Verfahrensgang
Thüringer OVG (Urteil vom 20.05.2005; Aktenzeichen 3 KO 705/03) |
Tenor
Die Beschwerden der Beklagten und des Vertreters des öffentlichen Interesses beim Thüringer Innenministerium gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2005 werden zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführer tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie jeweils ihre außergerichtlichen Kosten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 545 671,30 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Die Beschwerden müssen ohne Erfolg bleiben.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann.
Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist, der von einem der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellt worden ist. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat.
Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).
Nach diesen Grundsätzen können die Beschwerden der Beklagten und des Vertreters des öffentlichen Interesses nicht zur Zulassung der Revision führen.
a) Die Beklagte hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „mit welchem Regelungsgehalt und welchen Rechtswirkungen ein nach Art. 19 EV übergeleiteter DDR-Verwaltungsakt, insbesondere eine Gewerbeerlaubnis, in der Bundesrepublik Deutschland fortgilt”. Die Beklagte hält dabei insbesondere für klärungsbedürftig, „ob eine DDR-Gewerbeerlaubnis, der in der DDR schlicht aufgrund des Fehlens ordnungsrechtlicher Zulassungsvorschriften möglicherweise umfassende ordnungsrechtliche Legitimierungsfunktion beikam, in der Bundesrepublik mit einer solchen Rechtswirkung fortwirkt oder ob sich der Regelungsgehalt auf den einer Gewerbeerlaubnis beschränkt, die in einem alten Bundesland vor der Wiedervereinigung erteilt wurde, so dass eine nach bundesrepublikanischem Recht erforderliche ordnungsbehördliche Erlaubnis nicht ersetzt oder mit umfasst werden kann”.
Mit einer solchen Fragestellung führt die Beschwerde nur insoweit auf revisibles Recht, als sie sich auf Art. 19 EV bezieht. Der Einigungsvertrag gehört, wie aus Art. 45 Abs. 2 EV folgt, zum Bundesrecht im Sinne des § 137 VwGO. Soweit die aufgeworfene Frage auf das Recht der DDR zielt, betrifft sie kein revisibles Recht. Das insoweit in Betracht kommende Gewerbe-, Lotterie- und Wettrecht der DDR gehört nicht zum Bundesrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 29. April 1993 – BVerwG 7 C 29.92 – LKV 1993, 424 und vom 9. März 1999 – BVerwG 3 C 21.98 – VIZ 2000, 35; Beschlüsse vom 3. Mai 1996 – BVerwG 4 B 46.96 – GewArch 1996, 327, vom 5. Juni 1998 – BVerwG 11 B 45.97 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 18 und vom 14. Oktober 2004 – BVerwG 6 B 6.04 – Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 51) ist das Recht der ehemaligen DDR nur insoweit revisibel, als es durch Bundesrecht weiterhin für anwendbar erklärt ist. Das trifft auf die hier in Rede stehenden Normen der DDR nicht zu. Nach Art. 8 EV in Verbindung mit Anlage I Kapitel V Sachgebiet C Abschnitt III EV ist das Gewerberecht der Bundesrepublik, soweit hier von Interesse, weitgehend uneingeschränkt im Beitrittsgebiet in Kraft getreten. Die Gewerbeordnung ist lediglich im Bereich des gewerberechtlichen Arbeitsrechts und des gewerblichen Anlagenrechts mit Maßgaben versehen worden (Anlage I Kapitel VIII EV). Das Gewerbegesetz der DDR ist gemäß Art. 9 Abs. 2 EV in Verbindung mit Anlage II außer Kraft getreten. Soweit Rechtsvorschriften der DDR einschlägig sein können, die nach der Kompetenzordnung der Bundesrepublik zum Landesrecht gehören würden, hier also das Wett- und Lotterierecht, soweit es nicht in §§ 33 c ff. GewO geregelt ist, können sie nur nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 1 EV als Landesrecht, nicht aber als Bundesrecht fortbestanden haben, sind also nicht revisibel.
