Entscheidungsstichwort (Thema)
Polizeihauptmeister im BGS. dienstfähig für allgemeinen Verwaltungsdienst (Innendienst) im Umfang der Hälfte seiner regelmäßigen, täglichen Arbeitszeit. unerlaubtes, zumindest fahrlässiges Fernbleiben vom Dienst. Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge im Umfang der eingeschränkten Dienstfähigkeit (mit Ausnahme dienstfreier Wochenenden vor und nach einem Zeitraum anerkannter Dienstunfähigkeit) bestätigt
Normenkette
BBG § 42a; BBesG §§ 9, 72a; BDO § 121; BDG § 85 Abs. 5
Verfahrensgang
BDIG (Beschluss vom 10.07.2002; Aktenzeichen I BK 4/98) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Tenor des Beschlusses des Bundesdisziplinargerichts, Kammer I – … –, vom 10. Juli 2002 wie folgt neu gefasst:
Die Verfügung des Grenzschutzpräsidiums … vom 4. Juli 1997 wird mit Ausnahme des Zeitraums vom 26. Oktober 1996 bis einschließlich 15. Dezember 1996 und im Übrigen nur insoweit aufrechterhalten, als sich der Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers auf die Hälfte seiner regelmäßigen, täglichen Arbeitszeit seit dem 11. März 1996 bezieht.
Die weitergehende Verlustfeststellung wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Antragsteller hierin erwachsenen notwendigen Auslagen haben dieser und die Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen.
Die weitergehende Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den oben genannten Beschluss wird ebenfalls zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Antragsteller hierin erwachsenen notwendigen Auslagen haben dieser und die Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen.
Tatbestand
I.
1. Das Grenzschutzpräsidium … stellte mit Bescheid vom 4. Juli 1997 gemäß § 9 BBesG den Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers ab dem 11. März 1996 bis auf weiteres fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller wegen gesundheitlicher Beschwerden zwar nicht für den Polizeivollzugsdienst, aber eingeschränkt für den allgemeinen Verwaltungsdienst dienstfähig sei. Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf die von ihm vorgelegten privatärztlichen Atteste für eine Dienstunfähigkeit berufen, weil amts-, betriebs- oder vertragsärztlichen Gutachten wegen der Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Beamten grundsätzlich ein höherer Beweiswert zukomme. Dem Antragsteller sei aufgegeben worden, am 11. März 1996 zum Dienst im Bahnpolizeiamt F.… zu erscheinen. Dieser Aufforderung sei der Antragsteller nicht nachgekommen und habe seitdem keinen Dienst geleistet. Er sei damit zumindest bedingt vorsätzlich dem Dienst ferngeblieben.
Den dagegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat das Bundesdisziplinargericht mit Beschluss vom 12. November 1997 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Antragsteller sei nach den Feststellungen des Sozialmedizinischen Dienstes des Grenzschutzpräsidiums … und des Amtsarztes des Gesundheitsamtes … eingeschränkt dienstfähig. Eine der Einschränkung entsprechende Verwendung sei ihm zugesagt worden. Er habe auch von der unterschiedlichen Bewertung privatärztlicher und amts- bzw. grenzschutzärztlicher Gutachten gewusst, sodass er zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine Dienstleistungspflicht verstoßen habe.
Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und unter Vorlage eines fachorthopädischen Gutachtens des Dr. S.… vom 28. Juli 1997 die Ansicht geäußert, er sei nicht dienstfähig. Es sei sogar erforderlich, dass er sich wegen seiner Erkrankung einer vierwöchigen stationären orthopädischen Behandlung unterziehe. Die Diagnosen des Dr. S.… stellten ein durchgreifendes Indiz dar, dass er aufgrund des multiplen Krankheitsbildes polizeidienstunfähig sei. Der gegenteilige Beweis könne durch die teils veralteten, teils oberflächlichen amtsärztlichen Gutachten und Stellungnahmen nicht geführt werden. Er habe auch nicht schuldhaft gehandelt, weil er zwei behandelnden Ärzten habe vertrauen dürfen, die übereinstimmend seine Dienstunfähigkeit festgestellt hätten. Schließlich sei ihm kein amtsangemessener Dienstposten angeboten worden.
