Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauplanungsrecht. Nachbarschutz, Anspruch auf Gebietserhaltung. Prägung, wechselseitige. Bebauungszusammenhang. Gegebenheiten, topographische. Funktion, trennende. Steilhang
Leitsatz (amtlich)
- Der die Erhaltung der Gebietsart betreffende Nachbarschutz wird durch die wechselseitige Prägung der benachbarten Grundstücke begrenzt und muß keineswegs alle Grundstücke in der Umgebung umfassen, die zu derselben Baugebietskategorie gehören.
- Die Rechtsprechung zur Abgrenzung des Innen- und Außenbereichs kann auf die Abgrenzung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 BauGB sinngemäß übertragen werden. Bei Berücksichtigung topographischer Gegebenheiten kann sich ergeben, daß unmittelbar aneinandergrenzende bebaute Grundstücke gleichwohl zwei unterschiedlichen Baugebieten angehören, etwa wenn einem Steilhang im Grenzbereich eine trennende Funktion zukommt.
Normenkette
BauGB § 34 Abs. 1-2; BauNVO § 3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 26.03.1998; Aktenzeichen 1 L 201/96) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 28.06.1996; Aktenzeichen 2 A 184/94) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. März 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 DM festgesetzt.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten über einen der Beigeladenen zu 2 erteilten Bauvorbescheid für die Errichtung eines Ausstellungsplatzes für Kraftfahrzeuge, eines Verkaufsbüros und einer Pflegehalle.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 2 sind Grundstücksnachbarn. Das klägerische Grundstück ist Teil einer mit Wohnhäusern bebauten Endmoräne. Der nördliche Bereich des Grundstücks fällt zu dem an einer stark befahrenen Bundestraße liegenden Grundstück der Beigeladenen zu 2 etwa 10 – 15 m steil ab. Der Steilhang ist dicht mit hohen Bäumen bewachsen. Ein Bebauungsplan für die betroffenen Grundstücke besteht nicht.
Die Nachbarklage war in den Vorinstanzen erfolglos. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht haben übereinstimmend angenommen, daß Rechte der Klägerin durch den streitigen Bauvorbescheid nicht verletzt seien, weil das Vorhaben der Beigeladenen aus tatsächlichen Gründen gegenüber der Klägerin nicht rücksichtslos sei und weil ihr Anspruch auf Gebietserhaltung nicht verletzt werde, weil das Vorhaben der Beigeladenen nicht in demselben Baugebiet liege wie das Grundstück der Klägerin.
2. Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimißt.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob zwei im unbeplanten Innenbereich gelegene, unmittelbar aneinander grenzende Grundstücke wegen eines Höhenunterschiedes der jeweils bebauten Flächen von etwa 10 – 15 m in unterschiedlichen Gebieten und damit nicht in der näheren Umgebung (im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB) des jeweils anderen Grundstücks liegen können, obwohl beide Grundstücke im Flächennutzungsplan als einheitliche Wohnbaufläche dargestellt und als zu einem reinen Wohngebiet (im Sinne von § 3 BauNVO) gehörig einzuordnen sind, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Zum einen ist schon zweifelhaft, ob die Frage entscheidungserheblich ist. Das Berufungsgericht führt zwar aus, das Grundstück der Klägerin gehöre zu einem gleichsam auf einem Plateau gelegenen Wohngebiet, das einem reinen Wohngebiet entsprechen möge. Zu der Frage, ob auch das tiefer liegende Grundstück der Beigeladenen zu 2 in einem reinen Wohngebiet liege, macht das Berufungsgericht dagegen keine Aussage. Das Verwaltungsgericht, auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht Bezug nimmt, läßt ausdrücklich offen, welcher Art das Baugebiet zwischen dem nicht bebaubaren Hang und der Bundesstraße ist, zu dem das Grundstück der Beigeladenen zu 2 gehört (Urteil, S. 13). Ebensowenig stellt das Berufungsgericht fest, daß die beiden Grundstücke der Beteiligten im Flächennutzungsplan als einheitliche Wohnbaufläche dargestellt sind. Eine solche Feststellung wäre übrigens auch unerheblich, weil die Darstellungen des Flächennutzungsplans für die Zulassung von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich unerheblich sind; für die Anwendung des § 34 BauGB kommt es grundsätzlich nur auf den sich aus der vorhandenen Bebauung ableitbaren Maßstab an (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1981 – BVerwG 4 C 62.78 – BVerwGE 62, 151 ≪152≫).
Aber selbst wenn unterstellt würde, daß sowohl das Grundstück der Klägerin als auch das Grundstück der Beigeladenen zu 2 in einem reinen Wohngebiet liegen, könnte die Revision nicht zugelassen werden, weil sich die von der Beschwerde gestellte Frage auf der Grundlage der bereits vorhandenen Rechtsprechung ohne weiteres im Sinne der Rechtsauffassung der Vorinstanzen beantworten läßt. Der sich aus § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit den Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung ergebende Nachbarschutz besteht nämlich nur, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem dieser Baugebiete entspricht (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – BVerwG 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151). Er besteht deshalb aber auch nur so weit, wie die nähere Umgebung im Sinne von § 34 BauGB reicht. Zu dem danach maßgeblichen Bereich hat der Senat entschieden, berücksichtigt werden müsse die Umgebung eines beabsichtigten Vorhabens einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken könne, und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflußt (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – BVerwG 4 C 9.77 – BVerwGE 55, 369 ≪380≫). Daraus folgt, daß der die Erhaltung der Gebietsart betreffende Nachbarschutz durch die wechselseitige Prägung der benachbarten Grundstücke begrenzt ist und keineswegs notwendig alle Grundstücke in der Umgebung umfassen muß, die zu derselben Baugebietskategorie gehören.
Wieweit die wechselseitige Prägung reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Dabei können auch die topographischen Gegebenheiten eine Rolle spielen. Für die Abgrenzung des Innen- und Außenbereichs ist dies wiederholt entschieden worden; die Grenze eines Bebauungszusammenhangs kann durch Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Flüsse und dergleichen) beeinflußt werden (vgl. Urteil vom 6. November 1968 – BVerwG 4 C 2.66 – BVerwGE 31, 20 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 14; Beschluß vom 27. Mai 1988 – BVerwG 4 B 71.88 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG/BauGB Nr. 127; Urteil vom 15. Mai 1997 – BVerwG 4 C 23.95 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 329). Diese Rechtsprechung kann auf die Abgrenzung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 BauGB sinngemäß übertragen werden. Bei Berücksichtigung topographischer Gegebenheiten kann sich ergeben, daß unmittelbar aneinandergrenzende bebaute Grundstücke gleichwohl zwei unterschiedlichen Baugebieten angehören, etwa wenn einem Steilhang im Grenzbereich eine trennende Funktion zukommt. Ob dies im Einzelfall so ist, kann stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein und läßt sich schon deshalb in der von der Beschwerde bezeichneten Richtung nicht weiter präzisieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Lemmel, Heeren
Fundstellen
BauR 1999, 32 |
NVwZ-RR 1999, 105 |
ZfBR 1999, 173 |
BRS 1999, 617 |
FuBW 1999, 379 |
FuHe 1999, 588 |
FuNds 1999, 497 |