Die in der Beschwerdebegründung angesprochene Frage zu Art. 19 EV ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. Nach Art. 19 der die Überschrift „Fortgeltung von Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung” trägt, bleiben vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene „Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik wirksam” (Art. 19 Satz 1 EV). Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder Regelungen dieses Vertrages unvereinbar sind (Art. 19 Satz 2 EV). Im Übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt (Art. 19 Satz 3 EV). Diese Bestimmungen stellen nach der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zu dem Einigungsvertrag klar, dass – ähnlich wie bei der Fortgeltung gerichtlicher Entscheidungen nach Maßgabe von Art. 18 EV – „die Wirksamkeit von Verwaltungsakten, die von Behörden der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erlassen worden sind, grundsätzlich nicht mit dem Wegfall der erlassenden Körperschaft endet. Sie werden jedoch unwirksam, soweit der Vertrag oder eine andere Rechtsvorschrift dies bestimmt” (BTDrucks 11/7760, S. 355 ≪364≫). Art. 19 EV setzt voraus, dass ein Verwaltungsakt der DDR erlassen worden ist. Art. 19 Satz 1 EV beschränkt die Fortgeltung von Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung auf vor dem Beitritt ergangene „Verwaltungsakte” von Behörden der früheren DDR. Zwar kannte die frühere DDR den Begriff des Verwaltungsakts nicht, sondern verwendete für vergleichbare Fälle denjenigen der „Einzelentscheidung” in Ausübung vollziehend-verfügender Tätigkeit. Aus der Verwendung des Begriffs „Verwaltungsakt” im Einigungsvertrag selbst ist aber der Schluss zu ziehen, dass solche Verwaltungsentscheidungen von Behörden der ehemaligen DDR unter Art. 19 Satz 1 EV fallen, die Regelungscharakter haben und auf eine unmittelbare Rechtswirkung im Einzelfall gerichtet sind. Darin stimmen der Begriff der „Einzelentscheidung” und der des Verwaltungsakts im Sinne des § 35 VwVfG überein (zum Ganzen Beschluss vom 25. Januar 1994 – BVerwG 11 B 53.93 – Buchholz 111 Art. 19 EV Nr. 1). Wirksam ergangen und damit gemäß Art. 19 Satz 1 EV auch weiterhin gültig sind dabei alle Verwaltungsakte, die nach der seinerzeitigen Staats- und Verwaltungspraxis der DDR ungeachtet etwaiger Rechtsmängel als wirksam angesehen und behandelt wurden (Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – BVerwGE 104, 186 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 108, Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 7 B 4.96 – Buchholz 111 Art. 41 EV Nr. 2 = VIZ 1996, 206 = ZOV 1996, 140).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch geklärt, dass sich auf Art. 19 EV der Begünstigte eines Verwaltungsakts der Behörden der früheren DDR nicht berufen kann, wenn dieser nichtig ist, d.h. wenn ihm ein schwerer Fehler anhaftet und dies offenkundig ist. Dabei ist grundsätzlich auf die DDR-Rechtslage (unter Einschluss der gelebten Rechtswirklichkeit) zum Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen (Urteil vom 26. August 1999 – BVerwG 3 C 31.98 – Buchholz 111 Art. 19 EV Nr. 6). Ob eine hoheitlich verfügte Begünstigung den Beitritt der DDR rechtlich überdauert, richtet sich gemäß Art. 19 Satz 3 EV in erster Linie nach den Regeln über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und kann daher auch und gerade davon abhängen, ob dem Verwaltungsakt der Mangel der Nichtigkeit anhaftet. Denn nach dem in § 43 Abs. 3 VwVfG enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken ist ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam und keiner Bestandskraft zugänglich. In einem solchen Fall boten weder das bei seinem Erlass heranzuziehende noch das einigungsvertragliche Recht hinreichenden Anlass, auf den Fortbestand des Verwaltungsakts und der damit verbundenen Begünstigung zu vertrauen (vgl. Urteil vom 26. August 1999 – a.a.O.). Die Beklagte legt nicht dar, dass sich im Zusammenhang mit der Gewerbeerlaubnis vom 14. September 1990 darüber hinaus rechtsgrundsätzlich zu klärende Fragen zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts deshalb stellen könnten, weil der Magistrat der Stadt eine gewerberechtliche Erlaubnis für eine Betätigung erteilt hat, die nach der Kompetenzordnung der Bundesrepublik Deutschland von einer anderen Behörde auf einer anderen Rechtsgrundlage erteilt werden müsste. Wie bereits dargelegt kommt es insoweit auf die Kompetenzordnung in der ehemaligen DDR an. Das Beschwerdevorbringen zum Eingreifen lotterie- oder wettrechtlicher Vorschriften der DDR führt insoweit nicht auf einen weiteren Klärungsbedarf, weil das Revisionsgericht von der Auffassung des Berufungsgerichts ausgehen müsste, dass für den Abschluss und die Vermittlung von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen nur eine Gewerbeerlaubnis erforderlich war, für deren Erteilung der Magistrat der Stadt zuständig war.
