Leitsatz (amtlich)

›Dienstbezüge, die einem entlassenen Beamten aufgrund der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage vorläufig fortgezahlt worden sind, sind nach rechtskräftiger Abweisung der Klage gemäß § 12 Abs. 2 BBesG zurückzufordern und unterliegen verschärfter Haftung des Empfängers, ohne daß es hierzu einer Klärung bedarf, ob und ggf. unter welchen näheren Voraussetzungen der Beamte ohne die Fortzahlung der Bezüge Arbeitslosenhilfe hätte beziehen können. Im übrigen hängt eine mögliche Billigkeitsentscheidung von den Umständen des Einzelfalles ab.‹

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 17.07.1997; Aktenzeichen 4 S 3421/95)

VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 26.10.1995; Aktenzeichen 3 K 333/95)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO greifen nicht durch.

1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigelegte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt sich nicht, daß das erstrebte Revisionsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedürfen (vgl. BVerwGE 13, 90 [91 f.]).

Die Beschwerde hält die Rechtsfrage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Ist die Rückforderung von an einen entlassenen Beamten weiterbezahlten Dienstbezügen in der Höhe unzulässig, in der der entlassene Beamte während des Rückforderungszeitraums Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gehabt hätte, wenn ihm nicht Dienstbezüge weiterbezahlt worden wären, wenn der Dienstherr nicht im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Beamten auf das Erfordernis einer Antragstellung beim Arbeitsamt trotz zu erwartender Ablehnung durch das Arbeitsamt wegen nicht bestehender Bedürftigkeit hingewiesen hat?

Indessen ist schon nicht klärungsbedürftig, daß die Fürsorgepflicht der beklagten Stadt als Dienstherr nicht, wie in der Fragestellung vorausgesetzt, den von der Beschwerde vermißten Hinweis gebietet. Vielmehr ist durch die ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt, daß die Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine allgemeine Pflicht zur Belehrung seiner Beamten über alle für sie einschlägigen, insbesondere zur Wahrung ihrer Rechte zu beachtenden Vorschriften umfaßt (vgl. etwa BVerwGE 44, 36 [44]; 52, 70 [78 f.]; 64, 209 [215 f.]; Urteil vom 29. Oktober 1992 - BVerwG 2 C 19.90 - [Buchholz 239.1 § 56 Nr. 5 = ZBR 1993, 182]). Das gilt in besonderem Maße hinsichtlich rechtlicher Verhältnisse, mit deren Bearbeitung der Dienstherr - hier die beklagte Stadt - weder befaßt noch vertraut ist, die vielmehr in die Zuständigkeit einer anderen Verwaltung - hier des Arbeitsamtes - fallen.

Im übrigen bedurfte und bedarf es keiner Erörterung der teils rechtlichen, teils tatsächlichen Frage, ob der Kläger im streitigen Zeitraum, in dem er den Fortbestand seines Beamtenverhältnisses rechtlich durchzusetzen versuchte, abgesehen von der vorläufigen Fortzahlung von Dienstbezügen die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosenhilfe erfüllte und wie sich die vorläufige Fortzahlung von Dienstbezügen hierauf auswirkte. Das Berufungsgericht hat das vom Kläger vorgetragene Ergebnis, ihm hätte ohne die vorläufige Fortzahlung Arbeitslosenhilfe in Höhe von rd. 80000 DM zugestanden, nicht etwa "festgestellt", wie die Beschwerde meint, sondern diesen Vortrag lediglich wiedergegeben (S. 6 der Beschlußausfertigung). Der Senat sieht jedenfalls keinen klärungsbedürftigen Anhalt für die von der Beschwerde (unter Hinweis auf Gagel/Ebsen, Arbeitsförderungsgesetz, Rz. 140 zu § 134) vertretene Annahme, daß im Falle eines etwa möglichen, allein durch die vorläufige Fortzahlung von Dienstbezügen verhinderten Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe der Dienstherr insoweit grundsätzlich durch seine Fürsorgepflicht an der Rückforderung der vorläufig fortgezahlten Bezüge nach rechtskräftiger Abweisung der gegen die Entlassung erhobenen Klage gehindert sei. Eine solche Annahme liefe einerseits dem rein vorläufigen, verfahrensrechtlichen Charakter der aufschiebenden Wirkung (§ 80 VwGO) und andererseits den materiellrechtlichen Vorschriften zuwider, durch die der Gesetzgeber abschließend den Schutz eines zu entlassenden Beamten durch Entlassungsfristen (§§ 46, 47 LBG BW) und durch Anspruch auf ein Übergangsgeld (§ 47 BeamtVG) geregelt hat. Ein Anspruch auf (endgültige) Fortzahlung von Bezügen über deren gesetzlich geregeltes Ende hinaus kommt, wie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist, nicht in Betracht (vgl. BVerwGE 24, 92 [97]; Beschluß vom 5. August 1971 - BVerwG 6 B 21.71 - [Buchholz 237.2 § 43 Nr. 1]). - Die unberührt bleibende Möglichkeit, aus Billigkeitsgründen von einer Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG), ist auf die Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles gerichtet. Ob ihr im vorliegenden Falle durch die erfolgte Reduzierung des Rückforderungsbetrages und die angebotene Stundungsregelung hinreichend Rechnung getragen ist, kann nicht grundsätzlich geklärt, sondern nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalles beurteilt werden, wie im angefochtenen Beschluß auch geschehen.