Der Senat hat durch Beschluss vom 30. April 1998 – BVerwG 1 DB 6.98 – die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Bundesdisziplinargericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt:
“…a) Nach dem bisherigen Sachstand ist davon auszugehen, daß der Beamte jedenfalls zu Beginn des Feststellungszeitraumes schuldhaft dem Dienst ungenehmigt ferngeblieben war. Er hat seit diesem Zeitpunkt keinen Dienst verrichtet. Das Fernbleiben vom Dienst war nicht genehmigt. Auch lag jedenfalls zu Beginn des Feststellungszeitraumes keine Krankheit vor, die zur Dienstunfähigkeit führte. Nach dem grenzschutzärztlichen Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes vom 15. Mai 1995 war der Beamte zwar nicht für den Polizeivollzugsdienst, aber für den allgemeinen Verwaltungsdienst eingeschränkt dienstfähig, wenn dabei Wirbelsäulenzwangshaltungen vermieden werden konnten. Die von dem Beamten erhobenen sachlichen Einwendungen sind damit berücksichtigt. Ein Wechselrhythmus schließt gerade aus, daß der Beamte seine Tätigkeit über die gesamte Dienstzeit sitzend ausüben muß. Der Beamte ist danach jedenfalls zu Beginn des Feststellungszeitraumes – nach Auffassung des Amtsarztes Dr. K.… in seiner Bescheinigung vom 4. Oktober 1996 auch noch zu diesem späteren Zeitpunkt – verpflichtet gewesen, auf dem seinem eingeschränkten Gesundheitszustand Rechnung tragenden Arbeitsplatz Innendienst zu verrichten, zumindest einen einigermaßen dauerhaften Arbeitsversuch zu machen (vgl. dazu auch § 8 Abs. 2 BPolBG …).
Soweit sich der Beamte auf privatärztliche Atteste beruft, stehen diese nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen der Einschätzung des Sozialmedizinischen Dienstes nicht entgegen …
b) Der Umfang und der möglicherweise begrenzte Zeitraum der Dienstfähigkeit des Beamten ist aber noch aufzuklären …
Vor allem aber sind aufgrund des Gutachtens von Dr. S.… vom 28. Juli 1997 die weitere Entwicklung des Gesundheitszustandes des Beamten und die daraus folgenden Konsequenzen für seine Dienstfähigkeit aufzuklären. Die angegriffene Verfügung stellt den Verlust der Dienstbezüge bis auf weiteres fest. Im gerichtlichen Verfahren ist eine nach dem Beginn des Feststellungszeitraums eingetretene Dienstunfähigkeit zu berücksichtigen. Nach den Darlegungen des Dr. S.… bestand im Juli 1997 im Verhältnis zu Mai 1996 eine deutliche Zunahme der arthrotischen Veränderungen im Halswirbelsäulenbereich des Beamten. Auch seien die arthrotischen Verschleißerscheinungen in seinem linken Schultergelenk zwischen März 1995 und Mai 1996 fortgeschritten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sieht sich der Sozialmedizinische Dienst nicht mehr in der Lage, ohne weiteres die aktuelle Dienstfähigkeit des Beamten festzustellen. Auch bei sehr langsam verlaufenden chronisch degenerativen Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates seien gutachterliche Feststellungen nicht zeitlich unbegrenzt gültig.
