisch militärisches Einsatzgeschehen ausgerichtet, von welchem sich ein Kulturgeschehen wie das Abhalten eines Konzertes fundamental unterscheidet. Für die in Rede stehende Abgrenzung ist die Art und Weise der Tätigkeit entscheidend (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2002 a.a.O. S. 31). In dieser Hinsicht ist hier, wie dargelegt, eine Vergleichbarkeit mit zivilen Orchestern durchaus gegeben. Auch im Repertoire sind die Überschneidungen erheblich. Dieses beschränkt sich, wie der Beteiligte zu 2 vorträgt, beim Musikkorps nicht auf Marschmusik, sondern erstreckt sich auch auf klassische Musik und moderne Musikrichtungen.
ee) Dem Marinemusikkorps kommt nicht deswegen der Charakter einer Einheit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG zu, weil die Musikkorps auf eine lange Militärtradition zurückblicken können. Daraus ergibt sich zwar, dass die Musikkorps Bestandteil der Streitkräfte sind. Dies besagt jedoch nichts über die beteiligungsrechtliche Einordnung. Nach § 1 Abs. 2 SBG werden Soldaten durch Vertrauenspersonen, Gremien der Vertrauenspersonen oder Personalvertretungen vertreten. Damit verdeutlicht der Gesetzgeber, dass das Personalratsmodell im Rahmen der Soldatenbeteiligung eine gleichwertige Vertretungsform darstellt (vgl. BTDrucks 13/5740 S. 16). Es kann daher keine Rede davon sein, dass mit der Zuordnung der Soldaten in den Musikkorps zum Personalvertretungsrecht eine Abwertung ihrer Tätigkeit verbunden ist. Ein solcher Gedanke liegt auch deswegen fern, weil nach der Systematik des Soldatenbeteiligungsgesetzes die Soldaten gerade in den höchsten militärischen Dienststellen Personalvertretungen wählen (vgl. Beschluss vom 23. September 2004 a.a.O. S. 14 ff.).
4. Die nach alledem fehlerhafte Nichteinbeziehung der Soldaten des Marinemusikkorps Ostsee in die Personalratswahl beim Marinestützpunktkommando Kiel vom 16. und 17. Juni 2004 war geeignet, das Wahlergebnis in der Gruppe der Soldaten zu beeinflussen. Ausgeschlossen werden kann dagegen ein Einfluss auf das Wahlergebnis bei den Zivilbeschäftigten. Auf Grund der Regelung in § 51 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 SBG ist sichergestellt, dass sich durch die zusätzliche Einbeziehung von Soldaten die Zahl der auf die Zivilbeschäftigten entfallenden Sitze im Personalrat nicht verringert. Die Regelung in § 51 Abs. 2 Satz 3 SBG kann sich hier nach Lage der Dinge allenfalls zu Gunsten weiterer Sitze für die Soldatenvertreter im Personalrat auswirken. Der Antragsteller hat daher seinen Wahlanfechtungsantrag zu Recht auf die Gruppe der Soldaten beschränkt.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Büge, Vormeier, Bier
Fundstellen
ZTR 2006, 398 |
PersV 2006, 293 |