Weiter ist geklärt, dass Verwaltungsakten der DDR nach Art. 19 Satz 1 EV grundsätzlich ebenso Geltung im gesamten (erweiterten) Bundesgebiet zukommt, wie dies auch für Verwaltungsakte zutrifft, die bis zum 3. Oktober 1990 von der Behörde eines alten Bundeslands erlassen worden sind. Verwaltungsakte der DDR gelten nicht grundsätzlich nur in deren ehemaligem Hoheitsgebiet fort. Eine derartige Begrenzung ihres räumlichen Anwendungsbereichs, welche die mit dem Einigungsvertrag angestrebte Rechtseinheit gefährden würde (vgl. auch BVerfGE 77, 137 ≪147 ff.≫), ist Art. 19 Satz 1 EV nicht zu entnehmen. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf einen statusbegründenden Verwaltungsakt entschieden, dass sich der räumliche Geltungsbereich auch auf die alten Bundesländer erstreckt. Solche statusbildenden Verwaltungsakte können schon wegen des Inhalts der getroffenen Regelung nicht in ihrer Geltung auf Teile des Bundesgebiets beschränkt werden (Urteil vom 15. Oktober 1997 – BVerwG 7 C 21.96 – BVerwGE 105, 255 = Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 62 = NJW 1998, 253).
Der räumliche Geltungsbereich eines Verwaltungsakts richtet sich nach seinem Inhalt. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass der Geltungsbereich eines statusbegründenden Verwaltungsakts anders zu bestimmen ist als beispielsweise derjenige eines grundstücksbezogenen Verwaltungsakts, also etwa einer Baugenehmigung, die sich, abgesehen von gewissen Ausstrahlungswirkungen auf die Nachbarschaft, nur auf das Grundstück bezieht, für das sie erteilt worden ist. Welche Reichweite gewerberechtliche Erlaubnisse der Behörden der ehemaligen DDR haben, kann im vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden werden, da das angefochtene Urteil ausdrücklich nur für das Gebiet des Freistaates Thüringen von der Wirksamkeit der Gewerbeerlaubnis ausgegangen ist (UA S. 17, 25). Wegen der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Beschränkung der Wirkung der Gewerbeerlaubnis auf das Gebiet des Freistaats Thüringen bietet der Rechtsstreit keinen Anlass, in einem Revisionsverfahren die Frage der Geltung der Erlaubnis in anderen Bundesländern zu erörtern.