Das Bundesdisziplinargericht ist schließlich nicht der Frage nachgegangen, ob und ggf. für welchen Zeitraum eine Dienstunfähigkeit des Beamten – unabhängig von den sonstigen Folgen der körperlichen Verschleißerscheinungen – allein wegen der unmittelbaren Folgen der Kniearthroskopie vom 28. Oktober 1996 eingetreten war. Schon im Hinblick auf den Zeitpunkt der Operation kann das grenzschutzärztliche Gutachten vom 15. Mai 1995 den Dienstunfähigkeitsbescheinigungen des Dr. Neuendorff vom 12. und 26. November 1996 nicht entgegengehalten werden …”
2. Das Bundesdisziplinargericht hat nach weiterer Sachverhaltsaufklärung durch Beschluss vom 10. Juli 2002 den Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers seit dem 11. März 1996, mit Ausnahme des Zeitraums vom 28. Oktober 1996 bis einschließlich 13. Dezember 1996, insoweit aufrechterhalten, als sich die Verlustfeststellung auf 50 % der Abwesenheitszeit des Antragstellers bezieht; im Übrigen hat es die Verlustfeststellung aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Für den Zeitraum vom 28. Oktober 1996, dem Tag der Knieoperation, bis zum 13. Dezember 1996 einschließlich sei auf der Grundlage der vorliegenden privat-, fachärztlichen sowie sozialmedizinischen Gutachten und Atteste der Nachweis der Dienstfähigkeit des Antragstellers nicht erbracht. Die für die anschließende Zeit attestierte Dienstunfähigkeit habe nicht mehr auf “Knieproblemen” beruht. In dem übrigen zur Überprüfung stehenden Zeitraum vom 11. März bis einschließlich 27. Oktober 1996 und ab dem 14. Dezember 1996 sei davon auszugehen, dass der Antragsteller jeweils für die Hälfte seiner bisherigen Arbeitszeit dienstfähig gewesen sei. Dies beruhe auf dem widerspruchsfreien und in sich schlüssigen psychiatrischen Gutachten des Prof. Dr. Dr. E.… vom 14. Mai 2001. Dort werde dargelegt, dass der Antragsteller für etwa 30 bis max. 50 % der zurückliegenden fünf Dienstjahre nicht voll dienstfähig gewesen sei, da sich bei ihm das depressive Syndrom im Zusammenwirken mit dem Schmerzsyndrom pathogenetisch ausgewirkt haben dürfte. Der Antragsteller, der grundsätzlich am Arbeitsplatz hätte erscheinen müssen, hätte dann in dem zeitlich eingeschränkten Umfang wegen Schmerzen und emotionaler Verstimmtheiten entweder nicht arbeiten können oder wäre nach Hause geschickt worden. Aufgrund dieser gutachterlichen Feststellungen, die durch das chirurgisch-orthopädische Fachgutachten des Dr. P.… vom 19. Oktober 2000 sowie durch das sozialmedizinische Gutachten des Arbeitsmedizinischen Dienstes des Grenzschutzpräsidiums … vom 10. August 2001 gestützt würden, sei davon auszugehen, dass bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine 50 %ige Dienstfähigkeit des Antragstellers für den allgemeinen Verwaltungsdienst nachgewiesen sei. Soweit der Antragsteller dem Dienst unerlaubt ferngeblieben sei, habe dieser bedingt vorsätzlich gehandelt.
3. a) Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller rechtzeitig Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge auch im Übrigen, das heißt soweit vom Bundesdisziplinargericht aufrechterhalten, aufzuheben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Ein Anspruchsverlust sei bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt. Es fehle am subjektiven Tatbestand des Verschuldens; er habe nicht bedingt vorsätzlich gehandelt. Unstreitig sei er nicht nur polizeidienstunfähig, sondern auch im Übrigen nur zur Hälfte verwendungstauglich. Bei dieser Sachlage habe er – entgegen dem Ergebnis des grenzschutzärztlichen Gutachtens vom 15. Mai 1995 – auf die Aussagen der vier jüngeren privatärztlichen Atteste aus den laufenden Behandlungen vertrauen dürfen. Zudem sei es ihm aus der Sicht der von ihm vorgelegten Atteste unzumutbar gewesen, ohne konkretes, amtsangemessenes Arbeitsplatzangebot das Risiko einer Dienstaufnahme einzugehen. Schließlich sei der erstinstanzliche Beschluss auch der Höhe nach ermessensfehlerhaft. Eine Teildienstfähigkeit in Höhe von 50 % führe nicht automatisch zu einer gleich hohen Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge.