Die Beschwerde wirft weiter als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf:

Sind im Rahmen der Rückforderung von Dienstbezügen die Voraussetzungen der verschärften Haftung nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB jedenfalls solange nicht gegeben, als der Dienstherr keine Erklärung abgegeben hat, daß die Fortzahlung der Bezüge nur unter Vorbehalt einer Rückforderung erfolge? Genügt insoweit anstelle einer expliziten Vorbehaltserklärung für den Eintritt der Voraussetzungen der verschärften Haftung i.S.d. §§ 820 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB bereits der Hinweis des Dienstherrn in der Begründung der die Entlassung und Weiterzahlung von Dienstbezügen betreffende Verfügung auf eine Literaturfundstelle, bei deren Ausfindigmachung und Heranziehung Hinweise auf mögliche Rückzahlungspflichten weitergezahlter Dienstbezüge gefunden werden können?

Indessen ist schon die erste aufgeworfene Frage ohne klärungsbedürftigen Zweifel dahin zu beantworten, daß die Vorläufigkeit der Zahlungen und die daraus folgende verschärfte Haftung des Beamten nicht aus einer Erklärung des Dienstherrn, sondern schon daraus folgen, daß die Bezüge für die Beteiligten ohne weiteres erkennbar allein aufgrund der durch die aufschiebende Wirkung bedingten verfahrensrechtlichen Fiktion eines fortdauernden Beamtenverhältnisses gezahlt worden sind (vgl. Urteil vom 25. November 1982 - BVerwG 2 C 12.81 - [Buchholz 235 § 12 Nr. 2 = NJW 1983, 2042]; vgl. auch BVerwGE 71, 354 [356 f.]).

Schließlich wirft die Beschwerde die Frage auf:

Ist der Dienstherr im Rahmen einer Rückforderungsverfügung befugt, dem Beamten Auflagen zur Sicherung des Anspruchs zu machen, die auch in Eigentumsrechte anderer selbst nicht leistungsverpflichteter Personen - insbesondere Ehepartner - eingreifen?

Diese Frage würde sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil nach dem festgestellten Sachverhalt die "Auflage" der Beklagten allein den Miteigentumsanteil des Klägers betrifft. In Eigentumsrechte seiner Ehefrau als Miteigentümerin wird dadurch rechtlich nicht eingegriffen. Im übrigen hat das Berufungsgericht in tatsächlicher und rechtlicher Würdigung die "Auflage" dahin ausgelegt, daß die Beklagte die Bestellung der Sicherungshypothek nicht als selbständig durchsetzbar angeordnet, sondern sie lediglich zur Voraussetzung der grundsätzlich bewilligten Stundung gemacht habe.

2. Auch die Verfahrensrügen der Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gegen die Nichterhebung der in vier Beweisanträgen vor dem Verwaltungsgericht und erneut gegenüber dem Berufungsgericht angebotenen Beweise greifen nicht durch. Hierbei kommt als maßgebender Gegenstand der Beanstandung jeweils allein die Nichterhebung der Beweise durch das Berufungsgericht in Betracht.