Mit welchen Rechtswirkungen ein Verwaltungsakt der DDR-Behörden fortgilt, hängt von seinem Inhalt und den auf den geregelten Lebenssachverhalt anzuwendenden Rechtsvorschriften ab und muss, soweit nötig, durch Auslegung ermittelt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Erlaubnis vom 14. September 1990 dahin verstanden, dass der Klägerin für das Gebiet des Landes Thüringen eine Erlaubnis im Sinne des § 284 StGB erteilt worden ist (UA S. 16), welche die durch die ordnungsbehördliche Verfügung vom 25. April 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. September 1996 verbotene Betätigung gestattet (UA S. 17). Danach erstreckt sich die Erlaubnis darauf, „Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen abzuschließen oder zu vermitteln und alle damit im Zusammenhang stehenden Nebentätigkeiten.” Die Feststellung des konkreten Inhaltes eines Verwaltungsakts ist gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht in vollem Umfang revisibel. Der Regelungsgehalt ist entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln zu ermitteln. Die Auslegung auch eines Verwaltungsakts richtet sich dabei nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Adressaten oder der erlassenden Behörde. Maßgebend ist entsprechend der Auslegungsregel des § 133 BGB der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Auch für die Auslegung eines Verwaltungsakts sind nur solche Umstände indiziell zu berücksichtigen, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Nicht der innere, sondern der objektiv erklärte Wille ist maßgebend, wie ihn der Empfänger verstehen kann. Der nach diesen Regeln tatrichterlich ermittelte Erklärungsinhalt ist als Tatsachenfeststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Urteil vom 19. Februar 1982 – BVerwG 8 C 27.81 – BVerwGE 65, 61 ≪68≫; Beschluss vom 24. Januar 1991 – BVerwG 8 B 164.90 – Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 6 = NVwZ 1991, 574 ≪575≫). Dem Revisionsgericht ist eine eigene Auslegung dann möglich, wenn das Tatsachengericht in seiner Entscheidung nichts Näheres ausgeführt und insbesondere sein Auslegungsergebnis nicht näher begründet hat (Urteil vom 9. Juli 1982 – BVerwG 7 C 54.79 – Buchholz 451.171 AtG Nr. 11 = DVBl 1982, 960; vgl. auch Urteil vom 9. Juni 1983 – BVerwG 2 C 34.80 – BVerwGE 67, 222 ≪234≫; Urteil vom 23. Mai 1984 – BVerwG 2 C 41.81 – Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 14 = NVwZ 1985, 181). So verhält es sich hier nicht. Denn das Oberverwaltungsgericht hat den Inhalt der Gewerbeerlaubnis vom 14. September 1990 dargelegt (UA S. 17, 25) und ferner auf die Akten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen, in denen sein Beschluss vom 21. Oktober 1999 – 3 EO 939/97 – (GewArch 2000, 118) enthalten ist, in welchem sich das Gericht mit den Grundsätzen der Auslegung eines Verwaltungsakts befasst hat. Außerdem hat es auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Bezug genommen, das sich ebenfalls zu dem Inhalt der Gewerbeerlaubnis geäußert hat (UA S. 9). Die Auslegung des Inhalts des Verwaltungsakts ist ausschließlich am Maßstab der aus §§ 133, 157 BGB entwickelten und entsprechend heranzuziehenden Auslegungsregeln zu überprüfen und kann einen Verstoß gegen Art. 19 EV nicht begründen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass in Bezug auf die Auslegungsregeln weiterer Klärungsbedarf bestehen könnte.
Art. 19 EV kann nicht zu einer Änderung des Inhalts eines Verwaltungsakts einer Behörde der ehemaligen DDR geführt haben. Eine derartige Zielsetzung ist Art. 19 EV, ohne dass dies erst in einem Revisionsverfahren geklärt werden müsste, nicht zu entnehmen. Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vertragsbestimmung lassen erkennen, dass einem nach Art. 19 EV weitergeltenden Verwaltungsakt nur noch der Inhalt zukommen soll, der „strukturell” einer vergleichbaren Erlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland zukommt, wie die Beschwerde meint. Verhielte es sich so, wäre es unnötig gewesen, die Regelungen des Art. 19 Sätze 2 und 3 vertraglich zu vereinbaren. Demgemäß ist, wie bereits ausgeführt, in der Rechtsprechung anerkannt, dass gemäß Art. 19 Satz 1 EV weiterhin gültig sind alle Verwaltungsakte, die nach der seinerzeitigen Staats- und Verwaltungspraxis der DDR ungeachtet etwaiger Rechtsmängel als wirksam angesehen und behandelt wurden (Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – BVerwGE 104, 186). Das schließt ein, dass sie mit dem seinerzeitigen Regelungsgehalt wirksam geblieben sind. Art. 19 EV enthält keine inhaltliche Beschränkung für die weiter geltenden Verwaltungsakte, sondern beschränkt sich auf die Vereinbarung der Aufhebungsmöglichkeit in bestimmten Fällen. Wollte man die Fortgeltung der Verwaltungsakte von deren „struktureller” Übereinstimmung mit der Rechts- und Verwaltungsordnung der Bundesrepublik Deutschland abhängig machen, führte dies zu einer weitgehenden Aushöhlung des Art. 19 EV und ferner zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts nach den dargestellten Grundsätzen ermitteln. Wenn die zuständige Behörde einen solchen Verwaltungsakt nunmehr für nicht hinnehmbar ansieht, kann sie ihn in Anwendung des Art. 19 Sätze 2 oder 3 EV aufheben.