b) Auch die Antragsgegnerin hat gegen die Entscheidung des Bundesdisziplinargerichts rechtzeitig Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, “den kompletten Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers seit dem 14. Dezember 1996 festzustellen”. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Aufgrund der eingeholten fachärztlichen Gutachten stehe fest, dass der Antragsteller aus neurologischer und orthopädischer Sicht seit 11. März 1996 vollschichtig im allgemeinen Verwaltungsdienst verwendbar sei. Lediglich aus psychiatrischer Sicht liege eine Einschränkung seiner Dienstfähigkeit vor. Ungeachtet dessen hätte dieser auf jeden Fall zum Dienst erscheinen müssen, wie der Gutachter zutreffend hervorgehoben habe. Es sei nicht nachvollziehbar, dem Antragsteller die Hälfte seiner Dienstbezüge zu belassen, obwohl dieser seine Dienstleistung vollständig verweigert und nicht einmal einen Arbeitsversuch unternommen habe. Im Übrigen sei der Antragsteller dem Dienst auch schuldhaft ferngeblieben.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach § 121 Abs. 5 BDO i.V.m. § 85 Abs. 5 BDG zu beurteilenden Beschwerden (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 22. Februar 2002 – BVerwG 1 DB 32.01 – m.w.N.) sind zulässig. In der Sache ist aber nur die Beschwerde des Antragstellers in sehr geringem Umfang begründet; die Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt ohne Erfolg. Die Vorinstanz hat den Verlustfeststellungsbescheid des Grenzschutzpräsidiums … vom 4. Juli 1997 insoweit zu Recht aufrechterhalten, als sich der Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers auf die Hälfte seiner regelmäßigen, täglichen Arbeitszeit seit dem 11. März 1996 bezieht. Soweit die Verlustfeststellung im Übrigen, das heißt hinsichtlich der anderen Hälfte seiner regelmäßigen, täglichen Arbeitszeit und hinsichtlich seiner vollen täglichen Arbeitszeit im Zeitraum vom 28. Oktober 1996 bis einschließlich 13. Dezember 1996, aufgehoben worden ist, ist die erstinstanzliche Entscheidung ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Beschluss des Bundesdisziplinargerichts ist – insgesamt gesehen geringfügig – in der Sache nur insoweit zu Gunsten des Antragstellers zu korrigieren, als auch die dienstfreien Wochenenden des 26. und 27. Oktober 1996 sowie des 14. und 15. Dezember 1996 von der Verlustfeststellung auszunehmen sind. Der Senat hat den erstinstanzlichen Beschlusstenor zur inhaltlichen Klarstellung und Beseitigung eines Datumsfehlers neu gefasst.
1. Aufgrund des beschränkten Rechtsmittelantrags der Antragsgegnerin im Beschwerdeschriftsatz vom 29. August 2002, “den kompletten Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers seit dem 14. Dezember 1996 festzustellen”, steht zu Gunsten des Antragstellers bereits rechtskräftig fest, dass im Zeitraum vom 28. Oktober bis einschließlich 13. Dezember 1996 ein Besoldungsverlust nicht eingetreten ist und im vorangegangenen Zeitraum vom 11. März 1996 bis einschließlich 27. Oktober 1996 dem Antragsteller mindestens die Dienstbezüge für die Hälfte seiner regelmäßigen, täglichen Arbeitszeit verbleiben. Zwar hat die Antragsgegnerin in ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 8. Oktober 2002, das heißt nach Ablauf der Beschwerdefrist, geltend gemacht, mit Ausnahme des Zeitraums vom 28. Oktober bis einschließlich 13. Dezember 1996 den vollständigen Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers für den Zeitraum “ab dem 11. März 1996” festzustellen. Dieses (erweiterte) Antragsbegehren ist jedoch wegen der Teilrechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung unbeachtlich. Die Antragsgegnerin hatte mit ihrem Antrag in ihrer Beschwerdeschrift ihren Willen zum Teilverzicht ihres Rechtsmittels zum Ausdruck gebracht. Prozesshandlungen sind wegen der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit der durch sie bestimmten Prozesssituation unanfechtbar und grundsätzlich unwiderruflich (vgl. z.B. Urteil vom 26. August 1997 – BVerwG 1 DB 68.96 – m.w.N.). Ausnahmegründe für ein Widerrufsrecht (z.B. ein Wiederaufnahmegrund, offensichtliches Versehen, vgl. Urteil vom 26. August 1997 a.a.O.) sind nicht erkennbar und werden auch nicht geltend gemacht.
2. Soweit die Verlustfeststellung im Übrigen noch im Streit ist, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Satz 1 BBesG vor.
Nach § 9 Satz 1 BBesG verliert ein Beamter, der ohne Genehmigung dem Dienst schuldhaft fernbleibt, für die Zeit des Fernbleibens seine Dienstbezüge. Der Verlust der Dienstbezüge ist gemäß § 9 Satz 3 BBesG vom Dienstvorgesetzten festzustellen; dies ist hier durch die Verfügung vom 4. Juli 1997 erfolgt. Der Antragsteller ist in der Zeit vom 11. März 1996 bis einschließlich 25. Oktober 1996 und in der Zeit ab dem 16. Dezember 1996 bis auf weiteres jeweils in Höhe der Hälfte seiner regelmäßigen, täglichen Arbeitszeit ohne rechtfertigenden Grund und schuldhaft dem Dienst ferngeblieben.
a) Der Antragsteller war und ist in dem genannten, beschränkten Umfang (innen-)dienstfähig. Dies folgt – in Übereinstimmung mit der Vorinstanz – aus dem Ergebnis des widerspruchsfrei und nachvollziehbar erstellten psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. E.…, Arzt für Neurologie und Psychiatrie/klinische Pharmakologie, Psychotherapeut, Psychoanalytiker, … vom 14. Mai 2001. Nach dem Urteil des Sachverständigen leide der Antragsteller an einer somatoformen Schmerzstörung bei zugrunde liegendem oder zumindest symptomverstärkendem schwach ausgeprägtem depressivem (larviertem) Syndrom. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller für etwa 30 bis max. 50 % der zurückliegenden fünf Jahre nicht voll dienstfähig gewesen sei, da sich das depressive Syndrom in Zusammenwirken mit dem Schmerzsyndrom wohl pathogenetisch ausgewirkt habe. Zwar hätte er dem Arbeitsplatz nicht einfach fernbleiben dürfen. Er hätte dann, d.h. bei regelmäßigem Erscheinen zum Dienst, allerdings zu den genannten Zeiten wegen Schmerzen und emotionaler Verstimmtheiten entweder nicht arbeiten können bzw. wäre nach Hause geschickt worden. Diese Beurteilung einer teilschichtigen Dienstunfähigkeit gelte auch für die Zukunft. Eine antidepressive Schmerztherapie i.V.m. Psychotherapie würde die veranschlagte 30- bis 50 %ige Reduktion der Dienstfähigkeit innerhalb von etwa zwölf bis 18 Monaten in kontinuierliche vollschichtige Dienstfähigkeit rehabilitativ umwandeln.
Medizinaldirektor Dr. P.… vom Arbeitsmedizinischen Dienst des Grenzschutzpräsidiums … ist in seinem Gutachten vom 10. August 2001 den ihm bekannten Ausführungen des Sachverständigen nicht entgegengetreten. In seiner sozialmedizinischen Prognose zur Verwendungsfähigkeit des Antragstellers kommt Dr. P.… – weitgehend in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen – zum Ergebnis, dass der Zustand des Antragstellers bei gezielter Therapie innerhalb von zwei Jahren eine deutliche Verbesserung, gegebenenfalls vollständige altersentsprechende gesundheitliche und berufliche Rehabilitation erwarten lasse.
Diese – auch vom Bundesdisziplinargericht – auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens getroffene Feststellung, dass der Antragsteller nachweislich zumindest zu 50 % für den allgemeinen Verwaltungsdienst dienstfähig war und ist, werden mit den Beschwerden nicht in Zweifel gezogen. Im Streit sind lediglich die rechtlichen Folgerungen aus dem Tatbestand der eingeschränkten Dienstfähigkeit.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den Verlust der Dienstbezüge (nur) in Höhe von 50 % der Abwesenheitszeit, d.h. im hälftigen Umfang der regelmäßigen, täglichen Arbeitszeit aufrechterhalten hat. Wie im Fall der so genannten begrenzten Dienstfähigkeit (§ 42a BBG), in dem der betreffende Beamte lediglich im Umfang der herabgesetzten Arbeitszeit dienstleistungspflichtig ist – im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit werden die Dienstbezüge gekürzt (§ 72a i.V.m. § 6 BBesG) –, war und ist auch der Antragsteller nur im Rahmen seiner Dienstfähigkeit, d.h. hier nur im hälftigen Umfang zur Dienstleistung verpflichtet; die rechtswidrige Dienstverweigerung erfolgt dann ebenfalls nur im entsprechenden Umfang. Der Umstand, dass der Antragsteller überhaupt nicht zum Dienst erschienen ist, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Er führt insbesondere nicht zum vollständigen Verlust der Dienstbezüge (vgl. die ständige Senatsrechtsprechung in vergleichbaren Fällen eingeschränkter Dienstfähigkeit von täglich drei bis fünf Arbeitsstunden, z.B. Beschlüsse vom 22. Juli 1998 – BVerwG 1 DB 11.98 –, vom 27. November 1997 – BVerwG 1 DB 25.96 – DokBer B 1998, 157 und vom 21. April 1993 – BVerwG 1 DB 8.93 –). Der Bescheid im Sinne des § 9 Satz 3 BBesG stellt deklaratorisch als gesetzliche rein besoldungsrechtliche Folge eines Verstoßes gegen die beamtenrechtliche Dienstleistungspflicht den Verlust der Dienstbezüge in der entsprechenden Höhe fest. Es handelt sich nicht auch um eine disziplinare Maßnahme wegen pflichtwidrigen “Nichterscheinens zum Dienst”. Eine solche ist dem Disziplinarverfahren wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst vorbehalten, das gegen den Antragsteller bereits mit Verfügung vom 24. März 1997 eingeleitet worden ist.
Nicht zu beanstanden ist der erstinstanzliche Beschluss auch insoweit, als er für dienstfreie Tage des Antragstellers, insbesondere Wochenenden, die von Zeiten unerlaubten Fernbleibens vom Dienst umschlossen werden, den Verlust der Dienstbezüge feststellt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (z.B. Beschluss vom 20. Juli 1981 – BVerwG 1 DB 5.81 – BVerwGE 73, 227), wonach der Bezügeverlust auch unmittelbar angrenzende (dienstfreie) Zeiten der Abwesenheit erfasst, in denen die persönlichen Verhältnisse des abwesenden Beamten gegenüber der vorausgegangenen oder nachfolgenden Zeit unerlaubten Fernbleibens vom Dienst gleich geblieben sind. Bezüglich der dienstfreien Tage 26./27. Oktober 1996 und 14./15. Dezember 1996, die nicht von Zeiten unerlaubten Fernbleibens vom Dienst umschlossen sind – der Antragsteller war aufgrund seiner Knieoperation in der Zeit vom 28. Oktober 1996 (Montag) bis einschließlich 13. Dezember 1996 (Freitag) anerkannt dienstunfähig – bedürfen der Feststellungsbescheid vom 4. Juli 1997 und insoweit auch der Beschluss der Vorinstanz einer geringfügigen Korrektur; die genannten Tage sind von einer Verlustfeststellung vollständig auszunehmen. Aufgrund der damals akuten Knieprobleme des Antragstellers ist im Zweifel zu seinen Gunsten nicht davon auszugehen, dass dieser an den genannten dienstfreien Tagen sein Verhalten, das im Zeitraum davor und danach zum unerlaubten Fernbleiben vom Dienst geführt hat, im Zustand der Dienstfähigkeit fortgesetzt hat. Die beiden dienstfreien Wochenenden bilden mit dem eingeschlossenen Zeitraum anerkannter Dienstunfähigkeit insoweit eine Einheit (vgl. dazu auch die Senatsrechtsprechung zur Verlustfeststellung für dienstfreie (End-)Tage im Anschluss an einen Zeitraum unerlaubten Fernbleibens vom Dienst, z.B. Beschluss vom 19. Oktober 1995 – BVerwG 1 DB 19.95 – m.w.N.).
b) Der Antragsteller ist dem Dienst in dem genannten Umfang auch schuldhaft, und zwar mindestens fahrlässig, ungenehmigt ferngeblieben. Für ihn war als erfahrenem Polizeibeamten aus der polizeiärztlichen Überprüfung seines Gesundheitszustandes und dem Ergebnis des sozialmedizinischen Gutachtens vom 15. Mai 1995, bestätigt durch den Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes am 2. Oktober 1995, deutlich geworden, dass seine Dienststelle die von ihm vorgelegten Atteste in Frage gestellt hatte und ihn für den allgemeinen Verwaltungsdienst als dienstfähig einstufte. Mit einer entsprechenden Belehrung über den grundsätzlichen Vorrang eines sozialmedizinischen Gutachtens vor privatärztlichen Attesten war er durch Verfügung vom 26. Februar 1996 aufgefordert worden, am 11. März 1996 beim Bahnpolizeiamt F.… seinen Dienst anzutreten. Weitere – vergebliche – Aufforderungsschreiben ergingen am 1. August und 29. November 1996. Ein erneuter Hinweis auf den Vorrang amts-, betriebs- oder vertragsärztlicher Gutachten gegenüber privatärztlichen Bescheinigungen erfolgte im Verlustfeststellungsbescheid vom 4. Juli 1997. Gleichwohl ist der Antragsteller nicht zum Dienst erschienen und hat zu keinem Zeitpunkt einen zumutbaren Arbeitsversuch gemacht. Er hat daher unter Außerachtlassung der ihm nach den Umständen gebotenen und auch konkret zumutbaren Sorgfalt gehandelt, sodass ihm insoweit zumindest Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Der Schuldvorwurf wird nicht deshalb gegenstandslos, weil sich der Antragsteller bei – aus seiner Sicht – zweifelhafter Sach- und Rechtslage und nach erfolgter sorgfältiger Prüfung sowie sachgemäßer medizinischer und rechtskundiger Beratung eine eigene Auffassung gebildet und sich auf diese verlassen hat. Nach der sozialmedizinischen Feststellung seiner eingeschränkten Dienstfähigkeit war er von Gesetzes wegen, d.h. ohne besondere Aufforderung, verpflichtet, bei der Dienststelle zur Dienstleistung zu erscheinen (vgl. zuletzt Urteil vom 9. Oktober 2002 – BVerwG 1 D 3.02 – m.w.N.). Darüber hinaus wurde der Antragsteller verschiedentlich, nämlich durch die Verfügung vom 26. Februar 1996, die Schreiben vom 1. August und 29. November 1996 sowie nochmals durch Bescheid vom 4. Juli 1997 zutreffend auf die Rechtslage hingewiesen. Wenn er sich darüber aufgrund anderweitiger – im Ergebnis unzutreffender – Rechtsberatung unter Berufung auf privatärztliche Stellungnahmen hinwegsetzte und seiner Verpflichtung zur Dienstleistung nicht nachkam, ist er damit – bewusst oder doch zumindest fahrlässig – das Risiko eingegangen, dem Dienst unerlaubt fernzubleiben. Das Risiko hat sich nunmehr im gerichtlichen Verfahren realisiert. Dieses Ergebnis war für ihn vorhersehbar und vermeidbar. Der unzutreffende Rechtsrat lässt daher den Schuldvorwurf nicht entfallen (vgl. dazu Beschluss vom 19. Juni 2000 – BVerwG 1 DB 13.00 – zum vergleichbaren Tatbestand des Verlusts der Versorgungsbezüge).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 ff. BDO. Soweit die Beschwerde des Antragstellers Erfolg hat, betrifft dies lediglich einen sehr geringen Zeitraum des Fernbleibens, sodass eine von der Kostenteilung abweichende andere Kostenquotelung zu Gunsten des Antragstellers nicht gerechtfertigt ist.
Unterschriften
Albers, Heeren, Müller
Fundstellen