Soweit die Beschwerde die unterbliebene Erhebung der im 1. Beweisantrag angebotenen Beweise für eine Verzichtserklärung der Beklagten als Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügt, genügt dies schon nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Hierzu hätte die Beschwerde, damit Vorliegen und Erheblichkeit des angeblichen Verfahrensmangels geprüft werden könnten, konkret darlegen müssen, welche über den festgestellten entscheidungserheblichen Sachverhalt hinausgehenden Tatsachen die Zeugen hätten bekunden sollen (stRspr u.a. Beschluß vom 26. Juni 1975 - BVerwG 6 B 4.75 - [Buchholz 232 § 26 Nr. 17]; vgl. z.d. auch BVerwGE 31, 212 [217 f.] m.w.N.). Das hätte hier insbesondere die Darlegung erfordert, ob und ggf. welche wann erfolgten schriftlichen oder mündlichen Erklärungen über den vom Berufungsgericht bereits gewürdigten Schriftsatz der Beklagten vom 13. Dezember 1989 (vgl. S. 4 f. der Beschlußausfertigung) hinaus die Zeugen hätten bekunden sollen. - Auch soweit die Beschwerde im Hinblick auf den 1. Beweisantrag die Unterlassung eines Hinweises auf dessen bereits vom Berufungsgericht beanstandete Unsubstantiiertheit als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, genügt ihre Rüge nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die schlüssige Erhebung der Anhörungsrüge erfordert den substantiierten Vortrag, welche - zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeigneten - Ausführungen der Kläger bei seiner Meinung nach ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch gemacht hätte (vgl. Urteil vom 10. August 1978 - BVerwG 2 C 36.77 - [Buchholz 310 § 108 Nr. 105] sowie Beschluß vom 29. September 1976 - BVerwG 7 CB 46.76 - [Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 Nr. 23]). Unter diesem Gesichtspunkt fehlt es wiederum an jeder Darlegung, ob und ggf. welche über den bereits festgestellten und gewürdigten Sachverhalt hinausgehenden Erklärungen der Beklagten der Kläger bei entsprechendem Hinweis als Beweisthema benannt hätte.

Aus dem 2. Beweisantrag (vgl. S. 7 f. der Beschlußausfertigung) kam der Inhalt des ersten Absatzes schon deshalb nicht als Gegenstand einer Beweiserhebung in Betracht, weil es sich nicht um einzelne konkrete Tatsachen handelt, sondern um das Ergebnis der rechtlichen Würdigung eines nicht im einzelnen dargelegten Sachverhalts. Über die im zweiten Absatz genannten Tatsachen brauchte das Berufungsgericht keinen Beweis zu erheben, weil es darauf nach seiner im Beschluß dargelegten materiellen Rechtsauffassung nicht ankam. Die verfahrensrechtliche Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) gebietet dem Tatrichter nur, solche Umstände aufzuklären, auf die es nach seiner eigenen materiellrechtlichen Auffassung, die er seiner Entscheidung zugrunde legt, ankommt; ob diese seine Auffassung zutrifft, ist keine Frage des Verfahrensrechts, sondern des materiellen Rechts (stRspr, u.a. Urteil vom 27. Mai 1982 - BVerwG 2 C 50.80 - [NJW 1983, 187, 189] m.w.N.).

Entsprechendes gilt für den 3. und 4. Beweisantrag. Im übrigen ist der Kläger durch die ihm günstige Auslegung der "Auflage" durch das Berufungsgericht dahin gehend, daß sie nicht als selbständig durchsetzbar angeordnet, sondern lediglich zur Voraussetzung der bewilligten Stundung gemacht worden sei, nicht beschwert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 13 Abs. 2 GKG.

 

Fundstellen

ZBR 1998, 281

BayVBl 1999, 89

DÖD 1999, 30

DVBl 1998, 647

PersV 1999, 34

BayVBl. 1999, 89

DVBl. 1998, 647

GV/RP 2000, 196

IÖD 1999, 5

KomVerw 2000, 66

FuBW 2000, 47

FuHe 2000, 228

FuNds 2000, 259

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