Der Hinweis auf Art. 30 und 70 GG kann nicht zur Zulässigkeit der Revision führen, weil in Bezug auf diese Grundgesetzbestimmungen kein Klärungsbedarf aufgezeigt wird.
Soweit die Beklagte Klärungsbedarf hinsichtlich des Regelungsgehalts anderer Verwaltungsakte von Behörden der ehemaligen DDR sieht, kann eine Revisionszulassung schon deshalb nicht erfolgen, weil sich derartige Fragen, die ohne Bezug zu dem Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, in einem Revisionsverfahren nicht stellen könnten.
b) Der von der Beklagten geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht den dargestellten Anforderungen gemäß dargelegt worden. Die Beklagte macht geltend, in dem bereits angeführten Urteil vom 15. Oktober 1997 – BVerwG 7 C 21.96 – (a.a.O.) sei ausgeführt, dass Verwaltungsakten der DDR nach Art. 19 Satz 1 EV grundsätzlich ebenso Geltung im gesamten (erweiterten) Bundesgebiet zukomme, wie dies auch für Verwaltungsakte zutreffe, die bis zum 3. Oktober 1990 von der Behörde eines alten Bundeslandes erlassen worden sind. Daraus lasse sich der Rechtssatz ableiten, dass DDR-Verwaltungsakte hinsichtlich ihrer territorialen wie sachlichen Reichweite ebenso zu beurteilen seien wie vergleichbare Verwaltungsakte, die von der Behörde eines alten Bundeslandes vor der Wiedervereinigung erteilt worden seien. Dem gegenüber beruhe das angefochtene Urteil auf der Rechtsansicht, dass sich die inhaltliche Reichweite der Fortgeltung eines DDR-Verwaltungsakts allein nach den ihm in der DDR zugekommenen Rechtswirkungen richte, so dass ein solcher Verwaltungsakt nach dieser Auffassung auch weiterreichende Rechtswirkungen entfalten könne als ein Verwaltungsakt einer Behörde eines alten Bundeslandes vor der Wiedervereinigung. Damit werden keine widerstreitenden Rechtssätze gegenüber gestellt. Das Berufungsgericht hat vielmehr seiner Entscheidung ausdrücklich das vorgenannte Urteil des 7. Revisionssenats zugrunde gelegt. Die Beschwerde verkennt, dass sich die Aussage des Urteils vom 15. Oktober 1997 auf den räumlichen Geltungsbereich einer statusrechtlichen Entscheidung bezieht, von der das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren nicht abweichen konnte, weil es hier um eine gewerberechtliche Erlaubnis handelt, über deren Geltungsanspruch zudem nur für das Gebiet des Freistaats Thüringen entschieden worden ist.
c) Der Vertreter des öffentlichen Interesses hält ebenfalls den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache für gegeben. Sein Vorbringen führt jedoch nicht über dasjenige der Beklagten hinaus und muss aus den dargelegten Gründen ebenfalls erfolglos bleiben. Die Beschwerde rügt die fehlerhafte Anwendung des Art. 19 Satz 1 EV, wirft aber keine Rechtsfrage zu dieser Vertragsbestimmung auf, sondern legt nur umfangreich die Rechtslage zum Glücksspielwesen der DDR dar. Soweit der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage entnommen werden kann (Beschwerdebegründungsschrift S. 6), kann sie wegen des Streitgegenstands des Verfahrens nur auf die Klärung der Reichweite der von dem Magistrat der Stadt Gera erteilten Erlaubnis vom 14. September 1990 zielen. Dazu ist das Erforderliche bereits ausgeführt.
d) Im Zusammenhang mit seiner Aufklärungsrüge führt der Vertreter des öffentlichen Interesses aus, dass das Revisionsgericht auch befugt sein kann, nicht revisibles Recht der DDR zu ermitteln und zu berücksichtigen. Das ist zutreffend. Das Bundesverwaltungsgericht kann zur Ausfüllung revisiblen Rechts seinerzeit geltende Rechtsvorschriften der DDR selbst heranziehen. Insoweit handelt es sich nicht um die Auslegung und Anwendung revisiblen Rechts, sondern um die Berücksichtigung allgemeinkundiger Tatsachen (zum Ganzen Beschluss vom 13. Februar 2003 – BVerwG 7 B 8.03 – n.v.). Dies kann allerdings nur dann zur Ermittlung nicht revisiblen Rechts der DDR führen, wenn in Bezug auf revisibles Recht noch zu klärende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden, zu deren Beantwortung das nicht revisible Recht als Tatsache von Bedeutung ist. Daran fehlt es.
e) Der vom Vertreter des öffentlichen Interesses in der Einleitung der Beschwerdebegründung angesprochene Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch nicht ansatzweise den dargestellten Anforderungen gemäß dargelegt worden. Der Vertreter des öffentlichen Interesses führt lediglich im Zusammenhang mit seinem Vorbringen zur grundsätzlichen Bedeutung zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts an, ohne Rechtssätze anzuführen und diesen widerstreitende Rechtssätze des Oberverwaltungsgerichts gegenüberzustellen. Eine Abweichung von der Rechtsprechung anderer Gerichte, welche die Beschwerdebegründung darstellt, rechtfertigt nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht die Zulassung der Revision
f) Die Verfahrensrüge des Vertreters des öffentlichen Interesses kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Die Beschwerde macht geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einer mangelnden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, weil das Oberverwaltungsgericht es unterlassen habe, alle dem System des Glücksspielrechts in der DDR zugrunde liegenden Gesetze zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht habe das Rechtssystem der DDR außer Acht gelassen, indem eine „Beschäftigung mit der Regelungsmaterie und der Erforschung des Systems und Zusammenspiels der Gesetze” unterblieben sei.
Die Auslegung und Anwendung von nicht revisibel gewordenen Bestimmungen der DDR ist wie bei ausländischem Recht revisionsrechtlich als Tatsachenfeststellung zu behandeln. Sie ist deshalb den Tatsachengerichten vorbehalten (Urteil vom 9. März 1999 – BVerwG 3 C 21.98 – Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 21). Fremdes (ausländisches) Recht und daher in entsprechender Weise nicht revisibles Recht der DDR sind einer Beweiserhebung zugänglich (vgl. § 173 VwGO, § 293 ZPO), die sich auch auf die tatsächliche Anwendung des Rechts in einem bestimmten Zeitraum erstrecken kann. Eine darauf zielende Aufklärungsrüge ist daher statthaft. Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotene Darlegung des Verfahrensmangels ungenügender Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfordert die substantiierte Erklärung, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). Daran fehlt es. Die Beschwerde zeigt nicht im Einzelnen auf, welche Rechtsvorschriften der DDR vom Berufungsgericht nicht angewandt worden sind, obwohl sie hätten angewandt werden müssen, sondern rügt ein fehlerhaftes Verständnis der Rechtsvorschriften. Damit kann der Verfahrensmangel ungenügender Sachaufklärung nicht dargelegt werden. Die Rüge führt lediglich auf eine nach Ansicht des Vertreters des öffentlichen Interesses fehlerhafte Auslegung und Anwendung des nicht revisiblen Rechts.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Graulich
Fundstellen