Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 08.04.2008; Aktenzeichen 8 S 1140/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. April 2008 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Ein Zulassungsgrund wird nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt.
1. Um die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) darzulegen, muss die Beschwerde eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts formulieren und außerdem angeben, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
1.1 Die Beschwerde macht geltend, dass Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Änderung des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006 (BGBl I S. 2833) höchstrichterlich nicht geklärt seien (Beschwerdebegründung S. 2 vorletzter Absatz bis S. 3 5. Absatz). Nach der genannten Vorschrift kann ein Fall unwesentlicher Bedeutung, in dem eine Planfeststellung oder Plangenehmigung unterbleiben kann, vorliegen, wenn Rechte anderer nicht “beeinträchtigt” (zuvor: “beeinflusst”) werden. Welche entscheidungserheblichen Fragen die Änderung des § 8 Abs. 3 Satz 2 LuftVG aufwerfen sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof § 8 Abs. 3 Satz 2 LuftVG im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu entsprechenden Vorschriften in anderen Fachplanungsgesetzen ausgelegt, in denen ebenfalls das Wort “beeinträchtigt” verwendet wird.
1.2 Die Beschwerde rügt, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig gewesen sei, weil der Verkehrslandeplatz nicht – wie in § 48 Abs. 1 Nr. 6 VwGO vorausgesetzt – einen beschränkten Bauschutzbereich, sondern – zu Unrecht – einen Bauschutzbereich nach § 12 LuftVG habe (Beschwerdebegründung S. 9 5. Absatz bis S. 10 5. Absatz). Sie formuliert jedoch weder eine klärungsbedürftige Frage noch legt sie deren Entscheidungserheblichkeit dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass seit 1960 ein Bauschutzbereich besteht und dass dieser durch die angefochtene Genehmigung nicht berührt wird (UA S. 21). Dass das Oberverwaltungsgericht gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 6 VwGO im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die das Anlegen, die Erweiterung oder Änderung und den Betrieb von Verkehrslandeplätzen betreffen, nicht nur zu entscheiden hat, wenn der Verkehrslandeplatz einen beschränkten Bauschutzbereich nach § 17 LuftVG hat, sondern erst recht, wenn gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 LuftVG ein weitere Flächen umfassender militärischer Bauschutzbereich im Sinne von § 12 LuftVG bestehen geblieben ist, versteht sich im Übrigen von selbst.
1.3 Soweit die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe “fälschlicherweise” die Beeinträchtigung von Rechten im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG negiert (Beschwerdebegründung S. 10 6. Absatz), zeigt sie weder eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung noch einen anderen Zulassungsgrund auf. Das gilt auch für die nachfolgende Aufzählung von Kritikpunkten.
2. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat; das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).
Die Beschwerde macht geltend, dass das angefochtene Urteil von dem Urteil des Senats vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – (BVerwGE 127, 95) abweiche (Beschwerdebegründung S. 12 bis S. 14 9. Absatz). Der Verwaltungsgerichtshof habe § 8 Abs. 3 LuftVG dahin ausgelegt, dass er eine unzumutbare Beeinträchtigung von Rechten verlange. Der Senat habe demgegenüber im Urteil vom 9. November 2006 entschieden, dass die Planrechtfertigung im Sinne der Zielkonformität nicht nur zu prüfen sei, wenn Dritte für das planfestgestellte Vorhaben enteignet werden sollten, sondern auch dann, wenn sich Grundeigentümer gegen mittelbare Beeinträchtigungen durch das Vorhaben zur Wehr setzten.
Mit diesen Rechtssätzen kann eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO schon deshalb nicht aufgezeigt werden, weil sie nicht dieselbe Rechtsvorschrift betreffen. Mit der Auslegung von § 8 Abs. 3 LuftVG hat sich der Senat in seinem Urteil vom 9. November 2006 nicht befasst. Sollte der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 LuftVG zu Unrecht verneint haben, würde das Urteil hierauf im Übrigen nicht beruhen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend dargelegt, dass einem Drittbetroffenen auch im Luftverkehrsrecht ein Anspruch auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nicht zusteht; er kann aber beanspruchen, dass ihm daraus, dass das Planfeststellungsverfahren rechtswidrig unterblieben ist, keine Beeinträchtigung seiner materiellen Rechtsposition erwächst (Urteil vom 26. September 2001 – BVerwG 9 A 3.01 – BVerwGE 115, 158 ≪164≫). Eine derartige Beeinträchtigung liegt vor, wenn einem Drittbetroffenen die planerische Abwägung seiner dem Vorhaben entgegenstehenden Belange wegen der fehlerhaften Wahl der Verfahrensart versagt geblieben ist (Urteil vom 26. September 2001 a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist den Klägern die planerische Abwägung ihrer eigenen Belange nicht versagt worden. Da die Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG nicht nur Unternehmergenehmigung, sondern auch Planungsentscheidung ist (Urteil vom 13. Dezember 2007 – BVerwG 4 C 9.06 – BVerwGE 130, 83 ≪S. 104 Rn. 58≫), waren die privaten Belange der Kläger – nicht anders als bei einer Planfeststellung (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG) – im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.
3. Einen Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen könnte (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), hat die Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.
3.1 Die Kläger rügen, dass das auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2008 ergangene und am 8. April 2008 verkündete Urteil im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen sei, weil es erst am 3. September 2008 ausgefertigt worden sei; auch wenn es wenige Tage vor Ablauf der Fünfmonatsfrist abgefasst worden sei, bedeute dies nicht, dass es rechtmäßig zustande gekommen sei (Beschwerdebegründung S. 24 letzter Absatz bis S. 27 erster Absatz und S. 31 3. Absatz).
Dass die Entscheidung im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen ist und deshalb ein absoluter Revisionsgrund vorliegt, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerde nicht. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. GmS-OGB, Beschluss vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – BVerwGE 92, 367; Urteil vom 10. November 1999 – BVerwG 6 C 30.98 – BVerwGE 110, 40 ≪47≫) ist davon auszugehen, dass ein bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil als nicht mit Gründen versehen gilt, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Dass diese Frist im vorliegenden Fall gewahrt ist, stellt auch die Beschwerde nicht in Abrede. Das unterschriebene Urteil gelangte am 29. August 2008 zur Geschäftsstelle.
Allerdings kann auch bei Einhaltung der Fünfmonatsfrist ein kausaler Verfahrensmangel vorliegen, wenn sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass infolge der verzögerten Abfassung der Urteilsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses und der für die Entscheidungsfindung leitenden Erwägungen nicht mehr gewährleistet ist (Beschlüsse vom 25. April 2001 – BVerwG 4 B 31.01 – Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 47 und vom 3. Mai 2004 – BVerwG 7 B 60.04 – juris). Dabei ist u.a. die Dauer der Verzögerung, aber auch der konkrete Verfahrensablauf – etwa die Maßgeblichkeit einer aufwendigen Beweisaufnahme – von Bedeutung. Solche konkreten fallbezogenen Anhaltspunkte dafür, dass die Dauer der Urteilsabfassung im vorliegenden Fall Zweifel an der Übereinstimmung von Beratungsergebnis und Entscheidungsbegründung rechtfertigt, zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, ihre den übrigen Rügen zugrundeliegende Kritik an der Sachverhaltsermittlung und der rechtlichen Würdigung des Streitstoffs durch den Verwaltungsgerichtshof zu wiederholen.
3.2 Die Zweifel der Beschwerde, ob sämtliche Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, das Urteil unterzeichnet hätten (Beschwerdebegründung S. 30 5. Absatz bis S. 31 zweiter Absatz), sind nicht substantiiert. Sie sind darüber hinaus auch unbegründet. Die Urschrift des Urteils in der Gerichtsakte ist von allen drei Richtern eigenhändig unterzeichnet.
Im Übrigen richten sich die Rügen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren 8 S 1009/07 (Beschwerdebegründung S. 3 6. Absatz bis S. 9 4. Absatz, S. 10 letzter Absatz bis S. 11, S. 14 vorletzter Absatz bis S. 24 vorletzter Absatz, S. 27 2. Absatz bis S. 30 4. Absatz). Sie bleiben aus den im Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren BVerwG 4 B 65.08 dargelegten Gründen ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen